Offener Brief an OÖN: Warum haben Sie Angst vor vollständiger Information und Dialog?

Florian Machl richtet einen offenen Brief an die Oberösterreichischen Nachrichten (C) Hintergrund RTV, Portrait Alois Endl

Die Oberösterreichischen Nachrichten erwecken in ihrem Artikel „Stadtrat in Gmunden stimmte über das Abhängen der Helnwein-Werke ab“ einmal mehr den Eindruck, dass ihnen Framing und Regierungspropaganda wichtiger zu sein scheint als journalistische Recherche und neutrale Information der Öffentlichkeit. Auch andere Meinungen scheint man zu fürchten, Alternativmedien werden mit üblen Worten bedacht. Report24 Chefredakteur Florian Machl nutzt die Gelegenheit für einen offenen Brief.

Ein offener Brief von Florian Machl

Werter Herr Gabriel Egger, geschätzte Chefredaktion der Oberösterreichischen Nachrichten!

In den letzten Jahren lässt sich eine gewisse Tendenz in der Berichterstattung erkennen, die als linksgerichtet beschrieben werden könnte. Die hohen Ansprüche an Genauigkeit und Vollständigkeit scheinen Ihnen so manches Mal genauso zu entgleiten wie jene der Unterscheidbarkeit zwischen faktischer Berichterstattung und Kommentaren und Meinungen. Unter dem Titel „Stadtrat in Gmunden stimmte über das Abhängen der Helnwein-Werke ab“ haben Sie beispielsweise eine Meinung veröffentlicht, ohne diese explizit als solche zu kennzeichnen. Punkt 2.1 des freiwilligen Ehrenkodex der österreichischen Presse besagt: „Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten und Kommentaren sind oberste Verpflichtung von Journalisten.“ Dies ist umso relevanter, als Eike Kullmann, Ressortleiter der OÖN und Vorsitzender der JournalistInnengewerkschaft der GPA, auch Präsident des Trägervereins des Presserates ist. Von daher wäre zu erwarten, dass die Prinzipien korrekten und sorgfältigen Arbeitens besonders beherzigt werden.

Keine Trennung zwischen Meinung und Berichterstattung

Bei der Berichterstattung zum Thema Gmunden scheint in Ihrem Medium die Grenze zwischen Meinung und objektiver Berichterstattung oft zu verschwimmen oder gar nicht erst gezogen zu werden. Besonders auffällig ist dies bei den Beiträgen eines Herrn Egger, der sich durch eine umfassende Kampagnenarbeit zum Thema hervortut – allerdings weniger mit dem Ziel, den Dialog mit den Bürgern vor Ort zu suchen, als vielmehr politisch Andersdenkende in ein schlechtes Licht zu rücken. Selten findet sich ein Artikel ohne kritische Bemerkungen zur FPÖ. Beispielsweise wird in Ihrem Medium eine Aussage wie die folgende als Teil der Berichterstattung präsentiert: „Dass es sich bei dem Projekt um Kunst von Gottfried Helnwein handelt, wussten jene, die grünes Licht gaben. Vermutlich auch, dass Helnwein kein überdimensionales Bild einer Glöcklerkappe auf das Rathaus spannen wird.“ (getätigt in „Helnweins Werk auf Gmundner Rathaus entfacht auch darin die Emotionen“ am 4. Februar).

Es handelt sich dabei aber ganz klar um Meinung, wie auch ein Beispiel im eingangs erwähnten Artikel aufzeigt: „Klingt völlig absurd? Ist aber ein ganz normaler Satz in der Nachrichtensendung der Plattform „AUF1“.“ Meine persönliche Wahrnehmung von Journalismus ist: Man kann als Redakteur einen Bürger auf der Straße nach seiner Einschätzung fragen und ihn dann zitieren. Das ist dann eine Reportage. Sachverhalte selbständig als „völlig absurd“ einzuordnen ist Meinung und als solche zu kennzeichnen.

