Abkehr vom Westen: Einige Hintergründe zu den Unruhen im Niger

Bild: www.slon.pics

Weder vom Staat Niger noch von der gesamten Region war bis vor kurzem dem Durchschnittseuropäer irgendetwas geläufig, geschweige denn bekannt. Dabei ist diese oft unruhige Gegend von immer größer werdender Bedeutung für Europa und die Welt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Gazette-Oetserreich.at

Die Geschichte Nigers ist bewegt. 1960 wurde die ehemalige französische Kolonie unabhängig. Das Land, dessen Grenzen von den früheren Kolonialherren willkürlich gezogen wurden, ist Heimat von mindestens neun verschiedenen Völkern mit verschiedenen Sprachen und Kulturen. Abgesehen von der französischen Amtssprache, der gemeinsamen Religion, dem Islam, und einer bitteren Armut eint diese Volksgruppen nur wenig. 

Volksgruppen in Niger: wikimedia / Funke / cc by-sa 3.0

Je nach Schätzung werden 95% bis 99% der rund 26 Millionen Bürger des Niger dem Islam zugeordnet. Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Durchschnittlich sieben Kinder werden von einer Mutter geboren und der Alphabetisierungsgrad liegt bei ca. 30%. Das Bevölkerungswachstum liegt bei fast 4% pro Jahr.

Diese kurze Aufzählung zeigt auch das massive Versagen vieler unter dem Vorwand der Entwicklungshilfe tätiger Organisationen: Man bemüht sich zwar redlich die Kinder- und Säuglingssterblichkeit einzudämmen, sorgt aber nicht für die wahrscheinlich erheblich wichtigere Alphabetisierung des Landes.

Schwer zu glauben, daß es sich beim Staat Niger um eine der reichsten Nationen des Kontinents handelt. Nicht reich an Einkommen, sondern reich an Bodenschätzen. Nigeria ist einer der weltweit wichtigsten Exporteure von Uran. Außerdem verfügt es über große, vor kurzem entdeckte Erdölvorkommen und ist für seine üppigen Goldvorkommen bekannt.

Das Erdöl, das aus EU-Sicht als vorsintflutlicher Energieträger verdammt wird, birgt den nigrischen Reichtum von morgen: Die längste Pipeline Afrikas wird das Erdöl von den Bohrfeldern zu einer Raffinerie und in Folge an Häfen im Benin bringen.

Erdölförderung und -verarbeitung in Niger. Bild: wikimedia / NigerTZai / cc by-sa 4.0

Die allgemeine Stimmung im Niger ist den ehemaligen Kolonialmächten gegenüber abweisend. Nicht zuletzt deswegen, weil Frankreich sich die Schürfrechte beim Entlassen des Landes in die Unabhängigkeit behalten hat. Frankreich unterhält noch heute mehrere Militärstützpunkte, was ebenfalls als Zumutung empfunden wird. Neben Frankreich haben noch andere Staaten Militärstützpunkte auf nigrischem Boden eingerichtet: Neben den USA auch Deutschland. Die USA haben ihren größten Flugplatz für Kampfdrohnen eingerichtet, weshalb sie sehr massives Interesse an der Entwicklung des Landes haben. Von Stützpunkten auf nigrischem Staatsgebiet aus wurden und werden Einsätze in Mali geflogen oder organisiert. Der Fortbestand dieser Stützpunkte steht nun in Frage. Die neuen Machthaber des Staates haben sämtliche Kooperationsverträge in technischen und militärischen Belangen mit Frankreich aufgekündigt.

Ein Teil der Militärs, die am 26. Juli den Präsidenten Mohamed Bazoum entmachteten, wurde interessanterweise in den USA ausgebildet. Bei den Umstürzen, die in den vergangenen drei Jahren in den Nachbarländern Nigers stattfanden, waren ebenfalls Militärs mit fundierter US-Ausbildung beteiligt. Bereits jetzt werden Stimmen laut, die (teilweise im Scherz) meinen, daß es der Befriedung der Region dienlich sei, wenn die USA endlich aufhörten, die Offiziere afrikanischer Armeen auszubilden.
Aufgrund des niedrigen Alphabetisierungsgrades ist politisches Kampagnisieren, wie man es in westlich orientierten Ländern kennt, kaum möglich, und so bleibt die seit der Kolonialzeit bestehende Ablehnung gepaart mit einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Westen.

Ein Grund für das Misstrauen gegenüber dem Westen und vor allem gegenüber den USA ist der von westlichen Nationen angekündigte „Kampf gegen den Islamismus“. Zwar ist der Niger beinahe ausschließlich muslimisch, doch nicht islamistisch. Vor allem die Dschihadisten-Miliz „Boko Haram“ ist ein Problem der gesamten Region. Man traut den USA und Frankreich allerdings nicht zu, dem Problem mit Islamisten Herr zu werden. So wurde schon vor einiger Zeit die diesbezügliche Zusammenarbeit mit den USA aufgekündigt und man wandte sich Russland, und im Speziellen der „Gruppe Wagner“ zu. Der Einsatz der russischen Söldnertruppe zeigte innerhalb kürzester Zeit Erfolg und verstärkte damit die Argumente gegen die weitere Intensivierung einer Zusammenarbeit mit dem Westen.

Die als befremdlich und aufdringlich empfundenen Auftritte westlicher Politiker, allen voran der deutschen Außenministerin Baerbock, in diversen afrikanischen Ländern blieben auch im Niger nicht unbemerkt. 

Die Summe dieser Einzelaspekte führt nun zu einer politischen Abkehr vom Westen, ohne dabei feindselig zu werden. Man hat speziell mit Unternehmen aus Russland und China bereits bessere Erfahrungen gemacht und muß nicht mit belehrenden Auftritten von Politikern rechnen.
Bemerkenswert ist auf jeden Fall, daß die neue vom Militär getragene Regierung bereits Unterstützung und Anerkennung diverser Nachbarstaaten Nigers hat, während der abgesetzte Präsident die Unterstützung der USA und der EU genießt. Die faktische Regierung Nigers will die westlichen Staaten nicht anerkennen, weshalb sie auch auf die oben erwähnten Kündigungen von Kooperationsverträgen nicht weiter zu reagieren beabsichtigt.

Diese Unterstützung durch westliche Staaten und Organisationen macht den gestürzten Präsidenten innenpolitisch unbeliebt und eine allfällige Rückkehr unwahrscheinlich.

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