Es ist eine dieser Geschichten, die man sich nicht ausdenken kann: Da steht Michael Kretschmer, Sachsens CDU-Ministerpräsident und selbsternannter Hüter der demokratischen Ordnung, vor den Trümmern seiner Regierungsbildung. Das „Brombeer-Bündnis“ – benannt nach der stacheligen Frucht, die süß schmeckt, aber kratzt – ist gescheitert. Wie geht es weiter?
Wer hätte das gedacht? Eine Koalition aus CDU, SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erwies sich als das, was Skeptiker von Anfang an prophezeiten: ein politischer Rohrkrepierer. Die Gründe sind so vielfältig wie vorhersehbar: hier ein bisschen Friedensformel, da ein Schuss Migrationspolitik und obendrauf die ewige Frage nach dem lieben Geld. Besonders pikant: Während Kretschmer im Wahlkampf noch den harten Hund in Sachen Migration gab, stellte sich ausgerechnet die SPD quer – gegen Vorschläge, die dem BSW nicht hart genug waren. Man reibt sich verwundert die Augen: Ist das noch Politik oder schon Realsatire?
Die Hauptrolle in diesem Drama spielt der Ukraine-Konflikt. Das BSW wollte ein „Bekenntnis zum Frieden“. CDU und SPD reagierten darauf etwa so begeistert wie ein Vegetarier auf eine Einladung zum Schlachtfest. Nun steht Kretschmer vor einem Scherbenhaufen, der sich gewaschen hat. Links will er nicht, rechts darf er nicht, und in der Mitte fehlen die Mehrheiten. Die Grünen wedeln zwar eifrig mit der Hand wie Streber in der ersten Reihe, aber auch mit ihnen reicht es nicht für eine Mehrheit. Die AfD sitzt derweil auf der Tribüne und genießt die Show – mit steigenden Umfragewerten im Rücken.
Ein kurzes Gespräch zwischen Kretschmer und AfD-Chef Urban sorgte bereits für hektische Betriebsamkeit in den Redaktionsstuben. Aber keine Sorge: Die „Brandmauer“ steht. Noch. Wobei man sich fragen muss, wie lange ein Haus ohne Dach dem politischen Sturm standhalten kann. Die sächsische Verfassung tickt wie eine Zeitbombe: Vier Monate hat man Zeit für die Ministerpräsidentenwahl, dann heißt es: neue Runde, neues Glück. Neuwahlen könnten der AfD weitere Stimmen in den Schoß werfen – ein Szenario, das Kretschmer vermutlich nachts den Schlaf raubt.
In der Zwischenzeit biedern sich Grüne und Linke als Tolerierungspartner an – ein Angebot, das für Kretschmer wenig verlockend sein dürfte. Die Wähler, die links eine klare Absage erteilt haben, würden ihm das kaum verzeihen. So steht Sachsen vor einem politischen Patt, das seinesgleichen sucht. Während die einen von Demokratie reden, die anderen von Wandel und die dritten von Stabilität, zerbröselt die politische Mitte. Die AfD lehnt sich entspannt zurück – sie muss nichts tun, außer warten. Die Zeit ist auf ihrer Seite, und das weiß sie.