Ein weiterer Absatz aus diesem Artikel zeigt, dass Sie aktiv Politik betreiben möchten und dem Bürgermeister bzw. der regierenden Koalition von außen direkte Tipps und Handlungsanweisungen geben:

Die Stadtpolitik in Gmunden wäre schlecht beraten, nun auf die aggressiven Stimmen, die vorrangig im Internet erhoben werden, zu hören und deswegen einen Rückzieher zu machen. Besser wäre es, auf konstruktive Kritik zu reagieren und dem Thema „Gewalt an Kindern“ mehr Inhalt zu geben.

Zitat: Gabriel Egger, OÖN, 7. Februar 2024

Haben Sie Angst vor neuen Medien und freier Meinungsäußerung

Die deutliche Ausrichtung Ihrer Berichterstattung und Kommentierung zugunsten der „Helnwein-Kunst“ und gegen eine in Ihren eigenen Online-Umfragen dokumentierte mehrheitliche öffentliche Meinung wirft Fragen bezüglich der Offenheit Ihres Mediums für unterschiedliche Perspektiven auf. Diese Tendenz könnte von einigen als eine allzu bereitwillige Anpassung an vorherrschende politische Strömungen links des Spektrums interpretiert werden. Zudem entsteht der Eindruck, dass eine deutliche Ablehnung gegenüber neuen Medien und gegenüber Personen besteht, die eine abweichende Meinung öffentlich vertreten. Die Bereitschaft zu einem echten Dialog mit den Bürgern – einschließlich Ihrer Leser und Abonnenten – scheint, basierend auf der aktuellen Berichterstattung, verbesserungsfähig.

Wie schon zu Corona-Zeiten treibt dieses als „Journalismus“ getarnte Spiel die Spaltung der Gesellschaft voran. Statt einen Beitrag zur Information und Meinungsbildung zu leisten, kommt man zum Eindruck, dass Sie einerseits indoktrinieren und erziehen, andererseits den Mitbewerb diskreditieren möchten. Dass Sie einen Artikel über die Helnwein-Kunst mit zwei Absätzen zur Herabwürdigung freier Medien einleiten (ich wiederhole nochmals: ohne Kennzeichnung als „Meinung“) spricht Bände über das Verständnis von Demokratie und freier Meinungsäußerung in Ihrem Haus.

Hinsichtlich der „Helnwein-Kunst“ muss aber auch Ihre Praxis der Weglassungen kritisch diskutiert werden. Offenkundig haben Ihre Redakteure sich mit meinen umfassenden, mit Quellen belegten Veröffentlichungen zum Hintergrund der Helnwein-Kunst befasst. Ebenso dürfte man in Ihrem Haus die langjährigen Recherchen von Peter Reichelt kennen, die sogar im Standard (!) vor wenigen Monaten zu einem ausführlichen, kritischen Artikel führten (Helnwein, der gefeierte Künstler, und sein lautes Schweigen zu Scientology, 21. Oktober, DerStandard).

Ihr Schweigen und Ihre Weglassungen sind beschämend

Sie schweigen zu den mutmaßlichen Scientology-Verbindungen. Sie schweigen zum Kontext der nackten, minderjährigen, wie Erwachsene küssenden Mädchen – der in einem Ritual der Blutschüttkunst zu sehen sind, eine Sekunde nach dem Kuss floss schwarzes Blut aus dem Mund dieser Kinder. Sie schweigen zur Optik und Symbolik des SS-Bademantels, der als einziges Kleidungsstück ein nacktes Kind bedeckt und sie schweigen zur merkwürdigen Flüssigkeit an der Hand dieses Mädchens – obwohl Sie sich sonst so als Kämpfer gegen NS-Ideologie hervortun möchten. Sie schweigen zum befremdenden Lächeln des blutbefleckten Kindes, das die Augen verdreht, als stünde es unter Drogen. Es sind oft die Weglassungen, die mehr über die Intentionen eines Autors verraten als die Worte, die er letztendlich benutzt.

