Bundeskanzler Olaf Scholz war am gestrigen Mittwochabend (17.8.) in Neuruppin (Brandenburg), um sich den Fragen der Bürger zu stellen. Wie groß die Angst in der Bevölkerung vor dem kommenden Herbst und Winter ist, wurde besonders durch eine Frage aus dem Publikum deutlich: Ein Bürger fragte, ob es einen Schießbefehl gegen regierungskritische Demonstranten geben werde. Scholz‘ Antwort vermochte in keiner Weise zu beruhigen. Niemand habe die Absicht… Das kennen die Deutschen schon.
Scholz wurde in Neuruppin beim Bürgerdialog von einem Pfeifkonzert und Rufen wie „Hau ab!“ und „Volksverräter“ empfangen: Sowohl die Linke als auch die AfD hatten zuvor zu Gegendemonstrationen aufgerufen, rund 300 Protestler sollen laut Medienberichten anwesend gewesen sein. Die Sorgen der Bevölkerung wurden jedoch auch im Dialog überdeutlich. So hakte ein Anwesender nach: „Wenn die Menschen wieder auf die Straße gehen, werden Sie den Schießbefehl erteilen? Wird die Polizei, die jetzt hier steht, gegen die Bevölkerung eingesetzt? Wir haben erlebt, wie haarscharf es hier war. Die Frage ist ernst gemeint.“
An dieser Stelle wäre ein „auf gar keinen Fall wird auf Demonstranten geschossen werden“ wohl das Mindeste gewesen. Stattdessen schien Scholz sich lieber an DDR-Staatschef Walter Ulbricht orientieren zu wollen, der am 15. Juni 1961 den denkwürdigen Satz „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ aussprach. Zur Erinnerung: Zwei Monate später stand die Berliner Mauer.
Wörtlich sagte Scholz: „Niemand in diesem Land hat vor, dass auf Demonstranten geschossen wird.“ Und dass jeder, der solche „Schauermärchen“ verbreite, ein ganz schlimmer Propagandist sei. Das wird sich zeigen. Das Echo auf sein Zitat fällt in den sozialen Netzen jedenfalls alles andere als positiv aus. Spätestens seit seiner Kehrtwende in puncto Impfpflicht kann auf Scholz‘ Beteuerungen – selbst dann, wenn sie überzeugender vorgebracht werden als jene am gestrigen Abend – bekanntlich wenig gegeben werden.
Scholz‘ Ankündigungen von weiteren Entlastungen schienen die Anwesenden in Neuruppin gemeinhin wenig ernst zu nehmen – zu wenig kam bisher von versprochenen Hilfen an. Stattdessen glänzte man mit Umverteilungsmaßnahmen. Heute wurde zumindest bekannt, dass die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Gas vorübergehend von 19 auf sieben Prozent senken möchte, um die von der Gasumlage gebeutelten Gaskunden zu entlasten. Scholz gab sich bei der Ankündigung wieder sehr optimistisch: „Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie diese Entlastung eins zu eins weitergeben“, sagte er. Auch das werden wir sehen. Es sind längst nicht nur die Heizkosten, die Bürger trotz aller Energiesparmaßnahmen verzweifeln lassen (oder in Hinkunft noch verzweifeln lassen werden – real wird es für viele erst, wenn die Nebenkostenabrechnung vorliegt). Wenn die Politik Massenproteste in Herbst und Winter verhindern will, wird sie entsprechend agieren müssen. Dass Bürger sich die Frage nach einem Schießbefehl überhaupt stellen, spricht jedenfalls nicht für die deutsche Regierung.