Während die westlichen Staaten mit hohen Inflationsraten und einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale kämpfen, scheint die russische Wirtschaft nicht sonderlich unter den Sanktionen zu leiden. Sogar ein Rekord-Leistungsbilanzüberschuss wurde im Jahr 2022 erzielt.
Als im Zuge des russischen Einmarsches in der Ukraine im Februar eine noch nie da gewesene Welle an Sanktionen gegen Russland verhängt wurde, erwarteten die westlichen Analysten einen raschen Kollaps der russischen Wirtschaft. Wie der „Economist“ anmerkt, wurden die Prognosen des russischen Wirtschaftswachstums von +2,5 auf -10 bis -15 Prozent redigiert. Doch dies scheint eine komplette Fehleinschätzung gewesen zu sein. Denn schon nach wenigen Wochen wurde klar: Russlands Wirtschaft ist widerstandsfähiger als erwartet und der Rückgang der Wirtschaftsleistung liegt wohl bei 3-4 Prozent.
Vor allem der anhaltende Export von Erdöl und Erdgas sorgte dafür, dass weiterhin genügend Kapital ins Land strömte und der Staat so auch die Möglichkeit hatte, für einen Ausgleich zu sorgen. Zwar litt vor allem die russische Industrie unter den Sanktionen, da diese auf Importe von Vorprodukten aus dem Ausland angewiesen ist, doch auch da ergeben sich neue Optionen. Länder wie China oder Indien beispielsweise haben sich den westlichen Sanktionen nicht angeschlossen und sehen nun neue Geschäftsmöglichkeiten.
Wie nutzlos die antirussischen Sanktionen eigentlich sind, zeigt auch der Leistungsbilanzüberschuss im Jahr 2022. Dieser lag bei 220 Milliarden Dollar – das Doppelte dessen, was noch im Jahr 2021 erzielt wurde. Geschuldet ist dies vor allem den hohen Preisen für Erdöl und Erdgas, wobei selbst die großzügigen Rabatte für Kunden wie China und Indien keinen Schaden verursachten. Auch mit den neuen westlichen Sanktionen gegen russische Kohlenwasserstoffe, die ab Februar voll wirksam werden, dürfte sich die russische Position insgesamt nicht wirklich verschlechtern. Für (günstiges) Öl, Gas und raffinierte Produkte wie Diesel und Benzin finden sich immer Käufer.
Noch ist nicht klar, wie es im Laufe dieses Jahres weitergeht. Viele Sanktionen werden erst im Laufe der Monate wirklich wirksam und je nach dem, wie die Versorgung Europas mit Erdgas für den nächsten Winter voranschreitet, könnten die Europäer auch wieder von Gazprom versorgt werden. Zudem stellt sich die Frage, wie lange die Menschen in Europa noch die negativen Auswirkungen der Sanktionen mittragen werden. Denn auch der „alte Kontinent“ wird wegen der hohen Energiepreise deindustrialisiert. Da fragt man sich schon, ob all diese Maßnahmen überhaupt je durchdacht sind.