Hassen Sie die Stadt Gmunden und ihre Bürger?

Insgesamt muss man die Frage stellen, ob Ihre Redaktion oder einzelne Mitglieder davon vom blinden Hass gegen die Stadt Gmunden und ihre Einwohner getrieben sind. Stöbert man ein wenig in Ihren Archiven, findet man einen pauschal verurteilenden Text, der einen mit Grauen erfüllt: „Die Stadt der Blutordensträger“ von Edmund Brandner, 16. Dezember 2020. Es mag durchaus sein, dass es in Gmunden wie in anderen Ortschaften glühende Befürworter der Nationalsozialisten gab.

Die Pauschalbeschimpfung der heutigen Bevölkerung, die sich aus diesem Titel ableitet bzw. die durchaus von einem flüchtigen Leser so empfunden werden kann, ist schockierend. Ich erinnere mich an eine Zeit, wo die OÖN bodenständigen, konservativen Journalismus für Land und Leute veröffentlicht haben – ich war Abonnent der Printausgabe und habe das Blatt geschätzt – bis sie auf absurde Weise irgendwohin in Richtung links außen abgedriftet und abgebogen sind.

Ich möchte Ihnen bei aller gebotenen Höflichkeit nahelegen, den Artikel von Herrn Brandner sehr genau zu studieren und die darin beschriebenen Mechanismen der Zwischenkriegszeit und nach dem Anschluss an das Deutsche Reich nicht nur historisch zu kennen, sondern auch zu verstehen. Es geht um Ausgrenzung, Diskriminierung, Entrechtung und Vertreibung. Es geht um Hass und Verfolgung von Andersdenkenden. Es geht darum, Menschen und Unternehmen dieser Anderen zu kennzeichnen und ihnen die Möglichkeit zu nehmen, Geschäfte zu machen, letztendlich die Möglichkeit sich zu äußern oder überhaupt zu leben.

Sehen Sie Journalismus als Dienst am Staat?

Meinungs- und Pressefreiheit sind keine Rechte, für die man vor dem Staat auf die Knie fallen muss – sondern ein Imperativ einer freien, demokratischen Gesellschaft. Diese Grundrechte gelten nicht für eine Seite oder gar für die eigene Person, sondern für alle Menschen. Das zu verstehen ist in unserer Zeit offenkundig ein großes Problem für viele Mitbürger – besonders für jene, die sich üppig von abgepresstem Steuergeld ernähren und gar nicht genug Förderungen und Inserate der öffentlichen Hand einstreifen können.

Die Frage ist: Erachtet man Journalismus als Dienst am Staat, der einen dafür reich belohnt – oder als Dienst an der Allgemeinheit? Die Antwort auf diese Frage dürfte auch hilfreich sein, wenn man über seine Inhalte nachdenkt: Recherchiert man ergebnisoffen und überlässt die Schlüsse den Lesern? Oder schreibt man in einem engen Gedankenkorridor, was andere von einem erwarten und versucht seine Leser zu bevormunden und zu erziehen, gibt ihnen „die eine richtige Meinung“ vor? Welche der beiden Ansätze sind Ihrer Ansicht nach mit Demokratie und Meinungsfreiheit zu vereinbaren?

Ich rufe Sie dazu auf, zu einem ordentlichen Journalismus – gerne auch im Sinne der Regeln des Privatvereins Presserat – zurückzufinden. Sollte dieser Wunsch zu verwegen sein oder die Umsetzung Ihr Haus finanziell existenziell bedrohen, schlage ich als kleinsten gemeinsamen Nenner vor, zumindest die tendenziöse Privatmeinung Ihrer Redakteure als solche zu kennzeichnen. So viel Zeit muss sein, nicht?

Hochachtungsvoll
Florian Machl
Chefredakteur Report24.news

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