Ukraine, Taiwan, Korea, Iran: Was sind die geopolitischen Risiken im Jahr 2023?

Symbolbild: Krisenherde auf der Welt. Quelle: Freepic @Who is Danny

Schon das Jahr 2022 war turbulent und brachte mit der Eskalation des Ukraine-Konflikts große Verwerfungen mit sich. Wie wird es wohl im kommenden Jahr weitergehen? Wo könnte es zu Eskalationen kommen? Hier ein geopolitischer Überblick.

Auf der Welt gibt es immer einige Krisenherde, die für Probleme sorgen. Aktuell ist es vor allem der Krieg in der Ukraine, der mittles hoher Energie- und Lebensmittelpreise für weltwirtschaftliche Verwerfungen sorgt. Doch auch andernorts kriselt es bereits – und die Eigendynamik darf nicht unterschätzt werden. Nun aber zu den Riskiken der nächsten Monate.

Der Ukraine-Krieg

Es ist davon auszugehen, dass die russische Militäroperation in der Ukraine noch einige Monate andauern wird. Zwar zeigt Präsident Putin Verhandlungsbereitschaft, doch die ukrainische Seite verweigert bislang jegliche Zugeständnisse. So lange weiterhin Unmengen an Kriegsmaterial aus den Vereinigten Staaten und aus den NATO-Ländern geliefert wird, dürfte sich dies auch nicht ändern. Zwar sprechen Selenskyj, Biden, Stoltenberg & Co gerne von einem baldigen Sieg gegen die russischen Truppen, doch je größer die Schäden an der Energie-Infrastruktur werden, desto größer wird das Leid der Zivilbevölkerung. Insbesondere jetzt im Winter.

Sollte diese militärische Auseinandersetzung im kommenden Jahr ein Ende finden, stellt sich die Frage nach den Konditionen. Ungeachtet der Durchhalteparolen der Ukrainer und der Amerikaner ist ein Sieg der russischen Seite wahrscheinlicher. Doch dieser Sieg wird seinen Preis haben – nämlich einen schwindenden Einfluss Russlands in der zentralasiatischen Region. Vielmehr dürften vor allem China und die Vereinigten Staaten versuchen, in der politisch labilen Region stärker Fuß zu fassen und die russischen Lücken zu füllen. Zudem stellt sich die Frage, wie insbesondere die Europäer darauf reagieren, zumal sie auf das russische Erdgas (der Kreml hat bereits auf die intakte Jamal-Pipeline hingewiesen, die wieder in Betrieb genommen werden könnte) angewiesen sind, wenn sie keinen Horror-Winter 2023/2024 erleben wollen.

Das Gute jedenfalls ist, dass eine Eskalation hin zu einem Atomkrieg als sehr unwahrscheinlich gelten kann. Weder Moskau noch Washington haben ein Interesse an solch einer Entwicklung, welche die Auslöschung der Menschheit mit sich bringen würde.

Spannungen um Taiwan

Die Spannungen zwischen den USA und China nehmen wieder zu, aber erwarten Sie nicht, dass sie im Jahr 2023 militärisch eskalieren werden. Auf amerikanischer Seite ist es wahrscheinlicher, dass sich der Trend der letzten paar Monate seit dem Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan fortsetzt, der zum Teil durch antichinesische Stimmungen in Washington angeheizt wurde. In China ist man zwar der Ansicht, dass der Einfluss des Westens (kulturell, geopolitisch und wirtschaftlich) schwindet, aber China hat gesehen, was in der Ukraine passiert ist – dass die Invasion eines Landes sehr kostspielig und schwierig ist und dass der Erfolg nicht garantiert werden kann. Dennoch besteht ein reales Risiko, dass China eher früher als später in Taiwan aggressiv vorgehen wird. Sollte China seine militärischen Fähigkeiten in Taiwan einsetzen, würde dies wahrscheinlich in Form einer umfassenden Blockade der Insel geschehen. Ein solcher Schritt würde allerdings besonders die globale Halbleiterindustrie treffen, die auf Exporte aus Taiwan angewiesen ist.

Handelskrieg

Die Amerikaner und die Europäer nehmen eine zunehmend harte Haltung gegenüber China und dessen Dominanz in einigen wirtschaftlichen Bereichen ein. Dies wird sich wahrscheinlich in der Angst vor einer allgemeinen Entkopplung zwischen China und dem Westen manifestieren, die große Wirtschaftsunternehmen unter Druck setzen wird, wenn sie ihren Standort aus China verlagern. Im Zuge des „Friendshoring“-Trends – also der Verlagerung von Lieferketten in verbündete Länder – könnten noch mehr Fabriken abwandern. Auch könnte es zu strengeren Ausfuhrbeschränkungen kommen, da sich der Trend zur Abspaltung beschleunigt.

