Vor Ort – auf der Spur der afrikanischen „Liebesmafia“

Symbolbild: Für manche Damen eine süße Verlockung. (C) Report24/KI

Ferien, Sonne, Palmen und Meer: Frauen glauben an die große Urlaubsliebe, an echte Gefühle und Leidenschaft. Doch oft wird dieser Traum zum wahren Albtraum. Denn „Gefühlsgangster“ lauern auf ihre ahnungslosen Opfer, denen es nur um zwei Dinge geht: Um das Geld der Touristinnen oder eine Hochzeit mit ihnen, um sich eine Aufenthaltsgenehmigung für Europa zu ergaunern. Ganz nach dem Motto: „Wir erobern dein Herz und räumen dein Konto!“ Schon vor Jahren habe ich mich mit Kollegen nach Ostafrika aufgemacht, um das System der „Liebesmafia“ zu dokumentieren und die Tricks der Beznesser vor versteckter Kamera aufzuzeigen. Dabei sprachen wir mit Opfern und Tätern.

Von Guido Grandt (gugra-media-verlag.de)

Vorbemerkung: Der Begriff „Bezness“ ist zusammengesetzt aus dem deutschen Wort Beziehung und dem englischen Wort Business. Damit gemeint ist das Geschäft mit der vorgespielten Liebe, die Abzocke europäischer Urlauberinnen in orientalisch-exotischen Ländern. Diese hat allerdings nichts mit dem herkömmlichen Sextourismus zu tun. Jährlich fallen zirka 5.000 Frauen auf die Betrüger herein. Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Ein Millionengeschäft. Durch Bezness soll alleine dem deutschen Sozialsystem jährlich ein Schaden von rund 1,5 Milliarden entstehen: durch Geldabflüsse ins Ausland, für gesundheitliche Schäden und Sozialhilfe/Hartz IV für verschuldete Opfer oder der in Deutschland verheirateten Täter und für Sorgerechtsstreitigkeiten. Mitunter kommen Abschiebekosten hinzu.

Die Behörden stehen diesem „interkulturellen Betrug“ durch „Gefühlskriminalität“ zumeist völlig hilflos gegenüber. In verschiedenen Fällen weist Bezness mafiöse Strukturen auf, denn die Täter arbeiten zuweilen organisiert und systematisch. Schaffen sie es, bis nach Europa, können ihre Maschen sogar in der Entführung ihrer dort geborenen Kinder in ihre Heimatländer (der Beznesser) gipfeln (was wir bei Dreharbeiten z.B. in Tunesien hautnahe miterlebten). Der „interkulturelle Betrug“ wird mittlerweile in fast allen Urlaubsländern praktiziert, in denen Armut und Korruption vorherrschen. Die bekanntesten darunter sind die Türkei, Ägypten, Tunesien, Marokko und Kenia …

Kenia, Mombasa, Moi International Airport. Nach einem 10.000-Kilometer-Flug von Frankfurt aus sind wir nicht nur müde, sondern auch äußerst angespannt. Wir, das sind unser „Lockvogel“ Betty (alle Namen in dieser Reportage wurden geändert), mein Kameramann Bernd und ich selbst. Denn unsere „Undercover-Recherchen“ sind nicht ungefährlich. Wie gewöhnlich tarnen wir uns als Touristen, um nicht gleich bei der Einreise aufzufallen.

Ein trügerisches Paradies

Als wir aus dem schlichten, mit alten Klimaanlagen heruntergekühlten Airport-Gebäude heraustreten, empfängt uns tropische Hitze sowie dieses einmalige Licht, das es nur in Afrika zu geben scheint. Es verleiht der Umgebung außergewöhnlich klare und scharfe Konturen. Ein mit allerlei Düften und Gewürzaromen durchsetzter Wind weht uns entgegen. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei nahezu neunzig Prozent, treibt uns den Schweiß aus sämtlichen Poren.

Dieser erste Eindruck ist entscheidend, suggeriert er doch – wie auch den späteren Bezness-Opfern, die hier ankommen – in einer ganz anderen Welt, weit weg von Kontinentaleuropa zu sein. In einer Welt, in der alles möglich ist. In der selbst ältere bis alte, übergewichtige oder gebrechliche Frauen nicht nur die weißen Strände und die Tropensonne genießen können, sondern auch große Gefühle: Leidenschaft und vielleicht sogar „echte“ Liebe. So fällt bei vielen weiblichen Ankömmlingen bereits am Flughafen der gesunde Menschenverstand und die Vorsicht ab wie eine zweite Haut.

