Neutralität statt Krieg: Friedensdemo-Organisator über ein Österreich auf Abwegen

Bild: Demoimpressionen

Am 15. Mai 1955 unterzeichneten nach jahrelangen Verhandlungen und Rückschlägen Leopold Figl und die Alliierten den Staatsvertrag. Am 26. Oktober 1955 beschloss der Nationalrat die „immerwährende Neutralität“ Österreichs als erstes Verfassungsgesetz. Dies scheint – in Anbetracht der österreichischen Politik – zunehmend in Vergessenheit zu geraten, obwohl eine übergroße Mehrheit der Menschen in Österreich diesem Gesetz begeistert zustimmt.

Unter dem Motto „Neutralität schafft Frieden“ findet daher am 6. Jänner 2024 um 14 Uhr am Platz der Menschenrechte in Wien eine Kundgebung und daran anschließend ein Friedensmarsch statt, die vom „Bündnis Neutralität schafft Frieden“ organisiert werden. Report24 sprach mit Bernhard Schlager, einem der Organisatoren der Veranstaltung.

Sie sind Initiator der Demo für Neutralität am 6.1. in Wien, wie kam es zu der Idee?

Eine innere Empörung war der ursprüngliche Impuls, nachdem Österreich bei der UN Resolution gegen einen Waffenstillstand aus humanitären Gründen in Gaza gestimmt hat. Wie kann sich das neutrale Österreich derartig auf Abwege begeben? Beim Steyrer Spaziergang am 12.11. kam mir dann die Idee eine Demo zu organisieren. Andrea Drescher, eine Freundin von mir, war gleich mit dabei. Sie ist ja auch schon lange als Friedensaktivistin auf der Straße und hatte 2022 bereits die Demo „Soldaten für Neutralität“ mitorganisiert. Damit war der Grundstein für die Veranstaltung gelegt, der sich Ortwin Rosner sofort spontan anschloss. Er sagte zu, als Redner zur Verfügung zu stehen, wenn es sich zeitlich ausgehen würde, was ja auch geklappt hat.

Das Bündnis gehört ja nicht zu den Organisatoren, die normalerweise Demos in Wien organisieren. Warum macht Ihr eine eigene Sache und organisiert das selbst, statt Euch einer der Wiener Demos anzuschließen?

Leider haben sich in der Demo-Szene viele Spaltungen ergeben. Der eine geht nicht auf Demonstrationen von „A“, die andere will bei Demonstrationen von „B“ nicht gesehen werden. Unsere Grundidee war, die Veranstaltung möglichst neutral zu halten, um einem ganz breiten Spektrum an Rednern und Menschen die Teilnahme zu ermöglichen. Darum riefen wir das „Bündnis für Neutralität schafft Frieden“ ins Leben, dem sich spontan einige angeschlossen haben. Es kann wirklich jeder teilnehmen, dem es um das Thema Frieden geht – aus unserer Sicht eines der wichtigsten Themen in dieser Zeit.

Sie sagen, ein breites Spektrum an Menschen soll teilnehmen, was heißt das aus Eurer Sicht?

Das heißt für uns, dass wir uns wünschen, dass Menschen quer über alle politischen Ansichten und gesellschaftlichen Positionen dabei sind. Also alle Menschen, für die die Themen Neutralität und Frieden an erster Stelle stehen, können an diesem Tag Gesicht zeigen. Damit soll die Veranstaltung nicht auf ein bestimmtes Eck reduziert werden. Auch geht es nicht um die individuellen Positionen der Teilnehmer zu den verschiedenen aktuellen Konflikten. Wir haben die Redner explizit darum gebeten, die aktuellen Konflikte nicht zu thematisieren, sondern sich wirklich auf die Themen „Frieden“ und insbesondere „Neutralität“ zu konzentrieren.

Und wie war die Resonanz?

Alle Redner waren spontan bereit, mitzumachen und haben die neutrale Position sehr positiv aufgenommen. Auch hat keiner nach Geld gefragt, obwohl teilweise lange Anfahrtswege von den Rednern in Kauf genommen werden. Tom Wellbrock kommt aus Ungarn, Wolfgang Effenberger aus München angereist. Insgesamt fallen daher keine großen Kosten für die Veranstaltung an, sodass wir das gut stemmen können.

Mit Florian Machl, Michael Brunner, Madeleine Petrovic und Peter F. Mayer deckt Ihr ja alle Lager – von „rechts-geframt“ über „bürgerlich“ bis „grün und links“ – und auch sehr unterschiedliche Positionen ab. Gibt es bei den Beteiligten keine Berührungsängste?

Ich denke, dass die Demo zeigt, dass bei einem wichtigen Thema alle zusammenhalten können. Wenn es um die Sache geht, hat alles andere hinten anzustehen. Parteipolitik spielt überhaupt keine Rolle, sondern es geht allen um die Aufgabe Österreichs, durch die Neutralität mit zum Frieden beitragen zu können. Wichtigkeit und Richtigkeit von Neutralität und Frieden wird von allen gleichermaßen gesehen, es betrifft ja alle.

Ihr habt ein Fahnenverbot ausgerufen, warum das?

Es ist eher ein Fahnengebot, dass wir nur Österreichs Nationalfahne und Friedensfahnen zulassen. Es unterstreicht den neutralen Charakter der Veranstaltung.