In Zeiten ohnehin schon hoher Inflationsraten und wirtschaftlicher Unsicherheiten sind dies kritische Entwicklungen. Insbesondere auch deshalb, weil gerade die Europäer wegen der extrem hohen Energiepreise schon mit einer Deindustriealisierung konfrontiert werden. Ohne industrielle Basis wächst die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ausland und von den internationalen Lieferketten noch weiter an. Dies wird auch außenpolitische Entscheidungen beeinflussen.

Iran und der Westen: Annäherung unwahrscheinlich

Das Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen ist angespannt, aber ist eine Annäherung wahrscheinlich und könnte der Iran auf die Energiemärkte zurückkehren? Im Moment ist die iranische Elite sehr besorgt über die Proteste für die Rechte der iranischen Frauen. Ihre Antwort darauf ist die Behauptung, die Proteste seien eine Art westliches Komplott und keine echte Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Das bedeutet, dass die iranischen Machthaber nur sehr wenig politischen Spielraum haben, um mit dem Westen eine Einigung zu erzielen.

All dies deutet darauf hin, dass ein kurzfristiges Atomabkommen und damit die Wiederaufnahme der iranischen Ölförderung in weite Ferne gerückt ist. Wir können allerdings niemals nie sagen, denn die schleichende Entwicklung Teherans in Richtung Atomwaffenfähigkeit kann nicht ignoriert werden. Doch da die US-geführte NATO gerade ihre Waffenbestände für die Unterstützung der Ukraine leert, dürfte dort der Appetit auf einen heißen Krieg mit dem Iran relativ gedämpft sein. Hinzu kommt, dass die Saudis (neben Israel der regionale Hauptgegner des Irans) ihrerseits versuchen, die politischen und religiösen Spannungen zu reduzieren, weil die von Teheran unterstützten Houthis im Jemen eine Gefahr für die saudi-arabische Ölindustrie darstellen. Ohne eine echte Kriegsbereitschaft der US-Alliierten in der Region wird eine Eskalation relativ unwahrscheinlich bleiben. Die einzige Frage, die bleibt, ist: Wie wird Israel auf eine größere Urananreicherung des iranischen Atomprogramms reagieren?

Nordkorea

In den letzten Monaten hat die nordkoreanische Führung eine Eskalationsstrategie vollzogen. Atomwaffentests, der Abschuss von immer mehr ballistischen Raketen zu Testzwecken und die Entsendung von Drohnen in den südkoreanischen Luftraum haben die Spannungen erhöht. Hinzu kommt eine sehr eng mit den Vereinigten Staaten verbundene konservative Regierung in Südkorea, die ihrerseits eine relativ harte Haltung einnimmt. Hier könnte schon ein kleiner Fehler enorme Auswirkungen haben. Auch wenn ein neuer Korea-Krieg eher unwahrscheinlich ist, sollte man ihn nicht unbedingt ausschließen. Ein falscher Schritt, und eine in Gang gesetzte Eskalationsspirale dreht sich immer schneller. Wichtig hierbei: Wenn auf der weltpolitischen Bühne China stark ist und die USA schwach sind, zeigt Pjöngjang mehr Selbstbewusstsein als im umgekehrten Fall. Diese Dynamik darf nicht unterschätzt werden.

Fazit

Das Jahr 2023 hat in Sachen Eskalationsrisiken zwar so einiges zu bieten, doch angesichts der durch den Krieg in der Ukraine und den daraufhin erlassenen Sanktionen entstandenen globalen Probleme dürfte kaum eine Seite wirklich ein Interesse an neuen heißen Konflikten haben. Insbesondere dann, wenn diese ebenfalls für weitere wirtschaftliche und finanzielle Verwerfungen sorgen würden. Ein neuer Golfkrieg wäre in Bezug auf die Öl- und Gaspreise katastrophal, während ein eskalierender Konflikt um Taiwan nicht nur die Tech-Industrie, sondern wegen der Strafmaßnahmen des Westens gegen China faktisch die komplette industrielle Produktion weltweit treffen würde. Da geht es um viel Geld – auch um jenes der Superreichen.

Problematisch bleibt lediglich das unberechenbare Verhalten der nordkoreanischen Führung sowie die Möglichkeit eines israelischen Alleingangs gegen den Iran. Das sind Unwägbarkeiten, die man nicht außen vor lassen sollte.

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