Bild 1: Das Wahrzeichen der kenianischen Hafenstadt Mombasa (Foto: Guido Grandt)

Das Eldorado der „Gefühlsgangster“

Von der Hafenstadt Mombasa aus fahren wir eineinhalb Stunden südlich zum Touristenmagnet Diani Beach, nahe der Ortschaft Ukunda im Kwale County. An einem fünfundzwanzig Kilometer langen, weißen Sandstrand am Indischen Ozean reihen sich Hotels, Restaurants, Bars und Diskotheken aneinander. Ein wahres Eldorado für Pauschaltouristen und für „Gefühlsgangster“, wie wir später noch erfahren werden.

Bild 2: Malerische Strände am beliebten Touristenmagnet Diani Beach (Foto: Guido Grandt)

Der weiße Sandstrand vor unserem Hotel wird von sogenannten „Beachboys“ belagert. Sie leben zumeist in der Nähe der Anlagen, sind in Gangs organisiert, verkaufen Safari-Touren, Holzschnitzereien oder Tücher. Deshalb belagern und bedrängen sie Touristen geradezu.

Unter ihnen finden sich auch Beznesser, die es nur auf eines abgesehen haben: auf „weiße“ Frauen aus dem Westen, die hier „Mzungu“ genannt werden.

Bild 3: Ein „Unterschlupf“ der Beachboys am Strand (Foto: Guido Grandt)
Bild 4: Guido Grandt bei seinen Recherchen von Beachboys umringt

„Nakupenda sana – ich liebe dich!“

Einer dieser „Gefühlsgangster“ ist der 25-jährige Ago. Er ist groß, schlank, sympathisch und spricht geradezu perfekt Deutsch. Schwarze-Krieger-Romantik verhilft ihm, wie auch seinen Komplizen dabei, relativ schnell mit den ahnungslosen und gutgläubigen Opfern anzubändeln, um sie später abzuzocken.

Bei Bettys erstem Strandspaziergang heftet sich Ago sogleich wie ein zweiter Schatten an ihre Fersen, geht sprichwörtlich auf Tuchfühlung, während Bernd und ich alles heimlich mitfilmen. Beim Small Talk kommt er sofort zur Sache, murmelt nach einer halben Stunde schon die mutmaßlichen Zauberworte „Nakupenda sana – ich liebe dich!“ Ungefragt gibt er der 50-Jährigen seine Handynummer und verlangt auch ihre. Am Abend verabreden sie sich in einer Beach-Bar.

Wie bei einem Verhör

Beim romantischen Rendezvous unter Palmen und sanftem Meeresrauschen horcht der nette Ago Betty zunächst mal aus: „Woher kommst du aus Deutschland? Was arbeitest du? Wie viel verdienst du? Was für ein Auto fährst du? Hast du Familie? Bist du Single?“

Natürlich hält sich unsere Kollegin an das vorher abgesprochene „Drehbuch“, antwortet so, wie es der Gefühlsgangster hören will, der daraufhin begeistert ausruft: „Oh a free woman and free man, perfect.“ Europäische und vor allem deutsche und österreichische Frauen wären die „Allerbesten“, weil sie so großzügig und tolerant seien.

Ago selbst ist anscheinend nicht verheiratet, glaubt an die „True Love“ sowie an die Traumhochzeit mit einer Europäerin. So lässt er auch nicht mehr locker, weiß er doch, dass er höchstens zwei Wochen bis zum Ende von Bettys Urlaub Zeit hat, ihr Herz, ihr Geld und eventuell ein Flugticket nach Europa zu ergattern. Deshalb kommen die Liebesschwüre schnell und per SMS über die vorher ausgetauschte Mobilnummern.

Bei heißen Rhythmen fallen die Hemmungen

Das nächste Treffen findet in der Diskothek Shakatak statt, der größten Baggergrube an der Diani Beach. Zwei Wochen nach unserem dortigen Aufenthalt werden islamistische Extremisten der Terrororganisation Harakat al-Shabaab al-Mujahideen, die immer wieder von Somalia aus nach Kenia eindringen, die kleine Bar daneben mit Handgranaten in die Luft sprengen. Aber das wissen wir natürlich zu diesem Zeitpunkt nicht.

Bild 5: Disco Shakatak – die größte „Baggergrube“ in unmittelbarer Nähe von Ukunda (Foto: Guido Grandt)

Jedenfalls treffen sich im Shakatak Einheimische, zumeist sehr junge Frauen und Männer mit mittelalten bis ziemlich vergreisten Touristen und Touristinnen zum Tanzen, Flirten und Trinken.

