Der ehemalige Brigadier des Österreichischen Bundesheeres Josef Puntigam rät dazu, den strikten Fokus auf den Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland loszulassen: Das große Ganze darf nicht aus den Augen verloren werden. Puntigam ist überzeugt, dass der Fall Taiwan deutlich brisanter ist als der Ukraine-Krieg. Europa täte gut daran, sich selbst zu schützen…
Mit freundlicher Genehmigung von Josef Puntigam
Der Blick über den Tellerrand!
Taiwan steht noch, auch China und natürlich die USA! Der Besuch der US-Demokratin und Vorsitzenden des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi – nach diplomatischem Protokoll die dritthöchste Politikerin nach Präsident und Vizepräsident in den USA – in Taiwan, wird laut China Konsequenzen haben. Diese Ankündigung war zu erwarten. Natürlich wurde blitzartig der Säbel hervorgeholt und damit wird auch kräftig gerasselt. Es gab bereits Manöver von chinesischen Kampfjets, die bewusst den taiwanesischen Luftraum verletzten und auch weitere Militärmanöver wurden von Peking angekündigt, ebenso Wirtschaftssanktionen.
USA-China-Taiwan: ein Kräfteparallelogramm der besonderen Art. Höchst sensibel – vor allem für die USA und damit auch für Europa! Ich persönlich beurteile den „Fall Taiwan“ als den brisantesten überhaupt – dagegen ist die Ukraine ein „Lercherl!“
Die USA als Schutzmacht Taiwans kann nicht anders reagieren, als mit allen Mitteln – nicht nur symbolhaft – an der Seite Taiwans zu bleiben, will es seine Rolle im pazifischen Raum glaubhaft bewahren. Und der Pazifik hat für die USA die erste Priorität. Dann erst kommt Europa.
Europa sollte sich selbst schützen
Europa würde gut daran tun, sich selbst mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu schützen. Aus eigenem Interesse – zwar in enger Anlehnung an die Weltraumtechnologie und an die maritime Logistik der USA – aber alles, was in den konventionellen Bereich fällt, kann nur weitestgehende militärische Autarkie sein. Davon ist Europa meilenweit entfernt. Und Österreich stellt in Europa militärisch gesehen einen Fürsorgefall dar. Positives Beispiel, wie es gehen könnte, ist die Schweiz. Angst vor Russland oder der NATO, welches sich als Angriffsziel Österreich auserkoren könnte, ist absurd. Aber Österreich ist ein wichtiger Teil im gesamteuropäischen Konzert der Sicherheit und des Schutzes.
Natürlich spielt Europa im Theater der Weltpolitik nicht die erste Geige. Da sind andere Mächte in der vorderen Reihe. Die Atommächte USA, Russland, China, Indien, Pakistan, und andere wie Nordkorea und der Iran sind auf dem Weg dorthin. Die Rede der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses – Nancy Pelosi – war angemessen und eigentlich harmlos. Es war vielmehr ein Zeichen der Hoffnung für die Regierung in Taiwan. Alle Reden, die gehalten werden, stoßen auf Zustimmung oder Ablehnung. Das ist abhängig vom jeweiligen Weltbild des Zuhörers. Selbst die eigentlich weltpolitisch völlig unbedeutende Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei den Bregenzer Festspielen hält der Chefredakteur Roger Köppel der Schweizer Zeitung „Weltwoche“ für gefährlich und bedrohlich für unsere europäische demokratische Kultur. Und wenn Herr Adam Baron von Syburg (Kunstname, wie so viele auf Facebook) meint, dass den III. Weltkrieg die Allianz China-Russland-Indien gewinnen wird, so ist dem entgegenzuhalten, dass es keine Gewinner geben wird, da der Einsatz atomarer Mittel uns alle vernichten wird. Das ist leider die Logik einer solchen Auseinandersetzung. Da spielt Europa keine Rolle.
Weg vom Fokus auf den Ukrainekrieg: Das Ganze sehen
Richtig ist, dass es eine solche – angedeutete – Allianz zwischen China, Russland und Indien bereits gibt und dass das strategische Gebiet Afrika ist. Warten wir ab, konzentrieren wir unser Hauptaugenmerk nicht ausschließlich auf den Teil Ukrainekrieg und Sanktionen gegen Russland, sondern versuchen wir das Ganze vor den Teilen zu sehen. Ein Schuss strategisches Denken würde allen gut tun. Den Politikern auf der Regierungsbank – und den vielen politischen „Ezzisgebern“ daheim vor dem Fernseher.
Meinung ist gut – aber man muss auch etwas wirklich wissen. Und dazu benötigt es Bildung, ja Ausbildung, um zusammenhängende Prozesse zu erkennen und auch verstehen zu können. Da helfen sogenannte Meinungen in Wirklichkeit nicht weiter! Deswegen lese und lausche ich gerne den Ausführungen von Dr. Franz Stefan Gady, oder Mag. Christian Wehrschütz, oder Oberst dG Dr. Markus Reissner, oder andere pragmatisch und klar denkenden Generalstäbler des Bundesheeres. Denn ihre Ausführungen sind „geistige Sprungbretter“ auf eine höhere Ebene des Denkens und Verstehens.