Indien wird hierzulande gern als Totschlagargument genutzt, um die unsäglichen Leiden, die Covid-19 verursacht, zu propagieren. In indischen Dörfern hält der Horror vor SARS-CoV-2 sich dagegen scheinbar in Grenzen: Dort fürchtet man vielmehr die Komitees, die anrücken, um die Bevölkerung zur Impfung zu nötigen. Im 1.500-Seelen-Dorf Sisauda etwa sahen 200 Dorfbewohner keine andere Möglichkeit, den aufdringlichen und nicht selten massiv erpresserischen Impf“angeboten“ zu entkommen, als gemeinschaftlich in den Saryu Fluss zu springen.
Der Vorfall hat sich laut Medienberichten bereits am 22. Mai ereignet – was insofern interessant ist, dass der Schock über den absoluten Höchststand an Corona-Fällen im Land (am 7. Mai waren es 414.000) dort noch relativ frisch gewesen sein dürfte. Jedoch waren die Zahlen ebenso so schnell angestiegen wie sie im Anschluss daran wieder fielen. Die Risiko-Nutzen-Abwägung der Einwohner des Dorfes fiel wohl schlichtweg sehr unterschiedlich aus als jene der Regierung: Ganz offensichtlich empfand man die Risiken durch die Impfung höher als die durch SARS-CoV-2. Sage und schreibe 14 Bewohner ließen sich an jenem Tag impfen.
Ein Farmer schilderte, woher sein Misstrauen in die Impfung stammt:
Ich habe diese Informationen von mehreren meiner Freunde, die in Großstädten arbeiten. Ich bin überzeugt davon, weil die örtlichen Beamten meine Fragen nicht beantwortet haben. Mein eigener Onkel, der in Delhi arbeitete, starb einen Monat, nachdem er beide Impfungen erhalten hatte. Welche Beweise brauche ich noch?
Obendrein wies er darauf hin, dass er genug Impflinge kenne, die sich trotz Vakzinierung mit Corona infiziert haben.
Massive Erpressung, Zwangsimpfungen?
Betrachtet man die Tatsache, dass die Impfungen auch in Indien im zeitlichen Kontext zu etlichen Todesfällen stehen, ist das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in die Vakzine und die Regierung wohl durchaus nachvollziehbar.
Während man die Flucht in den Fluss in Sisauda in Mainstreammedien als Auswirkung schrecklicher globaler Desinformation betrachtet (und den Dorfbewohnern so letztendlich Dummheit unterstellt), berichten so manches kritisches Medium und etliche Inder in den sozialen Medien von zahllosen Fällen, wo Einwohner von den vermeintlich „unschuldigen“ Impf-Teams massiv erpresst und unter Druck gesetzt wurden, um sich den angeblich rettenden Schuss setzen zu lassen. Teilweise kursieren gar Videos, in denen Bürger von mutmaßlichen Mitgliedern der medizinischen Teams gewaltsam festgehalten werden.
Auch wenn der Kontext der Videos sich nicht eindeutig bestimmen lässt: Die Aufnahmen geben zu denken. In sozialen Netzen wurde derartiges Vorgehen als „#VaxAssault“ bezeichnet: Impfangriff. Leider erscheint das tatsächlich als einzige plausible Erklärung, warum 200 Menschen es für nötig erachteten, in einen Fluss zu springen, um dem Impf-Team zu entgehen. Nach Freiwilligkeit hört sich das wahrlich nicht an.
Es drängt sich erneut die Frage auf: Wenn die Menschen gerade in den indischen Dörfern bei oft mangelhafter medizinischer Versorgung und schlechten Hygienezuständen doch angeblich in Angst vor einem Virus leben – warum nehmen sie die gepriesene Impfung nicht freiwillig?