Die Anwaltskanzlei Dr. Lipinski veröffentlichte am 4. Mai einen umfangreichen Pressetext, der einen wesentlichen Erfolg vor dem Oberlandesgeicht Stuttgart beschreibt und den wir in Folge wiedergeben wollen. Das Oberlandesgericht Stuttgart erklärte die Bußgeldbewehrung der Maskenpflicht gemäß Coronaverordnung vom Mai 2020 für verfassungswidrig. Die drei Bußgeldrichter des OLG-Senats hielten fast sämtliche Corona-Maßnahmen bis 19.11.2020 für verfassungswidrig.
Pressemeldung der Rechtsanwaltskanzlei Lipinski, Heidelberg
Rechtsanwalt Dr. Lipinski hat für seinen Mandanten, den Corona-Maßnahmen- und Impfpflichtkritiker Hans Tolzin, einen großen Erfolg beim Oberlandesgericht Stuttgart errungen. Ausgangspunkt des Verfahrens war ein Bußgeldbescheid, den der Mandant im Juni 2020 erhalten hat, weil er es „gewagt“ hatte, am 16.05.2020 in einer Stuttgarter U-Bahn keine sog. Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte Rechtsanwalt Dr. Lipinski für seinen Mandanten Einspruch ein.
Die daraufhin stattgefundene mündliche Verhandlung beim Amtsgericht Stuttgart zeichnete sich vor allem durch die schlichte Unlust und Arbeitsverweigerung der jungen Amtsrichterin aus, sich umfassend mit den vielen verfassungsrechtlichen Grundsatzfragen wenigstens ansatzweise auseinanderzusetzen, was zur Verurteilung des Mandanten führte. Hiergegen wurde Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben. Bereits mit Beschluss vom 05.04.2023 legte der laut Gesetz grundsätzlich alleinzuständige Einzelrichter das Rechtsbeschwerdeverfahren seinem gesamten Senat vor.
Gestern wurde Rechtsanwalt Dr. Lipinski wiederum ein umfangreicher Vorlagebeschluss des 1. Senats für Bußgeldsachen nach Art. 100 I GG zugestellt. Der Senat schließt sich in diesem Beschluss in ganz wesentlichen Teilen dem umfangreichen Vortrag des Rechtsbeschwerdeführers Tolzin an, welcher bereits von RA Dr. Lipinski vor mehr als 2 Jahren beim Oberlandesgericht eingereicht worden war. Der Senat legt in diesem Beschluss dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 I GG die folgenden Fragen zur verfassungsrechtlichen Klärung und Beantwortung vor:
- Entsprach die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 28 Absatz 1 Satz 1 lnfektionsschutzgesetz in der zur Tatzeit in vorliegender Sache am 16. Mai 2020 geltenden Fassung dem aus Art. 20 Absatz 3 in Verbindung mit Art. 80 Absatz 1 Sätze 1 und 2 Grundgesetz resultierenden Parlamentsvorbehalt, wonach die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden können, Rechtsverordnungen zu erlassen, wobei lnhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden müssen?
- War die Bußgeldbewehrung für eine Verletzung des auf die Generalklausel des § 28 Absatz 1 Satz 1 lnfektionsschutzgesetz (in Verbindung mit § 32 Satz 1 und g 73 Absatz 1a Nummer 24 lnfektionsschutzgesetz) gestützten Gebots zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der zur Tatzeit in vorliegender Sache am 16. Mai 2020 geltenden Fassung mit den Anforderungen des aus Art. 103 Absatz Grundgesetz folgenden besonderen Bestimmtheitsgebots vereinbar?
Der Vorlagebeschluss ist auch deshalb von enormer verfassungsrechtlicher Bedeutung, weil der Senat zumindest für die in den damaligen Corona-Verordnungen geregelten Maskenpflichten (also nicht „nur“ für deren Bußgeldbewehrung) einen Verfassungsverstoß, nämlich gegen Art. 2 II 1 GG i. V. m. Art. 19 I 2 GG, bejaht, bei denen die Möglichkeit, eine „bloße“ sog. Alltagsmaske zu tragen, nicht (mehr) bestand. Im Kern aber bejaht das Oberlandesgericht den bereits vor dem Amtsgericht Stuttgart vorgetragenen Einwand der Verteidigung, dass eine staatliche Maskenpflichtanordnung einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit darstellte, weil das freie, eigenständige Atmen des Bürgers zumindest eingeschränkt wird. Dann aber gilt für einen solchen Eingriff das förmliche Zitiergebot, welchem der Gesetzgeber jedoch erst ab 19.11.2020 durch eine Gesetzesänderung Rechnung getragen hat.
Gerade auch dieser Aspekt ist von herausragender Bedeutung für alle noch laufenden Hauptsacheverfahren, bei denen die Gültigkeit staatlicher Maskenpflichtanordnungen umstritten ist. Solche Hauptsacheverfahren, betreffend den Zeitraum vor 19.11.2020, sind noch bei vielen Verwaltungsgerichtshöfen und Oberverwaltungsgerichten anhängig, aber sicher auch noch bei vielen Bußgeldverfahren wie der hiesige Fall eindrücklich belegt. Gerade diese Argumentation ist bislang in anderen Verfahren, soweit ersichtlich, noch gar nicht gerügt und richterlich gewürdigt worden.
„Es zeigt sich, dass es richtig war, die Gerichte notfalls auch in sehr lang andauernden Rechtsmittelinstanzen dazu zu zwingen, sich (endlich) tatsächlich intensiv mit verfassungsrechtlichen Grundsatzfragen zu befassen. Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingen kann, als Beteiligte des Vorlageverfahrens nun auch das Bundesverfassungsgericht von der Verfassungswidrigkeit namentlich der Maskenpflicht zu überzeugen. Der Beschluss des OLG Stuttgart ist eine juristische Bestätigung nicht nur des hiesigen Rechtsmittelführers Hans Tolzin, sondern letztlich aller Kritiker der sog. „Corona-Maßnahmen. Jeder, der noch Beteiligter eines Verfahrens ist, in dem die Verfassungswidrigkeit von Corona-Maßnahmen vor dem 19.11.2020 streitig ist, sollte auf das hiesige Musterverfahren verweisen und eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den hiesigen Vorlagebeschluss beantragen.“
Rechtsanwalt Dr. Lipinski
Das Aktenzeichen des Beschlusses des OLG Stuttgart lautet 1 Rb 36 Ss 574/21, das Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts ist hingegen derzeit noch nicht bekannt.
Heidelberg, den 04.05.2023
Rechtsanwalt Dr. Uwe Lipinski
Fachanwalt für Verwaltungsrecht