In der Propagandaschlacht ist völlig unklar, welche Informationen der Wahrheit entsprechen und welche nur Kriegspropaganda von einer der am Konflikt teilnehmenden Seiten ist. Gestern kursierten jedenfalls mehrere Gerüchte, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj entgegen seiner Beteuerungen entweder ins Ausland oder in eine westukrainische Stadt oder gar nach Polen geflohen wäre.
Wir sind etwas im Unklaren darüber, wie die Gesetzeslage zurzeit ist, denn die Zensur des Westens hat mehrere russische Nachrichtenkanäle verboten. Auf Links zu den Quellen in russischen Zeitungen verzichten wir deshalb ausnahmsweise, geben Ihnen aber alle Möglichkeiten zur eigenen Recherche in die Hand. So wäre Selenskyj laut Angaben des Sprechers der russischen Staatsduma nach Lemberg (Lvov) in der Westukraine geflohen. Seine Durchhalte-Appelle, die ihn als Verteidiger Kiews zeigen, wären vorab aufgezeichnet worden. Diese Nachricht ist freilich schon eine Woche alt. Inzwischen machen weitere Gerüchte die Runde. So soll Selenskyj sich aktuell in der US-Botschaft in Polen befinden. Diese Aussage soll von ukrainischen Parlamentariern stammen, die sich mit dem Ex-Komiker in Lemberg treffen wollten. Auch hier ist eine ordentliche, neutrale Überprüfung der Gerüchte kaum möglich. Selenskyj selbst verbreitet anderslautende Informationen und Videos. Wann diese konkret aufgezeichnet wurden, lässt sich nicht beurteilen.
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Option der Kapitulation wird von Kriegstreibern völlig ausgeblendet
Sollte diese Darstellung der Wahrheit entsprechen, wäre sein Handeln außerordentlich schäbig. Denn tausende Ukrainer würden ihr Leben riskieren, wenn nicht gar verlieren, um ihren tapferen Präsidenten in Kiew zu verteidigen und die Russen am Einmarsch zu hindern. Eine Option wird in der öffentlichen Diskussion viel zu wenig beachtet – wohl weil die NATO so sehr auf einen dritten Weltkrieg drängt: Die Ukraine könnte zu jedem Zeitpunkt unter Protest kapitulieren und damit den sinnlosen Tod zahlloser Menschen verhindern. Die internationalen Sanktionen gegen Russland haben eine Dimension erreicht, die das Land kaum durchstehen kann.
Auch das ehemalige Weltzentrum der Diplomatie, Österreich, brüllt nach Krieg
Am Verhandlungstisch, mit den bewährten Mitteln der Diplomatie, wäre wohl mehr zu erreichen. Stattdessen setzt man auf fortgesetzte Eskalation und riskiert sogar einen Atomkrieg. Wer seinem sicheren Toilettensitz aus nach noch mehr Krieg brüllt, vergisst, dass all die sinnlos in diesem Konflikt niedergemetzelten Soldaten Frauen, Kinder, Eltern und Freunde haben – und man auch nicht jedem Soldaten unterstellen darf, sich freiwillig an diesem Krieg zu beteiligen. Krieg ist immer falsch und von dieser Blattlinie wird uns niemand abbringen, selbst wenn man uns mit Inhaftierung droht. Besonders tragisch ist es, dass man im ehemals neutralen Österreich vergessen hat, dass man einst als Zentrum der Diplomatie galt, wo zahlreiche Friedensgespräche und auch Verträge ausgearbeitet und unterzeichnet wurden.