Die Einzelheiten der Vertragssituation der Europäischen Kommission mit dem Pharmakonzern Pfizer-Biontech sind nach wie vor unklar. Insbesondere die möglichen Begleitabsprachen und Nebenabreden, die im elektronischen Schriftverkehr zwischen politischer Führung und Impfhersteller-Management enthalten waren und mit aller Macht vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen, liegen im Dunkeln: Unter Missachtung der EU-Verordnung Nr. 1049 von 2001, die eindeutig festschreibt, dass allen EU-Bürgern „größtmöglicher Zugang“ zu den Dokumenten der EU-Institutionen gewährt wird, hat die von Ursula von der Leyen geführte EU-Kommission bekanntlich massenhaft E-Mails gelöscht (Report24 berichtete).
Wegen vorgeblicher „Kurzlebigkeit“ würden SMS und Chats erst gar nicht mehr gespeichert werden, hieß es.
Bereits im April hatte die „New York Times“ über einen wochenlangen intensiven Austausch zwischen Pfizer-Chef Albert Bourla und der EU-Kommissionschefin berichtet, an dessen Ende dann der berüchtigte “Mega-Deal” stand, der die Lieferung von Pfizer-Impfstoffen an die EU-Staaten bis 2023 regelt. Diesen Löschorgien könnten auch aufschlussreiche SMS zwischen von der Leyen und Bourla zum Opfer gefallen sein. Dieser hatte von „einem tiefen Vertrauensverhältnis“ geschwärmt, „weil wir in tiefe Diskussionen geraten sind.”
Trotz Rufen nach Transparenz: EU-Kommission mauert
Schon im Sommer forderten EU-Abgeordnete im Namen der Bürger der Union mehr Transparenz im Hinblick auf die Einkäufe von Impfstoffen sowie medizinische Daten zu den Vakzinen selbst, etwa aus deren Zulassungsstudien. Diese Rufe verhallten freilich ungehört. Die Kommission veröffentlichte zwar theoretisch den mit Pfizer abgeschlossenen Kaufvertrag, jedoch waren dort so ziemlich alle wesentlichen Stellen geschwärzt worden – von Transparenz konnte also keine Rede sein.
Dass die vorangehenden Verhandlungen zwischen von der Leyen und Bourla trotz stetiger Kritik ebenso im Dunkeln bleiben sollen, sorgt zu Recht für Misstrauen. Sämtliche Medienanfragen nach Details der Vertragsverhandlungen werden bis heute unter fadenscheinigen Begründungen abgelehnt. So hieß es auf Informationsfreiheitsanfragen wie etwa von Netzpolitik.org: „Es konnten keine Dokumente gefunden werden, die in den Geltungsbereich Ihrer Anfrage fallen.“ Auch das Büro von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verweigert nicht nur auf journalistische Auskunftsbegehren, sondern auch auf amtliche Nachfrage von EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly hin weiterhin jede Auskunft über ihre Verhandlungen mit Bourla. O’Reilly hatte schon in der Vergangenheit Kritik am Umgang der EU-Kommission mit Kurznachrichten geäußert: Nach ihrer Rechtsmeinung könnten nämlich auch SMS und WhatsApp-Nachrichten sehr wohl amtliche Dokumente sein, die archiviert werden müssen. Die EU-Kommission schaltet diesbezüglich jedoch auf stur.
Immerhin kündigte EU-Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová nunmehr an, dass an neuen Regeln für den Zugang zu Dokumenten „gearbeitet“ werde. Angeblich wolle man klare Kriterien schaffen, wann Nachrichten als Dokumente gelten und gespeichert werden müssen. Ob allerdings noch Informationen zum Pfizer-Deal öffentlich werden, steht in den Sternen – dass seitens der EU-Kommission auch nur entfernt Interesse an mehr Transparenz besteht, darf bei diesem Gebaren bezweifelt werden.