In Grönland bahnt sich ein geopolitisches Kräftemessen an. Was manchem nur als überdimensioniertes Eisfeld erscheint, entwickelt sich zum Schauplatz eines strategischen Schachspiels zwischen den Weltmächten. Vor allem Washington und Peking zeigen ein wachsendes Interesse an der größten Insel der Welt.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mit einer Bevölkerung von gerade einmal 56.000 Menschen und einem bescheidenen BIP von 3,4 Milliarden Dollar (Stand 2024) mag Grönland wirtschaftlich ein Zwerg sein. Doch das größte Eiland der Welt sitzt auf einem geopolitischen Pulverfass, das die globale Machtbalance erschüttern könnte. Es ist ein Machtkampf zwischen den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, der Volksrepublik China und auch der Russischen Föderation.
Besonders bemerkenswert ist eine aktuelle Umfrage, die aufhorchen lässt: 57 Prozent der Grönländer können sich eine Zugehörigkeit zu den Vereinigten Staaten vorstellen. Eine Entwicklung, die in Kopenhagen, wo man formal noch die außen- und sicherheitspolitischen Fäden in der Hand hält, für Unruhe sorgt.
3/The melting ice has uncovered game-changing trade routes like the Northern Sea Route (above Russia) and the Northwest Passage (through Canada), Why does this matter? These routes cut weeks off shipping times between Asia, Europe, and North America. pic.twitter.com/RKHFq0sZZs
— GeoInsider (@InsiderGeo) December 30, 2024
Zwei potenzielle Schifffahrtsrouten durch die Arktis – die Nordwestpassage entlang der nordamerikanischen Küste und die transpolare Route durch das Zentrum des Arktischen Ozeans – machen die Region zu einem maritimen Knotenpunkt von wachsender Bedeutung.
Während die USA ihre Position zu stärken versuchen, hat Russland bereits Fakten geschaffen. Die russische Flotte von konventionellen und nuklearen Eisbrechern übertrifft das amerikanische Arsenal bei weitem. Die neuesten russischen Eisbrecher der Projekt-22220-Klasse können kontinuierlich Eis von bis zu 3,2 Metern Dicke durchbrechen – mehr als doppelt so viel wie das leistungsstärkste US-Pendant, die USCGC Healy.
Die sich intensivierende Zusammenarbeit zwischen Russland und China in der Region verschärft die Situation zusätzlich. China, als weltgrößter Schiffbauer, und Russland, das über 53 Prozent der Arktis verfügt, haben ihre Kräfte gebündelt – eine Entwicklung, die in Washington die Alarmglocken schrillen lässt.
The Chinese has long eyed interest in Greenland.
— Ulrik K. Lykke (@ulriklykke) January 18, 2025
In 2018, China offered to fully fund Nuuk's airport expansion as a first step towards a deeper relationship.
China also expressed strong interest in mining Greenland’s vast natural resource deposits. pic.twitter.com/ClPcstwVgQ
Die dänische Regierung steht vor einem Dilemma: Einerseits möchte sie die koloniale Bindung zu Grönland nicht aufgeben, andererseits fehlen die Ressourcen, um die Region effektiv zu sichern und ihre Bodenschätze zu erschließen. Die jährliche Unterstützung von etwa 600 Millionen Dollar reicht kaum aus, um die grundlegende Infrastruktur aufrechtzuerhalten.
Die amerikanische Pituffik Space Base, früher als Thule Air Base bekannt, mit ihren 700 Mitarbeitern ist bereits jetzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch angesichts der sich verschärfenden geopolitischen Lage könnte dies nur der Anfang einer verstärkten US-Präsenz sein.
Die Parallelen zur Geschichte des Panamakanals, wo China erheblichen Einfluss gewonnen hat, sind für amerikanische Strategen ein warnendes Beispiel. Die Arktis-Region, reich an seltenen Erden und anderen Bodenschätzen, darf aus ihrer Sicht nicht in die falschen Hände fallen. Die Frage ist nicht mehr, ob, sondern wie die USA ihre Position in Grönland ausbauen werden. Ob als Protektorat oder in einer anderen Form – die Würfel in diesem arktischen Machtpoker sind noch nicht gefallen.