Gesetz gegen „digitale Gewalt“: Der letzte Sargnagel für die Meinungsfreiheit in Deutschland?

Bild: freepik / Burdun

Das Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) hat Eckpunkte zu einem geplanten Gesetz gegen sogenannte digitale Gewalt vorgestellt. Danach könnten zukünftig sogar negative Bewertungen über Unternehmen wie Restaurants strafbar sein. Die Anonymität der Kritiker soll dann kurzerhand aufgehoben werden. Juristen sind entsetzt und bangen um die Meinungsfreiheit.

Die Ampelregierung hat im Koalitionsvertrag ein „Gesetz gegen digitale Gewalt“ vereinbart. Für Betroffene von Hassrede im Netz „soll es dadurch einfacher werden, ihre Rechte durchzusetzen und weiteren Rechtsverletzungen vorzubeugen“, so die Behauptung. Während die bisherigen Regeln wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nur für öffentliche Inhalte in sozialen Netzwerken gelten, soll das neue Gesetz auch private Nachrichten zwischen Nutzern betreffen. Das heißt, dass die Regelungen zukünftig auch bei Anbietern von Messenger-Diensten wie WhatsApp, Telegram, Signal oder Threema greifen.

Offenlegung der Identität

Das neue Gesetz sieht einen Anspruch auf eine gerichtlich angeordnete Accountsperre vor. „Personen, deren Rechte wiederholt in schwerwiegender Weise durch Äußerungen über denselben Account verletzt werden“ können zukünftig verlangen, dass ein Gericht gegenüber dem Diensteanbieter die zeitlich begrenzte Sperrung des Accounts anordnet, von dem die Persönlichkeitsverletzungen ausgehen.

Die private Rechtsdurchsetzung setzt für Betroffene die Kenntnis der Identität der Person, die ihre Rechte verletzt hat, voraus. Zu diesem Zweck sollen Auskunftsansprüche merklich ausgeweitet werden. Zukünftig sollen Anbieter von Webseiten dazu verpflichtet werden, auch IP-Adressen herauszugeben, bislang beschränkt sich diese Regelung auf Namen und Email-Adressen, was als unzureichend eingestuft wird, da den Anbietern diesbezüglich häufig keine Daten oder falsche Daten vorliegen. Außerdem können die Anbieter nach Einleitung des Auskunftsverfahrens vom Gericht verpflichtet werden, Daten wie die IP-Adresse sowie die mutmaßlich rechtsverletzende Äußerung bis zum Abschluss des Verfahrens zu sichern. Die Gerichte müssen gründlich prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung vorliegen, „denn die grundsätzliche Freiheit zur anonymen Meinungsäußerung muss gewahrt bleiben“, erklärt das Justizministerium in einem Erläuterungspapier.

Wenn man wegen einer Restaurantkritik an den Pranger gestellt wird

Wie das in der Praxis aussehen wird, wird sich zeigen. Denn: Laut dem Entwurf soll das Auskunftsverfahren „in allen Fällen einer rechtswidrigen Verletzung absoluter Rechte“ eröffnet werden können. Hierzu wird als Beispiel die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des sogenannten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – „z. B. Restaurantkritik: Schädigung durch wahrheitswidrige Nutzerkommentare“ genannt. Wie auch immer man eine subjektiv negative Meinung zu einem Restaurant als „wahrheitswidrig“ werten kann.

Diese Erweiterung der Auskunftsrechte sorgt für Kritik. So erklärte Erik Tuchtfeld, der Vorsitzende des digitalpolitischen Vereins D64, gegenüber der „Welt„: “Die enorme Ausweitung des Anwendungsbereichs der Auskunftsrechte halte ich für ein großes Problem. Die Ausweitung auf Verletzungen aller absoluten Rechte ist viel zu weitgehend”. Die Schwelle eines lediglich übertretenen zivilen Rechtsverhältnisses reiche “nicht aus, den Schutz der Anonymität zu verwehren, der für viele sehr wichtig ist, um ihre Meinungsfreiheit ausüben zu können”.

Verlust der Anonymität bedroht Meinungsfreiheit

Und weiter: “Eine wahrheitswidrige Restaurantkritik hat nichts mit digitaler Gewalt zu tun. Unter dem Deckmantel des sehr löblichen Ziels, mehr für die Betroffenen von strafbarer Hassrede zu tun, werden ganz andere Interessen verfolgt. Hier ist die Meinungsfreiheit betroffen.”

Zudem sieht Tuchtfeld eine Gefahr für Whistleblower, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen und Behörden im Schutze der Anonymität geben. “Hier ist die Behauptung ungerechtfertigter Angriffe für Unternehmen besonders attraktiv. Das Unternehmen kann dann versuchen, mit staatlichen Zwangsmitteln die Anonymität der Person offenzulegen.”

Auch Ulf Buermeyer, der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Richter am Landgericht Berlin, äußerte sich kritisch: “Das Justizministerium sollte die Accountsperren als klar umrissenes Reformprojekt jetzt zügig umsetzen und dieses einfache Vorhaben nicht mit den heiklen Auskunftsansprüchen zusammenwerfen. Denn die Auskunftsansprüche gehen sehr weit und bergen zu viele Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten.“

Bis zum 26. Mai haben interessierte Kreise Gelegenheit zu dem schon jetzt massiv umstrittenen Eckpunktepapier Stellung zu nehmen. In der zweiten Jahreshälfte wird unter Berücksichtigung der Rückmeldungen dann ein Referentenentwurf vorgestellt.

Die Meinungsfreiheit soll in Deutschland offensichtlich sukzessive abgeschafft werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der drohende Verlust der Anonymität und die Angst vor potenziellen Strafen die Menschen davon abhalten sollen, noch öffentlich Kritik zu äußern. Unter diesen Gegebenheiten muss man feststellen: Das Justizministerium legt es offenbar darauf an, die Demokratie in Deutschland zu Grabe zu tragen.

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