Verlieren die USA die Araber als Verbündete?

Bild: Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons

Die Vereinigten Staaten verlieren sukzessive ihren Einfluss in der arabischen Welt. Dies macht sich gerade jetzt während der Eskalation des Ukraine-Konflikts bemerkbar. Offenbar wollen die Araber sich von Washington abnabeln.

Eigentlich gelten Länder wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate als „traditionelle Alliierte“ der Vereinigten Staaten von Amerika. Ein System der gegenseitigen Abhängigkeiten sorgte lange Zeit dafür, dass beide Seiten beim „Öl für Dollar“-Geschäft profitierten. Ungeachtet dessen, dass es sich bei den arabischen Golfstaaten um absolute Monarchien mit diktatorischem Charakter handelt und sich die Führer dieser Länder „den Teufel ins Land holten“, wie es radikalere Anhänger des Islams bezeichnen.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte jedoch haben die dominante Stellung der Amerikaner in der Region schrittweise untergraben. Angefangen vom Irak-Krieg bis hin zum IS-Desaster und den Problemen in Syrien bis hin zu wirtschaftlichen Verschiebungen zugunsten Chinas und anderen Ländern des „globalen Südens“: Dies alles hat neue Realitäten geschaffen. Auch die Verurteilung des arabischen Engagements im Jemen-Krieg durch die Amerikaner, sowie die Kashoggi-Affäre belasten die Beziehungen mit Washington. Dies führte auch dazu, dass sich weder die Saudis noch die Emiratis den westlichen Sanktionen gegen Russland wegen dessen Einmarschs in die Ukraine anschließen wollten. Verdeutlicht wird dies auch durch folgende vier aktuelle Entwicklungen:

Wachsende Unabhängigkeit von Washington

Zunächst der Besuch des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in den Vereinigten Arabischen Emiraten am vergangenen Freitag. Die herzliche Begrüßung durch die Staats- und Regierungschefs der Vereinigten Arabischen Emirate war ein Schlag ins Gesicht der US-Regierung, die den Besuch strikt ablehnte und Sanktionen verhängte, um die syrische Regierung zu delegitimieren. Offenbar versuchen die Golf-Araber eine eigene Lösung der Krise zu finden und die Feindseligkeiten gegen die Assad-Regierung zu beenden. Dies könnte dazu führen, dass die Unterstützung aus den Golfstaaten für die diversen Dschihadistenmilizen in Syrien ausläuft und die Regierung rasch wieder die Kontrolle über das ganze Staatsgebiet erhält.

Zweitens die wachsende Missachtung der US-Hegemonie durch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die beiden größten Ölproduzenten der OPEC. Vor allem lehnten sie die Aufforderungen von US-Präsident Joe Biden ab, die Ölproduktion zu erhöhen, um die Preise zu drücken und zusätzliche Lieferungen zu ermöglichen, damit die westlichen Sanktionen gegen russische Öl- und Gasimporte greifen können. Sie wissen nämlich ganz genau, dass sie im Ernstfall ebenfalls mit Strafmaßnahmen des Westens konfrontiert werden könnten und müssten dann auch auf die Unterstützung anderer Länder (wie Russland, China, Indien usw.) zählen.

Drittens das Scheitern des Besuchs des britischen Premierministers Boris Johnson – im Namen Washingtons – in Abu Dhabi und Riad, wo er beiden Ländern unverhohlene Drohungen übermittelte, sollten sie sich nicht der westlichen Linie in der Ukraine anschließen, sich den Wirtschaftssanktionen gegen Russland anschließen oder ihre Ölfördervereinbarungen mit dem Land brechen. Doch die Führungen beider Länder ließen sich nicht beirren und bleiben auf ihrem neutralen Weg in diesem Konflikt. Darüber hinaus haben Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Berichten zufolge den Empfang von US-Außenminister Anthony Blinken abgelehnt, der an Johnsons Besuch anknüpfen möchte, um zu versuchen, dort Erfolg zu haben, wo dieser gescheitert ist.

