Österreich: Gesundheitsministerium windet sich um Fragenliste des Verfassungsgerichtshofs

Bild: ©VfGH/Maximilian Rosenberger

Im Laufe des Donnerstags wurde das Dokument bekannt, mit dem das Gesundheitsministerium unter dem umstrittenen grünen Minister Mückstein bereits am 21. Februar auf die umfangreiche Fragenliste des Verfassungsgerichtshofs antwortete (Siehe: Verfassungsgericht fragt Minister nach echten Zahlen und Evidenzen der Pandemie). Die Beantwortung umfasst 57 Seiten und wird in den nächsten Tagen sicherlich von vielen Experten begutachtet werden. Einige Überraschungen sind garantiert.

Ein Kommentar von Willi Huber

Zunächst bestätigte das Ministerium die Daten, welche speziell maßnahmenkritischen Menschen ohnehin bekannt waren: Es kam in Österreich bis zum Alter von 55 Jahren kaum zu Todesfällen, speziell nicht unter Kindern. Die Regierungskampagne, dass Kinder besonders gefährdet wären und dringend geimpft werden müssten, entlarvt sich ein weiteres Mal als Lüge. Konkret gab es unter 15 Jahren keine Todesfälle, zwischen 15 und 20 Jahren einen, zwischen 20 und 25 Jahren einen weiteren. Damit ist bestätigt, dass junge Menschen von der angeblich schrecklichen Covid-Pest so gut wie nicht betroffen sind, sie zur Impfung zu zwingen mutet ein weiteres Mal als hochkriminell an. Das Durchschnittsalter der an und mit Coivd-19 Verstorbenen (in der Antwort wird „mit der Todesursache Covid-19 Verstorbenen“ formuliert) liegt für das Jahr 2020 bei 82,8 Jahren.

Differenzierung in Haupt- und Nebendiagnosen „schwierig“

Die wichtige Frage, wer nun an Covid-19 und wer nur „mit“ einer Nebendiagnose verstarb, wird als schwierig beschrieben: „Das Heranziehen von Haupt- und Nebendiagnosen zur Unterscheidung, ob es sich um Patientinnen und Patienten handelt, die ursächlich wegen einer SARS-CoV-2 Infektion oder zufällig mit dieser Infektion hospitalisiert werden, ist zahlreichen Limitationen unterworfen.“ Bei 77,4 Prozent der Covid-Krankenhausaufenthalte auf Normalstationen wäre laut Ministerium Covid-19 als Hauptdiagnose codiert worden, auf Intensivstationen wären es 71,88 Prozent.

Auch bei diesem Punkt wird eingestanden, dass junge Menschen so gut wie nicht betroffen sind:

Eine altersstratifizierte Darstellung der COVID-19 Aufenthalte nach COVID-19-Assoziation zeigt, dass in den Altersgruppe 10-29 Jahre eine merklich geringere COVID-19-Assoziation der stationären Aufenthalte beobachtet wird.

Auch nach zwei Jahren „Pandemie“: Unpräzise Datenerfassung

Trotz zwei Jahren Pandemiegeschehen, welches der Öffentlichkeit als besonders bedrohlich verkauft wird, gab es offenbar bis heute kein Bestreben, eine präzise systematische Erfassung der Datenlage zu betreiben. Dies zeigt sich an diesem Absatz:

Es ist jedenfalls zu beachten, dass es auf Basis der vorliegenden Daten nicht möglich ist, klinische Kausalketten abzubilden. So ist es denkbar, dass bei Vorliegen von chronischen Erkrankungen COVID-19 zur Hospitalisierung führte, jedoch das chronische Krankheitsbild als Hauptdiagnose codiert wurde. Gleichsam ist es denkbar, dass sich im Zuge der Hospitalisierung, etwa aufgrund einer Fraktur, zusätzlich eine COVID-19 Symptomatik einstellte, die zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führte.

Hier fehlt es wohl an Willen oder an politischem Auftrag, eine exakte Datenlage zu erfassen, aufzubereiten und der Regierung beziehungsweise der Seuchenkommission GECKO zur Verfügung zu stellen. Vielleicht sind präzise Daten auch gar nicht gewünscht. Besonders schockierend ist folgende Passage von Seite 10:

Eine verlässliche Ermittlung der Hospitalisierungen pro Erkrankungsfällen nach Alterskohorten und Geschlecht ist anhand der aktuell zur Verfügung stehenden Daten nicht möglich.

