Dr. Georg Prchlik: Übertragung von Rechten an die WHO darf nicht ohne Volksabstimmung erfolgen!

Bild: freepik / freedomz

Darf die österreichische Regierung der Weltgesundheitsorganisation durch den sogenannten Pandemievertrag und die neuen International Health Regulations einfach so umfassende Befugnisse erteilen? Nein, so konstatiert Rechtsanwalt Dr. Georg Prchlik auf Basis des Bundes-Verfassungsgesetzes. Denn eine Änderung der österreichischen Rechtsordnung erfordert demnach eine Volksabstimmung, wenn dieser Akt eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt. Doch ob die Bürger zugunsten des scharf kritisierten WHO-Vertragswerks abstimmen würden?

Ein Gastbeitrag von Dr. Georg Prchlik, zuerst erschienen auf TKP.at

Wie als bekannt vorausgesetzt werden darf, existieren seit dem Abklingen der sogenannten Corona-Pandemie intensive Bestrebungen zur Schaffung eines internationalen Vertragswerks, welches – unter den Slogans „COVID-19: Make it the Last Pandemic“ und „Strenthening WHO Preparedness for Health Emergencies“ – eine erhebliche Stärkung der Position der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegenüber ihren Mitgliedstaaten beinhaltet, inklusive weitreichender Eingriffe in das innerstaatliche Recht.

Im vorliegenden Artikel wird die Frage aufgeworfen, ob die Übertragung entsprechender Rechte auf die WHO nach der österreichischen Bundesverfassung einer Volksabstimmung bedarf.

Hier ist vorab festzuhalten, dass eine Änderung der österreichischen Rechtsordnung dann eine Volksabstimmung erfordert, wenn

  • es sich um eine Änderung auf der Verfassungsebene handelt (etwa durch ein Verfassungsgesetz eine neue Behörde geschaffen werden soll) und
  • dieser Akt eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt.

(vgl. Art. 44 Abs 3 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)).

Knackpunkt ist hier der Aspekt der „Gesamtänderung der Bundesverfassung“; der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat bereits 1952 zu diesem Begriff festgestellt (VfSlg 2455):

Das B-VG selbst bringt keine Beschreibung des Begriffes „Gesamtänderung der Bundesverfassung“, es lässt auch jede nähere Erläuterung dieses Begriffes vermissen. Nach der Auslegungsregel des ABGB wird man daher … unter Gesamtänderung der Verfassung eine solche Veränderung verstehen müssen, die einen der leitenden Grundsätze der Bundesverfassung berührt. Als solche Grundsätze kommen das demokratische, das rechtsstaatliche und das bundesstaatliche Prinzip in Betracht. Das demokratische Prinzip ist im Art. 1 B-VG verankert, der besagt, dass Österreich eine demokratische Republik ist, deren Recht vom Volk ausgeht. Dem rechtsstaatlichen Prinzip entspricht es, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und unmittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen, und dass für die Sicherung dieses Postulates wirksame Rechtsschutzeinrichtungen bestehen.“

Dabei ist dem VfGH die Erhaltung

  • einer effektiven Kontrolle der Verwaltung durch unabhängige Gerichte und
  • einer Kontrolle der Gesetzgebung durch den VfGH

ein besonderes Anliegen (vgl. Grabenwarter/Frank, B-VG, Manz, Wien, 2020, RZ 7 zu Art. 44 B-VG).

In der Entscheidung G12/00 aus dem Jahr 2001 hat der VfGH unterstrichen, dass die Überprüfbarkeit der Normsetzung (etwa Gesetzeserlassung) durch den VfGH zum Kernbereich des rechtsstaatlichen Prinzips gehört.

Eingriff in leitende Grundsätze der österreichischen Bundesverfassung?

Damit steht die Frage im Raum, ob die durch das angesprochene Vertragswerk beabsichtigte Übertragung von Kompetenzen auf die WHO die leitenden Grundsätze der österreichischen Bundesverfassung berührt:

Kernstücke des ins Auge gefassten Vertragswerks sind

  • ein „Pandemievertrag“ sowie
  • Eine Änderung der „Internationalen Gesundheitsvorschriften“ („International Health Regulations“, IHR).

Der Pandemievertrag soll Art. 19 der Satzung der WHO unterliegen und somit für einen Mitgliedstaat verbindlich werden, wenn er von diesem entsprechend den Bestimmungen seiner Verfassung angenommen (etwa ratifiziert) wird.

Die Änderung der IHR soll Art. 22 der Satzung der WHO unterliegen und somit für einen Mitgliedstaaten verbindlich werden, wenn der Mitgliedstaat nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht.

Volksabstimmung erforderlich!

Für die hier zu beantwortende Frage sind insbesondere die vorgesehenen neuen Bestimmungen in den Artikeln 13A und 42 IHR relevant (vgl. „Article-by Article Compilation of Proposed Amandments to the International Health Regulations (2005) submitted in accordance with decision WHA75(9) (2022)):

  • Gemäß Art. 13A Z 1 IHR erkennen die Vertragsstaaten für den Fall eines globalen Gesundheitsnotstandes (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) die WHO als Leitungs- und Koordinationsbehörde an und verpflichten sich, die Empfehlungen der WHO zu befolgen. Dabei muss beachtet werden, dass die Ausrufung eines globalen Gesundheitsnotstandes gemäß Art. 12 Z 1 IHR durch den Generaldirektor der WHO erfolgt, ohne irgendeine demokratische Abstimmung zu diesem Thema und ohne irgendeine Möglichkeit einer rechtlichen/gerichtlichen Überprüfung.
  • Gemäß Art. 42 Z 1 IHR müssen die angesprochenen Empfehlungen von den Vertragsstaaten unverzüglich umgesetzt werden, und es müssen die Vertragsstaaten Maßnahmen setzen, um auch nichtstaatliche Akteure zur Befolgung dieser Empfehlungen zu zwingen.

Alle diese Empfehlungen respektive Maßnahmen unterliegen nach dem Konzept des Vertragswerks keiner Nachprüfung durch die Verfassungsgerichte der Vertragsstaaten.

Hier liegt offensichtlich ein Eingriff in die leitenden Grundsätze des österreichischen Bundesverfassungsrechts – namentlich in den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit – vor, sodass für die Implementierung dieser Normen nach Art. 44 Abs 3 B-VG jedenfalls eine Volksabstimmung erforderlich ist.

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