Viertens: Die Einladung Saudi-Arabiens an Chinas Präsident Xi Jinping zu einem offiziellen Besuch und die Offenheit Riads, seine Ölverkäufe an Peking in Yuan zu bepreisen. Dies deutet darauf hin, dass das Königreich und möglicherweise auch andere Golfstaaten bereit sein könnten, sich dem neuen globalen Finanzsystem anzuschließen, das Russland und China als Alternative zum westlichen System entwickeln. Für die Saudis wäre eine Abkopplung vom US-Dollar auch längerfristig interessant, zumal die amerikanische Währung derzeit mit einer inflationären Entwertung konfrontiert ist, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Arabische Lösung für Syrien?

Der Zeitpunkt von Assads Reise – am 11. Jahrestag des Beginns des von den USA geführten Krieges gegen Syrien, der auf den Sturz der syrischen Regierung abzielt, und drei Wochen nach der russischen Invasion in der Ukraine – und die Gleichgültigkeit der VAE gegenüber der wütenden Reaktion der USA sind weitere Anzeichen für den Beginn eines „Scheidungsverfahrens“. Assads Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten war für beide Länder und ihre Führer ein wichtiger Gewinn. Er durchbrach die offizielle Isolation Syriens in der arabischen Welt und läutete die Aufhebung des gegen das Land verhängten US-Embargos ein. Damit wird ein umfassenderer Prozess der arabischen „Normalisierung“ eingeleitet, in dessen Verlauf Damaskus seine Mitgliedschaft in der Arabischen Liga und seine Rolle in der kollektiven arabischen Entscheidungsfindung wiedererlangen und am arabischen Gipfel im November in Algier teilnehmen soll.

Dieser mutige Schritt kommt auch den VAE in vielerlei Hinsicht zugute. Er trägt dazu bei, die äußerst negativen Auswirkungen auf ihr Image auszugleichen, die sich aus der Unterzeichnung des so genannten Abraham-Abkommens und dem enthusiastischen Werben um den israelischen Feind ergeben haben. Der Bau von Brücken des Vertrauens und der Zusammenarbeit mit der Achse des Widerstands über Syrien, dem engsten Verbündeten des Iran, könnte den VAE und Saudi-Arabien auch helfen, einen Ausweg aus ihrem Sumpf im Jemen zu finden. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Riad vorschlägt, einen parteiübergreifenden Dialog im Jemen zu veranstalten und die Houthi-Ansarullah-Bewegung offiziell zur Teilnahme eingeladen hat.

Ein Frieden mit dem Iran?

Sollten die Saudis und die Emiratis es schaffen, sowohl mit Syrien als auch in Bezug auf den Jemen eine für alle Seiten passable Lösung zu finden, nähme dies einiges an Druck aus dem Kessel. Gerade in Bezug auf den Iran. Denn mit einer regionalen Friedenslösung (die auch Israel miteinschließen müsste) wäre der Handlungsspielraum der Vereinigten Staaten massiv eingeschränkt. Für die Saudis wäre dies jedoch eine Gelegenheit, den kostspieligen, aber nicht gewinnbaren Konflikt im Jemen zu beenden und in Sachen Syrien Pluspunkte in der moslemischen Welt zu sammeln.

Man sollte auch nicht vergessen, dass gerade die arabischen Golfstaaten wichtige Abnehmer US-amerikanischer (und anderer westlicher) Kriegswaffen sind. Allerdings mischen diesbezüglich nun auch die Chinesen ein wenig mit und mit einer Befriedung der Region sinkt zudem auch der Bedarf an neuem Kriegsmaterial. Sinkende Rüstungsausgaben erhöhen den Spielraum für andere Projekte – wie zum Beispiel die Diversifizierung der vom Erdöl abhängigen Wirtschaft. Dies dürfte auch den Monarchen am Golf langsam deutlich werden. Genauso wie der Umstand, dass Investoren ihr Geld nicht gerade gerne in Krisengebiete stecken, wo jederzeit Raketen sämtliche Investitionen in Schutt und Asche legen könnten.

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