Der kurze Ausschnitt der Zeit im Bild kann für einen „gelernten Österreicher“ als historisch gelten. Der gebildete und brillante Staatsmann Subrahmanyam Jaishankar, Außenminister von Indien, stand einem gewohnt tendenziösen und ständig ins Wort fallenden Armin Wolf gegenüber. Der Politiker der Atommacht Indien, in der 1,4 Milliarden Menschen leben, erklärte dem anmaßenden ORF-Mann die Welt.
Ein Kommentar von Florian Machl
Denkt man daran, dass dieses Interview eventuell auch in Indien und anderen Ländern zu sehen sein wird, kann man eigentlich nur vor lauter Fremdschämen im Erdboden versinken. Der selbstherrliche Armin Wolf schien am 2. Jänner zu glauben, vor einem kleinen Schulbuben zu stehen, den er mit seinem eindimensionalen Weltbild tendenziös zurechtweisen kann. Wenn man es nur mit irgendwelchen halbgebildeten Hinterbänklern aus der österreichischen Politik zu tun hat, kann man durchaus zu dieser Selbstüberschätzung neigen. Doch der indische Gentleman ließ sich nicht beirren und erklärte Armin Wolf in klaren Worten die Welt. Studiert man seine Mimik, kommt man zu dem Eindruck, einiges an Verachtung für die ideologisch einseitig gefärbten Fragen des Interviewers erkennen zu können.
Nachdem Wolf anspricht, dass Indien den russischen Angriff und die Invasion nie verurteilt hätte, erklärte Jaishankar, dass es in schwierigen Situationen (wie dem Ukraine-Krieg) wichtig wäre, zurück zur Diplomatie zu finden.
Respektlos fällt ihm dieser ins Wort und doziert die im ORF offenbar vorgeschriebene Einheitsmeinung vom russischen Angriffskrieg auf die heilige und unschuldige Ukraine, in der wohl nie jemand korrupt war, einen Putsch verübte oder jahrelang auf die eigene Bevölkerung geschossen hat. Von den Bandera-Umtrieben ganz zu schweigen.
„Ist die Situation wirklich kompliziert“, fragt Wolf, „da ist doch nur ein großes Land, das eine Invasion bei seinem Nachbarn durchführt.“
Jaishankar runzelt die Stirn und bleibt höflich und präzise: „Ich kann ihnen viele Beispiele nennen, wo Länder die Souveränität anderer Länder missachtet haben. Wenn ich fragen würde, wo Europa sich in diesen Fällen positioniert hat, befürchte ich, dass ich nur langes Schweigen als Antwort erhalten würde.“
Ernster erklärt er dem ORF Mann die Welt. Er möge eine Sache verstehen. „Wir treffen Entscheidungen in der Außenpolitik, basierend darauf, was für uns (unser Land, Anm.) von langfristigem Interesse ist – und darauf, was gut für die Welt ist.“
Daraufhin kritisiert Wolf den Premierminister Indiens, Modi, weil dieser beide Seiten zu Frieden und Verhandlungen aufgerufen hat. Er fragt, ob man die Ukraine dazu auffordern kann, sich selbst zu verteidigen. Es wären ja keine ukrainischen Panzer in Russland, sondern nur russische Panzer, Flugzeuge und Raketen in der Ukraine, die dort das Land zerstören würden.
Auch hier bleibt Jaishankar entspannt, als er erklärt, dass er diese Version der Geschichte für eine Fehlinterpretation hält. Das, was Indien mache, ist zu allen zu sagen: Kehrt zurück zum Dialog und zur Diplomatie. Es gab zu Beginn des Konfliktes Dialog und Diplomatie. Es ist nicht wahr, dass das nie passiert wäre. Es liegt nicht an uns, Forderungen zu stellen und zu sagen, dass dieses Land mit dem anderen Land gleichzusetzen sei. Das ist Ihre Einschätzung.
Wolf: „Sollten Sie nicht Russland dazu drängen, den Krieg zu stoppen?„
Jaishankar: Ich denke wir haben das sehr klar gemacht, dass dieser Konflikt (die Fortsetzung davon, Anm.) für niemanden von Interesse ist. Inklusive das (die Frage Wolfs, Anm.).
Wolf: „Aber sie würden es nicht noch ausdrücklicher sagen?“
Jaishankar (wirkt entrüstet über Wolfs Anmaßung): Ich bin ein Diplomat! (Scheint Wolf etwas auszulachen.) Meine Aufgabe ist es, eine Außenpolitik zu betreiben, die unseren nationalen Interessen dient und dem nutzt, von dem ich glaube, dass es langfristig zu Frieden und Dialog führt.
Für Menschen, welche den riesigen, trägen und politisch einseitigen ORF-Apparat mit Zwangsgebühren finanzieren müssen, war die Darbietung Wolfs ein erschreckendes Schauspiel. Dieser Mann scheint seinen Platz in der Welt nicht zu kennen – niemand mit ein wenig Anstand hätte sich je so gegenüber einem Staatsmann einer Supermacht verhalten. Auch andere Ausschnitte des Gesprächs (siehe zweites verlinktes Video, Langfassung) geben Anlass zum Kopfschütteln. Alleine die Einleitung, dass in Österreich mehr Inder um Asyl ansuchen würden als Menschen anderer Länder, ist himmelschreiender Unsinn. Dass beispielsweise Afghanen, aber auch Pakistani sich gerne als „Inder“ ausgeben oder dortige Papiere kaufen, hat sich zum ORF wohl noch nicht durchgesprochen – Jaishankar machte das mit allen Mitteln seriöser Diplomatie sehr deutlich. (Übrigens: Die Anzahl von Straftaten echter indischer Migranten dürfte wohl eher überschaubar sein.)
Sehr interessant sind auch die Ausführungen, wie die europäischen Sanktionen dazu führen, den globalen Ölpreis unter Druck zu setzen und vielen anderen Ländern zu schaden. Als Wolf Indiens enge Kooperation mit Russland kritisierte, erklärte Jaishankar ihm, dass der Westen die Militärdiktatur Pakistan aufgerüstet hat.
Wenn Sie ein Diplomat sind, bedeutet das nicht, dass Sie unaufrichtig sind!
Subrahmanyam Jaishankar
Eine wunderbare Aussage, die man sich beim ORF zu Herzen nehmen sollte.
Wenn man die Dinge so darstellt, wie Sie es tun, ist es wie ein Freibrief für Terrorismus.
Subrahmanyam Jaishankar zu Armin Wolf