Wenn es die sogenannten Volksvertreter nicht schaffen, sich dem Neutralitätsgebot unserer Verfassung gemäß neutral zu verhalten, wollen wir das auf der Veranstaltung unbedingt gewährleisten. Die österreichische Fahne steht eben genau für unsere Neutralität und die Friedensfahnen sollen ein Zeichen dafür setzen, wofür diese Neutralität genutzt werden soll.

Unser Anliegen ist es ja, auf den Weg zum Frieden hinzuweisen. Daher sollte das Trennende und Spaltende von vornherein ausgeschlossen werden. Eine Polarisierung in Richtung der einen oder anderen Kriegspartei – in welchem Krieg auch immer – würde nur wieder zu Konflikten führen und den eigentlichen Versammlungszweck ad absurdum führen. 

Außerdem ist es eine proaktive Konfliktprävention, die es ermöglicht, eine Demo zu diesem brisanten und wichtigen Thema trotz der Ankündigung erhöhter Terrorgefahr über die Bühne gehen zu lassen. Es entspricht also nicht nur dem neutralen Versammlungszweck, sondern dient auch der Sicherheit der Teilnehmer.

Sie sprechen davon, dass es Euer Anliegen ist, auf den Weg zum Frieden hinzuweisen. Was wollt Ihr mit der Demo erreichen?

Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen, dass wir nicht damit einverstanden sind, wie die Repräsentanten des Staates Österreich im Namen der Bevölkerung agieren. Wir wollen daran erinnern, dass sich die immerwährende Neutralität Österreichs als friedensstiftendes Element über Jahrzehnte bewährt und in der Vergangenheit auch den Frieden, den Wohlstand und die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung sichergestellt hat.

Wir wollen die Verantwortlichen erinnern, dass nur wenige Staaten über das Privileg der Neutralität verfügen, das wieder gemäß der verfassungsmäßigen Bestimmung als Friedensinstrument genutzt werden sollte.

Was erwarten Sie sich an Handlungen seitens der politisch Verantwortlichen?

Sie sollen sich in Konflikten neutral verhalten und Österreich wieder aus den unheilvollen Pakten und heimlichen Verträgen mit dahinterliegenden Mächten lösen, also konkret beispielsweise die Zusammenarbeit mit der NATO und der European Sky Shield Initiative beenden. Sie sollen sich auf dem internationalen Bankett wieder neutral verhalten, wie es dem Wunsch von 80 % der österreichischen Bevölkerung entspricht. 

Es ist völlig egal, auf welcher Seite Zivilisten sterben, Krieg bringt immer Drama und Elend. Es sind immer Zivilisten, die betroffen sind, und es ist unerträglich, dass Österreich auch nur in irgendeiner Form dabei aktiv involviert ist.

Wir sehen es als die Aufgabe Österreichs, die zerstrittenen Seiten zusammenzuführen, als Mediator zu agieren – wie das in der Vergangenheit oft der Fall war – und nicht mit einer Seite gemeinsame Sache zu machen. Österreich darf sich nicht an einseitigen Sanktionen beteiligen. Neutral bedeutet, weder im Sinne der einen noch der anderen Seite, sondern bedingungslos für Frieden einzutreten – egal wo und mit welchen Beteiligten.

Und was erwartet die Teilnehmer der Kundgebung?

Es ist in meinen Augen ein sehr anspruchsvolles, politisches Programm, das von Andrea Drescher moderiert und zwischendurch mit Friedensliedern aufgelockert wird.

Mag. Ortwin Rosner geht darauf ein, dass Krieg und Frieden in der Sprache beginnen. Wolfgang Effenberger präsentiert die Sicht eines ehemaligen NATO-Offiziers, der gelernt hat, dass Krieg nie eine Lösung war. Florian Machl stellt die Frage, wo die links-grüne Friedensbewegung ist. Madeleine Petrovic will an die bittere Lehre der Mutter Courage erinnern und Tom J. Wellbrock geht auf die Rolle der Medien auf dem Weg zu Kriegen ein. Peter F. Mayer thematisiert die aktuellen Neutralitätsbrüche Österreichs und ich erinnere die Verantwortlichen daran, dass sie nicht in unserem Namen agieren. Den Abschluss bildet der Ansatz von Em. RA. Dr. Michael Brunner, dass es ein Grundrecht nicht töten zu müssen, in unserer Verfassung geben muss.

Der Friedensmarsch startet dann ca. gegen 15.30 Uhr.

Worin unterscheidet sich der Friedensmarsch von den anderen Umzügen am Ring?

Es sollen keine Sprüche skandiert werden, sondern es wird auf dem Führungsfahrzeug Friedensmusik gespielt und Friedenstrommler werden den Zug abschließen. Das Thema „Frieden und Neutralität“ soll bei den Menschen, die dem Marsch begegnen, konsequent wachgerufen werden. Es wird auch keine klassische Ringrunde geben, sondern die Strecke wird über Ring-Abschnitte und Teile der Innenstadt führen. Den Abschluss bildet die Verabschiedung dann wieder am Platz der Menschenrechte.

Dann wünsche ich Ihnen, dass sich möglichst viele dem Bündnis anschließen und am 6. Jänner 2024 am Platz der Menschenrechte ihr Gesicht für den Frieden und die Neutralität Österreichs zeigen.

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