Auf der Website der Agencia Estatal de Meteorología (AEMET) – dem staatlichen meteorologischen Dienst von Spanien – ist am 10. April ein aufschlussreicher Blog-Artikel erschienen: Sonst gern als Verschwörungstheorie gebrandmarkt, gibt man dort ganz offen zu, dass Wettermanipulation ganz selbstverständlich schon von zahlreichen Ländern weltweit gefördert und durchgeführt werde. Dabei sagt man hierzulande diese hoch umstrittenen Techniken gemeinhin nur China oder Dubai nach – obwohl sie auch in Deutschland zum Einsatz kommen.
Der Artikel mit dem Titel „Einige Überlegungen zur künstlichen Veränderung des Wetters“ fiel dem meteorologischen Dienst bereits heftig auf die Füße: Am gestrigen Montag wurde prompt eine Klarstellung veröffentlicht, dass man selbst an keinerlei Projekten zur künstlichen Wettermodifikation beteiligt sei. Auch bemühte man sich um eine Abgrenzung des geschilderten Cloud Seedings von Kondensstreifen bzw. sogenannten Chemtrails. Das ändert freilich nichts daran, dass der Artikel viele Befürchtungen bestätigte. Denn was genau für Chemikalien in die Atmosphäre eingebracht werden, darüber sind sich auch die Anhänger der Chemtrails-Theorien durchaus uneins: Die AEMET hat nun zumindest bestätigt, dass Praktiken wie das Versprühen von Silberjodid, Natriumchlorid oder Trockeneis durchaus weiter verbreitet sein dürften als bisher bekannt. Denn, so heißt es im Artikel: Sogenannte Wolken-Aktivierungstechniken werden „in Dutzenden von Ländern verwendet“. Über 50 sollen es sein.
Schon zu Beginn führt man in dem Bericht aus:
Jedes Jahr werden zunehmend Forschungsressourcen für die künstliche Wettermodifikation aufgewendet, mit dem Ziel, die Niederschläge an den am stärksten benachteiligten und bedürftigsten Orten oder in durch Brände verwüsteten Wäldern zu erhöhen. Denn viele der sozioökonomischen Aktivitäten in vielen Regionen hängen von den oft unregelmäßigen und spärlichen Niederschlägen ab. Änderungen der Klimazyklen natürlichen oder anthropogenen Ursprungs könnten die Situation in verschiedenen Gebieten verschärfen, den Wasserstress durch Dürre oder die Häufigkeit von zerstörerischen Stürmen erhöhen.
Aber die Ziele der künstlichen Wettermodifikation gehen weiter. Einige Aktionen und Forschungsfelder zielen in die entgegengesetzte Richtung, nämlich auf die Niederschlagsunterdrückung. Dies gilt etwa für Versuche, landwirtschaftlich schädigende Hagelstürme oder heftige Schneefälle über wichtigen Ballungszentren zu verhindern.
Künstliche Wettermodifikation wird auch verwendet, um Frost zu bekämpfen und Nebel zu zerstreuen. In viel größerem Maßstab gab es auch Versuche, tropische Wirbelstürme zu bekämpfen, die in den vergangenen Jahrzehnten aufgegeben wurden. Neuerdings werden auch Projekte zum Thema Climate Engineering aktuell.
Man weist im Artikel durchaus auf die vielen Unklarheiten hinsichtlich der künstlichen Wettermanipulation hin und dass für die Anwendung umfangreiche Recherchen für jedes individuelle Gebiet notwendig seien. Gerade Spanien verfüge über eine große Vielfalt an Klimazonen. Der Fokus des Artikels liegt besonders auf Cloud Seeding, wobei Wolken zum Abregnen gebracht werden, indem sie mit Silberjodid, Natriumchlorid oder auch Trockeneis „geimpft“ werden. Laut AEMET werde mittlerweile zunehmend auch die Verwendung anderer Arten von Partikeln auf Grundlage von Nanotechnologietechniken untersucht. Dass derartige Techniken bereits von „Dutzenden Ländern“ auf der Welt nicht nur untersucht, sondern auch angewandt werden sollen, ist dabei neu.
Warnung vor „großflächigen Verseuchungspotenzialen“
So war in Deutschland Ende 2021 in einem höchst kritischen Interview mit dem Meteorologen Frank Böttcher noch lediglich davon die Rede, dass China und das Emirat Dubai solche Techniken nutzen würden. Der Meteorologe kritisierte das Vorgehen aufgrund „enormer Nebenwirkungen“ scharf und wies darauf hin, dass es überaus strittig sei, ob die Techniken überhaupt funktionieren, denn man habe ja nicht zweimal dieselbe Wolke zur Verfügung, um das zu überprüfen. Böttcher mahnte:
Meine starke Vermutung ist: Wenn wir jetzt auch noch anfangen, das Wetter zu beeinflussen, werden wir mehr Unheil anrichten, als dass wir Gutes tun. Ich glaube, wir überschätzen uns maßlos und sollten aus meiner Sicht die Finger davon lassen, weil es wirklich enorme Risiken birgt. Auch, was an Substanzen in die Atmosphäre gepustet wird und dann wieder runterfällt. Das gibt auf lange Sicht großflächige Verseuchungspotenziale und gleichzeitig natürlich die Risiken von internationalen Konflikten. Wir wissen gar nicht, wenn es tatsächlich funktioniert, was das mit dem Gesamtsystem Wetter macht und welchen Dominoeffekt es hat.
Besagte Verseuchungspotenziale sind gemeinhin das, was Anhängern von sogenannten Verschwörungstheorien die meisten Sorgen bereitet. Die AEMET braucht sich also nicht zu wundern, dass ihr Artikel für Entsetzen sorgt. Auf einer anderen Seite hält der meteorologische Dienst Spaniens sogar fest, dass mehr als 50 Länder „Aktivitäten zur künstlichen Wettermodifikation“ durchführen würden. Sucht man diesbezüglich nach Studien, stößt man schnell auf brandaktuelle Ergebnisse – etwa aus Israel, wo ein Cloud Seeding-Experiment offenkundig scheiterte, oder aus den USA, wo höchstens minimale Erfolge bei einem Projekt zur Steigerung von Regenfällen in Wyoming berechnet wurden. Was dieses fröhliche Herumprobieren für Konsequenzen für die Umwelt (und die darin befindlichen Lebewesen) hat, scheint dabei nicht von Relevanz zu sein. Man beruft sich darauf, dass die Konzentration der verwendeten Stoffe bestimmt niedrig genug sei, dass nichts Schlimmes passieren kann.
Auch in Deutschland
Deutschland gehört übrigens auch zu den Ländern, die diese umstrittenen Techniken einsetzen (oder zumindest eingesetzt haben). Schon 2017 wurde in einem (mittlerweile gelöschten) Artikel des ARD-„Faktenfinders“ berichtet:
„In Deutschland setzen wir diese Methode sehr vereinzelt dort ein, wo Unwetter häufiger vorkommen, um Schäden durch Hagel und schwere Regenfälle zu vermeiden“, sagt Stephan Haufe vom Bundesumweltministerium. Durch das Impfen sollen Wolken abregnen, bevor sich große Hagelkörner entwickeln. Die Bauern, die das in den meisten Fällen selbst bezahlen und in Auftrag geben, wollen dadurch ihre Ernte schützen.
Das Impfen von Wolken mit Silberjodid nutzt(e) man demnach vor allem in Weinanbauregionen in Baden-Württemberg und Bayern.