Die offizielle Geschichte ist dieselbe wie bei den gigantischen Bildern am Ringturm in Wien, die ebenso dem Schock-Künstler Helnwein zu verdanken sind: Man wolle auf Gewalt gegen Kinder aufmerksam machen. Das Gegenteil könnte der Fall sein, wenn man küssende Minderjährige und einen blutverschmierten, doch lächelnd entrückten Jungen sieht. Ein Buch dokumentierte Helnweins Verbindungen zu Scientology – er selbst streitet diese ab. Dem ORF war die Bewerbung so wichtig, dass er um 6:30 eine Liveschaltung nach Gmunden machte.
Ein Kommentar von Willi Huber
„Es sind zwei elfengleiche Mädchen“ erklärte die ORF-Korrespondentin Melina Stumpf in bitterer Kälte um 6:30 Uhr früh in „Guten Morgen Österreich“. Den Zwangsgebührenzahler wird es sicherlich freuen, dass der „seriöse Qualitätssender“ das Gebührengeld so weise einsetzt. Tatsächlich sieht man auf einem Gerüst vor dem Rathaus in Gmunden zwei minderjährige Mädchen, die sich auf den Mund küssen. Kein altersgemäßes Bussi, sondern der Kuss von Erwachsenen. Es sei eine „Metapher für Menschlichkeit“, tönt es aus dem Fernseher.
Zuerst kam der perverse Pudertanz in Bad Ischl (Vor kleinen Kindern: Transvestit und Nackte beim „Pudertanz“ in Kulturhauptstadt Bad Ischl). Jetzt rief man Gottfried Helnwein (75), dem seit Jahrzehnten eine innige Nähe zur Scientology Kirche nachgesagt wird, um in einer weiteren Kleinstadt in Oberösterreich für Provokationen und Verstörung der Bewohner zu sorgen. Auf Gerüsten vor dem Rathaus und dem Theater sind überlebensgroße Bilder von Kindern zu sehen: Zwei küssende Mädchen, ein blutverschmierter Junge, der dabei seltsamerweise lächelt und ein liegendes Mädchen in schwarzem Kleid, das an eine SS-Uniform erinnert und mit einer Hand das halbe Gesicht verdeckt. Die andere Hand im Bauchbereich scheint aufgrund einer undefinierbaren Flüssigkeit feucht zu sein.
Die offiziellen Namen der Bilder sind “Memory”, “The Smile” und “The Disasters of War”. Sucht man in Google mit den Suchbegriffen „Helnwein“ und „Disasters of War“ kommt man schon ins Staunen. Was leichtbekleidete, blutige Mädchen mit Krieg zu tun haben – das ist schon eine Kunst.
ORF und Johanna Mitterbauer als Geschäftsführerin der Salzkammergut Festwochen sind sichtlich stolz auf das „gelungene Kunstprojekt“ im „Europäischen Kulturhauptstadtjahr“. Sinn und Zweck dieser Kunst wäre der „Anstoß zu einem Dialog“. Die Interpretation wäre dem Betrachter überlassen. Als Höhepunkt der Kooperation sei im Sommer eine Ausstellung im K-Hof-Museum geplant. Die ORF-Sprecherin freut sich – denn auch der Transvestit „Conchita Wurst“, der schon in Bad Ischl aufgetreten ist, will in diesem Jahr in der Region ein Konzert geben.
Die Frage ist, wie schon bei Helnweins Wien-Installationen, inwiefern man mit solchen Bildern auf Gewalt und Missbrauch hinweist, um selbiges auch zu verhindern. Ist nicht vielmehr zu vermuten, dass einerseits Gewaltopfer weiter traumatisiert werden, weil sie solche Szenen betrachten müssen? Was denkt man sich dabei, ein blutverschmiertes Kind lächeln zu lassen? Welchen Sinn hat es, dass sich zwei Minderjährige küssen wie Erwachsene? Statt einer Warnung vor Pädophilie sehen Kritiker hier eine direkte Anspielung auf Pädophilie – all das wieder einmal unter dem Deckmantel von Kunst. Der ORF und die handelnden Kulturbetriebe möchten offenbar alles tun, um die Zwangsgebührenzahler zu reizen und zu verhöhnen.
Bei der dritten Einblendung von Guten Morgen Österreich um 8:30 war dann der Künstler selbst zugegen. Dieser sagt zu seiner Kunst: „Jeder kann es so interpretieren, wie es für ihn richtig ist.“ Er sieht seine Bilder im Kontext von Gewalt gegen Menschen, die sich nicht wehren können. Allerdings hält er auch ein Plädoyer gegen den Krieg – eine Geisteshaltung, die momentan bei all der NATO-Kriegspropaganda auch seine Berechtigung hat. Bei Helnwein scheint immer unklar zu sein, ob ihm die Tragweite der Kunstwerke, die er auf die Menschheit loslässt, auch immer vollständig bewusst ist. Gut gemeint ist jedenfalls nicht immer gut gemacht – auch nicht, wenn man ein international anerkannter Künstler ist.
Bei manchen Werken wie Ephiphanie III beschleicht einem jedenfalls durchaus ein ungutes Gefühl und man fragt sich, ob das Ziel, „Anklage gegen Grausamkeit, gesellschaftliche Missstände und gegen die Geschichte des Nationalsozialismus und Holocaust“ zu erheben, wirklich erreicht wurde. Aber, wie Helnwein selbst so schön sagt: Der Betrachter interpretiert das Bild.