Bei heißen Rhythmen und Körperkontakt macht auch Ago Betty unmissverständlich klar, was er mit ihr vorhat. Er glaubt „seine Mzungu“ gefunden zu haben, die ihn nach Deutschland mitnimmt und die mit ihm dort ein tolles Leben führt. Scheinbare Liebe im Stundentakt sozusagen.

Das Leid der einheimischen Mütter

Von einer blutjungen Prostituierten, die im Shakatak ebenfalls auf „Touristenfang“ geht, erfahren wir nebenbei, dass die meisten kenianischen Männer Kondome verabscheuen und später die einheimischen Mütter mit ihren Kindern sitzen lassen, anstatt sie zu heiraten. Denn das Brautgeld ist teuer, deshalb machen sie sich lieber an die lukrativen Touristinnen ran.

Bild 6: Junge Prostituierte die uns vor versteckter Kamera ihre Leidensgeschichte erzählt (Foto: Guido Grandt)

Statt Geld zu zahlen, können sie so Geld abzocken. So einfach ist das „Geschäft.“ Aus diesem Grund sind die dermaßen im Stich gelassenen jungen Frauen, die täglich ums Überleben kämpfen müssen, gezwungen, sich selbst zu prostituieren.

Abzocke im „großen Stil“

Als wir einen Tag später ohne Betty in die Disco Shakatak gehen, entdecken wir Ago, der unsere Kollegin zuvor angelogen hat, heute zu müde fürs Ausgehen zu sein. Wir sehen, wie er mit gewohnter Masche eine zirka sechzigjährige Österreicherin anbaggert.

Wir treffen aber auch Samir, einen 30-jährigen Muslim. Seine Frau und die beiden kleinen Kinder leben im fernen Nairobi, während er selbst an der Diani Beach Safaris verkauft. Doch das Geld reicht nicht aus, deshalb zockt auch er ältere Europäerinnen ab.

Später finden wir heraus, dass er zudem mit Drogen dealt. Einmal legt er vor uns einen großkalibrigen Revolver auf den Tisch. So schindet man Eindruck hierzulande. Und er macht klar, dass er keine Scheu hat, die „Knarre“ anzuwenden, ganz gleich gegen wen.

„Es gibt Männer, die bekommen 1000 Euro“

Auch das betrugskriminelle Vorgehen von Samir unterscheidet sich nicht von jenem von Ago.

„Die Touristinnen lerne ich in der Disco kennen, am Strand, auf Safari oder auf der Straße“, gesteht er uns vor versteckter Kamera. „Ich habe gleich drei, die ich nacheinander kommen lasse. Die zahlen alles!“

Bild 7: „Beznesser“ Samir packt vor versteckter Kamera aus (Foto: Guido Grandt)

Diese Frauen bezeichnet er gleich darauf als „Milchkühe.“ Darauf angesprochen meint Samir lapidar: „Das ist kein gutes Wort, aber das sage ich zu den Frauen, die ich nicht liebe und von denen ich nur Geld saugen will. Die zahlen auch, wenn sie wieder zuhause sind. Ich erzähle ihnen, ich bin krank oder mein Geschäft läuft nicht gut. Dann überweist jede von ihnen monatlich rund 200 Euro. Davon kann ich hier gut leben und habe mir sogar ein Haus gebaut.“

Samir kennt noch andere, die dieses „Business“ ebenfalls betreiben. „Es gibt Männer, die bekommen 1.000 Euro im Monat. Wirklich, das schwöre ich dir!“ Er strahlt.

Nachdem wir etwas später Samirs Vertrauen gewonnen haben, zeigt er uns als Bestätigung Fotos seiner Opfer und ihre Überweisungen. Gleich darauf sogar sein neu gebautes Haus im Armenviertel von Ukunda. Es kostete für einen für diese Verhältnisse astronomischen Betrag, eine Million Kenia-Schillinge, was zum Zeitpunkt unserer Dreharbeiten etwa 10.000 Euro entspricht.

Bild 8: „Beznesser“ Samir und Guido Grandt auf dem Weg in das Elendsviertel von Ukunda (Foto: Guido Grandt)
Bild 9: Armenviertel von Ukunda (Foto: Guido Grandt)

„Ich nehme Pistole und baff! Fertig!“

Am anderen Morgen hat unsere Kollegin Betty ein Treffen mit Zahir, einem Kellner, der sich in unserem Hotelrestaurant an sie herangemacht hat. Er nimmt sie mit in sein Heimatdorf zu seiner Frau und seiner Tochter. Der Fünfjährigen sagt er, sie soll ihre (neue) „Mutter“ begrüßen, denn er wünscht sich Betty als Zweitfrau und gleich auch noch ein „Schokoladenbaby“ von ihr.

