Unliebsame Geschichtsstunde für den Westen: Das war Tucker Carlsons Interview mit Wladimir Putin

Bild: Kreml

Seit wenigen Stunden ist das Putin-Interview von Tucker Carlson online. Ein Interview, für das der US-Journalist in seinem eigenen Land scharf attackiert wurde und von EU-Parlamentariern mit Sanktionen bedroht wird. Worüber haben die beiden gesprochen?

Tucker Carlson sprach mit Wladimir Putin. Der erste westliche Journalist, der seit der Eskalation in der Ukraine mit dem russischen Präsidenten ein Interview führte. Ein Gespräch, das beim Establishment des Wertewestens auf massive Kritik stieß und zu Aufforderungen zur Bestrafung des früheren Fox News-Hosts führte. Sie können sich das Interview entweder auf X (siehe unten) ansehen, oder auch direkt auf Tucker Carlsons Webseite.

Tucker beginnt das Interview, indem er Putin fragt, warum er die Ukraine angegriffen hat, „und die Antwort, die wir bekamen, schockierte uns.“ Putin begann daraufhin, in die Geschichte der Ukraine einzutauchen, bis ins Mittelalter zurück. Tucker widersprach und sagte: „Ich bin mir nicht sicher, warum das für das relevant ist, was vor zwei Jahren passiert ist“, woraufhin Putin in seiner altbekannten Art mit der Geschichtsstunde fortfuhr.

„Aber warum haben Sie diesen Fall nicht während der ersten 22 Jahre als Präsident gemacht, dass die Ukraine kein echtes Land war?“, fragte Tucker. „Die Sowjetunion erhielt eine große Menge Territorium, das nie zu ihr gehört hatte, einschließlich der Schwarzmeerregion. Irgendwann, als Russland sie als Ergebnis der russisch-türkischen Kriege erhielt, wurden sie Neu-Russland oder ein anderes Russland genannt. Aber das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass Lenin, der Gründer des sowjetischen Staates, die Ukraine so etablierte“, antwortete Putin. „Jahrzehntelang entwickelte sich die Ukrainische Sowjetrepublik als Teil der UdSSR. Und aus unbekannten Gründen waren die Bolschewiki wieder mit der Ukrainisierung beschäftigt.“

Maidan-Putsch als Auslöser

Der Auslöser für den Ukraine-Krieg: „Ursprünglich war es der Staatsstreich in der Ukraine, der den Konflikt provozierte… Sie starteten den Krieg im Donbass im Jahr 2014 mit dem Einsatz von Flugzeugen und Artillerie gegen Zivilisten. Das ist, wann das alles begann.“ Ein Staatsstreich, der ganz offen von den Vereinigten Staaten (wer erinnert sich noch an Victoria „Fuck the EU“ Nuland?) und der Europäischen Union unterstützt wurde und eine neue von Rechtsextremisten (z.B. der Partei „Swoboda“ von Oleh Tjahnybok) mitgetragene Putschregierung an die Macht brachte. Politiker und Parteien, die an einer „Entrussifizierung“ (also an ethnischen Säuberungen) im Osten des Landes arbeiteten und dazu auch rechtsextreme Milizen wie das „Asow“-Battaillon einsetzten.

Im Grunde genommen geht es hierbei aus Putins Sicht um historische Gebietsansprüche, die so lange nicht relevant waren, wie die Ukraine ein Teil des russischen Einflussbereichs blieb. Mit dem Maidan-Putsch, der Nichtanerkennung der neuen Regierung im Donbass und dem Beginn des Beschusses der östlichen (vor allem russisch besiedelten) Landesteile wurde dieser ganze Prozess in Gang gesetzt.

Expansion der NATO nach Osten

Putin erklärte Carlson das Wesentliche des Ukraine-Krieges: „Die frühere russische Führung nahm an, dass die Sowjetunion aufgehört habe zu existieren und daher keine ideologischen Trennlinien mehr vorhanden seien. Russland stimmte sogar freiwillig und proaktiv dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu und glaubte, dass dies vom sogenannten zivilisierten Westen als Einladung zur Zusammenarbeit und Vereinigung verstanden würde.“ Er erklärte weiter: „Man versprach uns, dass die NATO nicht nach Osten expandieren werde, keinen Zoll nach Osten, wie man uns sagte. Und dann? Sie sagten, nun ja, es steht nicht schriftlich fest, also werden wir uns erweitern.“

„Das ist es, was Russland sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von diesem sogenannten kollektiven Westen insgesamt erwartete. Es gab kluge Menschen, auch in Deutschland, wie Egon Bahr, einen bedeutenden Politiker der Sozialdemokratischen Partei, der in seinen persönlichen Gesprächen mit der sowjetischen Führung am Rande des Zusammenbruchs der Sowjetunion darauf bestand, dass Sicherheitssysteme in Europa etabliert werden sollten. Dem vereinigten Deutschland sollte geholfen werden, aber es sollte auch ein neues System geschaffen werden, das die Vereinigten Staaten, Kanada, Russland und andere mitteleuropäische Länder einschließt. Aber die NATO sollte sich nicht ausdehnen. Das hat er gesagt. Wenn die NATO sich ausdehnt, wird alles genauso wie während des Kalten Krieges sein, nur näher an Russlands Grenzen. Das war alles. Er war ein weiser alter Mann, aber niemand hörte auf ihn. Tatsächlich wurde er einmal wütend. Wenn ihr mir nicht zuhört, sagte er, werde ich nie wieder einen Fuß nach Moskau setzen. Alles geschah genau so, wie er es gesagt hatte.“

Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Wladimir Putin während seiner ersten Amtszeit als Präsident auch versuchte, Russland (als Großmacht natürlich in einem beschleunigten Prozess) in die NATO zu integrieren und so einen gemeinsamen Sicherheitsraum von Nordamerika über Europa bis nach Nordasien zu schaffen. Ein wichtiger Fakt, der auch im Buch „Feindbild Putins Russland: Kalter Krieg 2.0“ von Marco Maier angeführt wurde. Doch dieses Angebot Putins zur Westintegration wurde von den angloamerikanischen Eliten abgelehnt – unter anderem deshalb, da Putin den Ausverkauf Russlands an westliche Konzerne unterbunden hatte, welche unter seinem Vorgänger Boris Jelzin ihren Anfang nahm.

Friedensverhandlungen wurden boykottiert

Der russische Präsident erklärte im folgenden Gespräch auch, dass der Prozess der Friedensverhandlungen mit Kiew durch die andere Seite sabotiert worden sei. „Es gab [Gespräche], sie erreichten einen sehr hohen Grad der Koordination der Positionen in einem komplexen Prozess, aber sie waren noch fast abgeschlossen. Aber nachdem wir unsere Truppen aus Kiew abgezogen hatten… warf die andere Seite all diese Vereinbarungen weg“, so Putin zu Carlson. Allerdings habe Moskau absolut kein Interesse an einem globalen Konflikt, der nur zum Ende der Menschheit führen würde. Zudem habe Russland keine Intentionen zur Gebietserweiterung, die über die historisch russischen Gebiete in der Ukraine hinausgehen. „Wir haben einfach kein Interesse [an Polen, Lettland oder irgendwo anders]. Es ist einfach Angstmacherei“, so Putin, der sich auf die ständige mediale Panikmache in den westlichen Mainstreammedien bezog.

Die beiden sprachen auch über weitere Themen wie die Nord Stream-Angriffe („Wer hat Interesse daran und hat die Möglichkeit, dies zu tun?“), das Schweigen der deutschen Bundesregierung zu diesen Angriffen auf die Energieinfrastruktur („Die aktuelle deutsche Führung wird mehr von den Interessen des kollektiven Westens geleitet als von den eigenen nationalen Interessen.“) die Kontrolle der Vereinigten Staaten über die globalen Medien, die globale Sicherheitsarchitektur (welche sich auf die ganze Welt und nicht nur „die goldene Milliarde“ der Westler beschränken solle) und auch die Beziehungen Russlands zu China, welche auf Kompromissen beruhe.

Putin erklärte auch, dass der Missbrauch des US-Dollars als politisches Werkzeug „einer der größten strategischen Fehler“ gewesen sei, den die politische Führung der Vereinigten Staaten gemacht habe. „Sogar die Verbündeten der Vereinigten Staaten reduzieren jetzt ihre Dollarreserven… Es waren nicht wir, die die Verwendung des US-Dollars verboten haben. Es war die Entscheidung der Vereinigten Staaten, unsere Transaktionen in US-Dollar zu beschränken“, so der russische Staatschef.

USA: „Vorherrschaft um jeden Preis“

In Sachen russisch-amerikanischer Beziehungen und einer potenziellen Verbesserung dieser sagte Putin: „Es geht nicht um die Persönlichkeit des Anführers. Es geht um die Denkweise der Eliten, die Handschlagqualität. Wenn die Idee der Vorherrschaft um jeden Preis, die auch auf gewaltsamen Handlungen beruht, die amerikanische Gesellschaft beherrscht, wird sich nichts ändern.“ Der russische Präsident betonte auch, dass es für Russland schwierig sei zu erkennen, wer in den Vereinigten Staaten tatsächlich die Macht innehabe.

Dieser Überblick über die wichtigsten besprochenen Themen (die beiden sprachen beispielsweise auch kurz über Elon Musk und Neuralink oder den inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich) mag vielleicht auch dazu beitragen, den Massen einen Einblick über die Motivationen Putins zu verschaffen. Jene Menschen, die sich schon seit Jahren umfassend mit dieser Thematik befassen und dabei nicht nur auf die westlichen Mainstreammedien zur Informationsbeschaffung setzen, werden wohl nicht viel Neues erfahren. Putin machte seinen Standpunkt und seine Beweggründe deutlich. So viel ist klar. Doch wird das Interview – vor allem aufseiten der US-Bevölkerung – dazu beitragen, die Sichtweise der Menschen zu beeinflussen?

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