Punkt für Punkt wird belegt, wie junge Menschen kaum betroffen sind

Auch die Antwort auf Frage zwei zeigt, wie wenig junge Menschen betroffen sind:

Der Altersdurchschnitt der COVID-19 Patientinnen und Patienten betrug im Beobachtungszeitraum (Entlassungen von 1.1.2020 bis 31.12.2021) bei Betrachtung von Aufenthalten auf Normal- und Intensivstationen mit COVID-19 als Haupt- und Nebendiagnose insgesamt 66,1 Jahre, das Medianalter lag bei 72 Jahren. Im Bereich der Intensivpflege betrug der Altersdurchschnitt 65,3 Jahre, das Medianalter lag bei 67 Jahren (mit COVID-19 als Haupt- und Nebendiagnose).

Ebenso:

Bei den verstorbenen Patientinnen und Patienten betrug das Durchschnittsalter bei Betrachtung von Sterbefällen auf Normal- und Intensivstationen mit COVID-19 als Haupt- und Nebendiagnose insgesamt 78,9 Jahre und das Medianalter betrug 82 Jahre.

Oder, auf Seite 47:

„Vor der Verfügbarkeit von Impfstoffen (im Jahr 2020 ) lag die Hospitalisierungsrate der 20- bis 29-Jährigen in Bezug auf den damals vorherrschenden Wildtyp bei 65,41 je 100.000 EW (Intensivpflege: 4,81 je 100.000 EW).“

Ebendort zeigt sich auch, dass die Hospitalisierungsraten auch bei älteren Menschen die Maßnahmen wohl kaum rechtfertigen dürften:

„Die Hospitalisierungsrate für ungeimpfte 60- bis 69-Jährige betrug im Jahr 2020 457,11 je 100.000 EW (Intensivpflege: 106,69 je 100.000 EW)“

Hierzu ist auf die Parlamentskorrespondenz vom Juni 2021 zu verweisen, wo der grüne Minister Mückstein darauf beharrte, Kinder und Jugendliche zu impfen. Damals stritt er die Pläne zu einem Impfzwang jedoch noch ab. „Coronavirus: Gesundheitsminister Mückstein hält an Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche fest„.

Sinn und Zweck der Masken

Ab Seite 23 wird versucht, den Sinn und Zweck der Maskenverordnungen zu rechtfertigen. Es handelt sich wohl um das bislang qualifizierteste und bemühteste Dokument von Maskenbefürwortern, das auch durch Nennung zahlreicher Quellen und Studien untermauert wird. Natürlich gibt es diese Studien- und Quellenlage für beide Seiten, es war aber nicht Aufgabe des Ministeriums ihre eigene Verordnungsstrategie anzugreifen. Vielmehr hätte man sich eine solche Argumentation seit zwei Jahren gewünscht, weil man auf der Basis von Zahlen, Daten und Fakten einen ordentlichen und ideologiefreien Diskurs führen könnte.

Behauptet wird ein hoher eigen- und Fremdschutz durch das Tragen von FFP2-Masken, selbst durch locker getragene oder schlecht sitzende Masken. Das Fazit des Ministeriums erstaunt dennoch:

„In einer Durchschnittsbetrachtung ist also zu erwarten, dass der Effekt der Masken im Sinne der Verhinderung von Ansteckungen in der Praxis deutlich unter dem in Studien ermittelten liegt. Das Risiko der damit einhergehenden Unsicherheiten ist dabei stets vor dem Hintergrund der jeweiligen epidemiologischen Lage zu bewerten.

Eine konkrete Antwort auf die Frage „Um welchen Faktor reduziert das Tragen einer FFP2-Maske in geschlossenen Räumen bzw. im Freien das Ansteckungs- bzw. Übertragungsrisiko?“ wird durch die Vielzahl der vorgelegten Studien allerdings nicht gegeben sondern man windet sich darum herum. Vielleicht hätte man dem Ministerium deutlicher erklären müssen, dass man am tatsächlich in Österreich ermittelten Faktor interessiert ist und nicht an Einschätzungen und Mutmaßungen internationaler Wissenschaftler die in anderen Ländern Studien durchführten.

Wirksamkeit der Impfungen: Zwischen 3 und 92 Prozent?

Auch bei der Frage nach der konkreten Wirksamkeit der Impfungen windet man sich um eine konkrete Antwort herum. Auch hier werden Daten aus aller Welt zitiert, aber im Prinzip nichts über die Lage in Österreich ausgesagt. Das Gericht wollte wissen, wie es sich mit der in Medien behaupteten Wirksamkeit von 95% verhält. Ein Teil der Antwort erheitert:

So zeigt die vorhandene Evidenz Wirksamkeiten zur Verhinderung jeglicher Infektionen mit der Delta-Variante zwischen 3 und 92 %, wobei die Diskrepanz hier durch die Unterschiede im Studiendesign bezüglich untersuchten Altersgruppen und seit der Impfung vergangener Zeit zu erklären ist.“

Impfungen sind eh „auch“ irgendwie wirskam

Kurz darauf wird erklärt, dass die Wirksamkeit der Impfungen von Alter, Vorerkrankung, der Anzahl der verabreichten Impfungen, der Virusvariante und der vergangenen Zeit seit der letzten Impfung abhänge. Das ist dahingehend interessant, weil solche Überlegungen und Erklärungen in der Impfkampagne der Bundesregierung nicht vorkommen. Dort wird einfach ohne jede Differenzierung behauptet, die Impfung wäre wirksam. Die Beantwortung der Frage nach der Wirksamkeit erfolgt in einem Satz beispielsweise mit dem Wort „auch“ – ohne Zahlen zu nennen.

