Der Vorwurf des Wahlbetrugs in Deutschland ist so neu gar nicht. Zuletzt nahm die Diskussion um Unregelmäßigkeiten bei Wahlen nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an Fahrt auf. Zwischen den letzten Umfragen vor der Wahl und den tatsächlichen Ergebnissen lagen Welten, insbesondere auf Twitter kam es in den Tagen nach der Wahl zu regelrechten Schlammschlachten zwischen Linkstwitter und Konservativtwitter. Auch die Medien positionierten sich und taten die Vorwürfe mehrheitlich als vermeintlich rechte Verschwörungstheorie ab. Eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA zeigt nun aber, die Befürchtung eines Wahlbetrugs ist weit verbreitet in der Gesellschaft.
Von Max Bergmann
Der freie Journalist Boris Reitschuster berichtete am Samstag zuerst über die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse. Der repräsentativen Umfrage nach rechnen 18 Prozent der Befragten fest mit Unregelmäßigkeiten bei der anstehenden Bundestagswahl. Auf den ersten Blick klingt das nach wenig, betrachtet man die Ergebnisse genauer stellt man fest, das Vertrauen in demokratische Wahlen in Deutschland hat offenbar einen Tiefstand erreicht. INSA befragte 2079 Personen: „Ich rechne bei der kommenden Bundestagswahl im September mit weitreichender Wahlfälschung“. 56 Prozent der Befragten stimmten der Aussage nicht zu, demnach sind sich rechnerisch 44 Prozent mindestens nicht sicher, gehen von Wahlbetrug aus oder wollten sich dazu nicht äußern – das ist fast jeder Zweite.
Angst vor Wahlbetrug insbesondere in den neuen Bundesländern hoch
Wie eine weitere Grafik zeigt ist die Angst vor Unregelmäßigkeiten bei den anstehenden Wahlen vor allem in den ostdeutschen Bundesländern (inklusive Berlin) groß. 32 Prozent der Befragten, die ihren Wohnsitz in den neuen Bundesländern haben, geben an, dass sie Wahlbetrug für wahrscheinlich halten. Die Landtagswahl im mitteldeutschen Bundesland Thüringen wurde zuletzt abgesagt, dies dürfte das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zumindest nicht gestärkt haben. Dort regiert Bodo Ramelow (Die Linke) in einer Minderheitsregierung, toleriert von der CDU. Gewählt wurde im Jahr 2019 Thomas Kemmerich (FDP), allerdings mit Stimmen der AfD. Die Wahl sei daher „unverzeihlich“ gewesen und müsse aus diesem Grund „rückgängig gemacht werden“, so Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Man versprach der Bevölkerung Neuwahlen, diese wurden aber Anfang des Jahres 2021 im Hinblick auf die Verbreitung des Coronavirus abgesagt. Doch man sah sich dann offenbar in komfortabler Lage, Mehrheiten für die Auflösung des Landtages bröckelten dahin, im Juli wurde beschlossen, der Bevölkerung die Neuwahl nicht zu gestatten.
Einkommen und Lebensstandard entscheidend für Vertrauen in Wahlen
Die INSA-Umfrage schlüsselte die Ergebnisse auch nach Einkommen der Befragten auf. So ist festzustellen, insbesondere Geringverdiener und sozial Benachteiligte befürchten Wahlfälschung deutlich häufiger als die Besserverdiener der Gesellschaft. Mit steigendem Einkommen nimmt die Zustimmung zur Frage der Meinungsforscher stetig ab, erst ab 4000 Euro Einkommen und mehr ist wieder eine leichte Zunahme für die Annahme von Wahlunregelmäßigkeiten festzustellen. 35 Prozent derer, die Wahlbetrug vermuten, haben ein Einkommen von 1000 Euro oder weniger und leben damit unter der Armutsgrenze. Dem Statistischen Bundesamt nach gilt in Deutschland als arm, wer in einem Einpersonenhaushalt weniger als 1074 Euro verdient, das sind 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens nach Zahlen aus dem Jahr 2020. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge teilte gegenüber der Tagesschau mit: „Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung.“
Wähler der AfD äußern sich besonders kritisch
Ein Trend, der mittlerweile regelmäßig zu beobachten ist: In vielen Fällen liegen die Meinungsbilder zwischen der AfD und den Grünen um Welten weit auseinander. Zuletzt wurde das im Rahmen einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach (Link zum PDF) deutlich. Unter den AfD-Anhängern waren 62 Prozent der Ansicht, man könne in Deutschland heutzutage seine Meinung nicht mehr frei äußern, ohne dabei Vorsicht walten zu lassen. Mit Abstand am wenigsten Druck auf das Meinungs- und Debattenklima empfanden Anhänger der Grünen. Auch INSA stellte diese Tendenz in der aktuellen Befragung zu einer möglichen Wahlfälschung fest. 67 Prozent der AfD-Sympathisanten gehen von Unregelmäßigkeiten bei der anstehenden Bundestagswahl aus während nur 6 Prozent der befragten Grünen das tun.
Reine Briefwahl kann angeordnet werden – unter dem Deckmantel der „Corona-Krise“
Bereits im vergangenen Jahr beschäftigte sich die Große Koalition mit der Möglichkeit, eine reine Briefwahl anzuordnen und somit unter der fadenscheinigen Begründung der Infektionsgefahr den persönlichen Gang zur Wahlurne zu erschweren oder zu untersagen. Report24 berichtete vor wenigen Tagen, die italienische Regierung erwäge, nur Italienern mit „Grünem Pass“ Zutritt zu Wahllokalen zu gewähren. Und auch die deutschen Bundesländer schaffen die Voraussetzungen für eine reine Briefwahl, so soll unter anderem das Wahlrecht entsprechend geändert werden. An dieser Stelle der Hinweis an die Fakten- und Meinungschecker, hierbei handelt es in keiner Weise um eine „rechte Verschwörungstheorie“, Landtagswahlen wurden bereits mit dieser Begründung verschoben und später vollständig abgesagt. So titelte die Süddeutsche Zeitung im Januar: „Landtagswahl in Thüringen wegen Corona-Pandemie verschoben“. Die Wahl wurde letztendlich abgesagt und fand nie statt. Jens Spahn, gelernter Bankkaufmann und Gesundheitsminister (CDU), warnte unlängst vor Inzidenzen von 800 und mehr im anstehenden Herbst. Begründungen für eine reine Briefwahl oder gar eine Absage der Bundestagswahl sind also schon zu Genüge vorhanden.
Systematischer Wahlbetrug in Deutschland schon vor Jahrzehnt nachgewiesen
Lesen Sie zum Thema auch unseren Artikel vom 8. Juni: Systematischer Wahlbetrug in Deutschland? Erinnerung an Studie aus 2011. Darin erinnern wir an die Studie „Searching for Electoral Irregularities in an Established Democracy: Applying Benford’s Law Tests to Bundestag Elections in Unified Germany“, bei der mit mathematischen Methoden nachgewiesen wurde, dass die Wahlergebnisse in Deutschland bereits ab 1990 nicht vollständig plausibel sind.
Wisst ihr, Genossen«, sagte Stalin, »was ich über diese Frage denke? Ich meine, dass es völlig unwichtig ist, wer und wie man in der Partei abstimmen wird; überaus wichtig ist nur das eine, nämlich wer und wie man die Stimmen zählt.« –
Ich war Stalins Sekretär, Boris Baschanow, Januar 1977; Gab es eine Alternative? Wadim S. Rogowin und Hannelore Georgi, März 2020