Zahir verlangt natürlich Geld für den Trip in sein Dorf und für eine glorreiche Aussicht auf eine Zukunft mit ihm und seiner Familie. Auf den Einwand, er wäre doch schon verheiratet, winkt er ab. „Das ist kein Problem.“ Und als ihn Betty fragt, ob er denn eifersüchtig sei, antwortet er deutlich: „Wenn ich bin eifersüchtig, ich nehme Pistole und baff! Fertig!“ Damit meint er wohl, den Konkurrenten abzuknallen.

Ein bisschen wie in Die weiße Massai

Im Zuge der Recherchen treffen wir verschiedene „Bezness-Opfer.“ Eines davon ist die 55-jährige verwitwete Sonja, die im Laufe unserer Gespräche eine Art Helfersyndrom und einen Beschützerinstinkt offenbart und die Anmachen der einheimischen Männer sogar noch romantisch findet. Ein bisschen wie in Corinne Hofmanns Besteller Die weiße Massai.

Auch Sonja wird von ihren „Traummännern“ per SMS gestalkt und fällt jedes Mal aufs Neue darauf herein. Viel Geld hat sie schon verloren, nicht aber die Hoffnung, die große Liebe in Afrika doch noch zu finden. Und all das hat nur am Rande etwas mit herkömmlichem „Sex-Tourismus“ zu tun.

Bild 10: „Bezness-Opfer- und Täter“ in Ukunda (Foto: Guido Grandt)

Benutzt, beschmutzt, betrogen und belogen

Ebenso lernen wir Ingrid kennen. Nach einem Kenia-Urlaub heiratet die 52-jährige Schweizerin den 25 Jahre jüngeren Beachboy Kovu, der nach Zürich umsiedelt.

Doch irgendwann findet sie die Quittung einer Geldüberweisung an eine ihr unbekannte Frau. Wie es sich herausstellt, handelt es sich bei dieser um die „Erstfrau“ ihres frischgebackenen Ehemannes, mit der er sogar zwei Kinder hat. Zahir versucht, sich herauszureden. Aber nicht viel später entdeckt Ingrid E-Mails von einer anderen Schweizerin, mit der Kovu ebenfalls in Kontakt steht. Ihr „Traumboy“ fährt also mehrgleisig. Und das schon eine lange Zeit.

Für Ingrid bricht eine Welt zusammen. Letztlich kommt es zur Scheidung.

Ingrid: „Ich musste ihm von meiner Pensionskasse 27.200 Franken bezahlen, obwohl ich seiner Familie 10.000 Franken schenkte und er damit in Kenia sein eigenes Haus baute.“ Bitter resümiert sie: „Ich würde jeder weißen Frau, die nach Afrika reist, raten, sich umzuschauen, weil sie das Geld bringen, weil man sie abzocken kann, die weißen Milchkühe. Heute fühle ich mich benutzt, beschmutzt, betrogen, belogen und ausgenommen. Er ist die Hure und ich fühle mich schmutzig! Ich wünsche das niemandem!“

Gefühle nur als Mittel zum Zweck

An der traumhaften Diani Beach geht also alles ratzfatz: Anbaggern, romantische und intime Stunden, abzocken, vielleicht sogar heiraten und ab nach Europa. Ob Koch, Kellner, Geldwechsler, Beachboy – sie alle sind arm und wollen ins gelobte Paradies. Dabei erfahren wir auch, dass sie sich mitunter bei den Anmachmaschen organisieren und abwechseln, wenn einer von ihnen nicht zum Zuge kommt.

Die Gefühle der Touristinnen spielen für die Beznesser keine Rolle, sind dabei lediglich Mittel zum Zweck. Das haben unsere Vor-Ort-Recherchen im Urlaubsparadies Kenia eindeutig ergeben.

Übrigens: Auch aus der Türkei gibt es Ähnliches zu berichten. Aber das war eine andere Reise und eine andere Geschichte …

Bild 12: Leid und Elend in Ukunda (Foto: Guido Grandt)

Nach Erscheinen dieses Artikels wurden wir auf Europas größte Plattform gegen Ehebetrug und Bezness hingewiesen. Sie finden diese – mit detaillierten Schilderungen wahrer Begebenheiten – unter dieser Adresse: https://www.1001geschichte.de/

Bücher zum Thema:

Bücher von Guido Grandt finden Sie auf: gugramediaverlag.wordpress.com


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