Die vorhandene Evidenz weist darauf hin, dass alle EU-weit zugelassenen Impfstoffe gegenüber der Delta-Variante auch einen Schutz vor schweren Erkrankungen, Hospitalisierungen und Todesfällen aufgrund von COVID-19 bieten.“

Außerdem verlässt man sich auf Vermutungen und Schätzungen:

„Die Wirksamkeit der dritten Impfung gegen Hospitalisierung wurde auf 88 % zwei Wochen nach der dritten Impfung geschätzt.“

Für mit der Materie vertraute Menschen ist die Impfstoffeffektivität, die ab Seite 33 beschrieben wird, interessant. So würde die Fall-Mortalität nach der Impfung um 80-99 Prozent sinken. Dazu sollte man wissen, dass das Risiko, nach einer Erkrankung an Covid-19 zu sterben ohnehin nur bei 0,2 Prozent liegt. Im Grunde genommen fehlt bei solchen Betrachtungen meist ein Vergleich mit einer ungeimpften Kontrollgruppe.

Zum Sinn des Lockdowns für Ungeimpfte gibt es wenig Evidenz

Hierzu antwortet das Ministerium:

„Eine Quantifizierung der Reduktion der Infektionswahrscheinlichkeit ist praktisch nicht möglich. Wie in der Antwort zu Frage 5 ausgeführt, ist auch die Zuordnung der einzelnen Cluster zu bestimmten Settings nur mit einer gewissen Näherung möglich.“

Und:

„Eine Quantifizierung der Auswirkungen eines Lockdowns für Ungeimpfte ist praktisch nicht möglich.“

Man geht aber davon aus, dass es schon etwas helfen könnte, da ja jede Kontaktreduktion für Ungeimpfte helfen würde. Hier kommt auch eine Portion Ideologie ins Spiel:

„Es ist daher davon auszugehen, dass jegliche Kontaktreduktion für Ungeimpfte in einer Situation, in der das Gesundheitssystem stark belastet oder bereits überlastet ist, zur Verhinderung des Zusammenbruchs der gesundheitlichen Versorgung beiträgt.“

Bekanntlich gab es weder in Deutschland noch in Österreich je die Gefahr, dass das Gesundheitssystem auch nur irgendwie ins Wanken gerät. Diese Formulierung ist eine politisch/ideologische Ausgeburt eines Angst-Narrativs, das sich in zwei Jahren in der Realität nie bewahrheitet hat.

Übersterblichkeit wird geleugnet

Die in Österreich zu beobachtende Übersterblichkeit, die laut verschiedener Gesundheitsexperten unicht dem Pandemiegeschehen zuzuordnen ist, wird vom Ministerium geleugnet. Man scheut sogar nicht einmal davor zurück, als Grund die „geburtenstarken Jahrgänge vor dem Beginn des zweiten Weltkrieges“ heranzuziehen. Die Übersterblichkeit für 2021 würde sich, so weitere Erklärungen, zur Gänze durch Covid-19 Todesfälle erklären und wohl in der Gegend von 6.000 Fällen einpendeln. Hier wird damit argumentiert, dass die Übersterblichkeit von 2020 (damals gab es keine Impfung) ja dieselbe wäre wie 2021. Dass es bei 70 Prozent Geimpften dann nach dieser Argumentation keine Reduktion der auf Covid-19 geschobenen Übersterblichkeit gäbe und somit eine Wirkungslosigkeit der Impfung bewiesen wäre, ist den Verfassern des Textes nicht aufgefallen.

Das Dokument mit der Anfragebeantwortung befindet sich hier, es ist uns nicht bekannt wer es dort abgelegt hat. Akteneinsicht hatten nur die am Verfahren Beteiligten: https://www.docdroid.net/ZlRoFcp/vfgh-pdf

Über die Bedeutung des Dokuments unterhielten wir uns auch mit dem freiheitlichen Politiker und Rechtsanwalt MMag. Dr. Schilchegger: Interview: Rechtsanwalt Schilchegger über die Impfpflicht und den Verfassungsgerichtshof

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