Entsprechend des Lauterbach-Narrativs muss Virologe Hendrik Streeck wohl unter die Querdenker und „AfD-Jünger“ gegangen sein: Gegenüber „Bild am Sonntag“ zerlegte Streeck jüngst nämlich nicht nur Maskenpflicht und Maßnahmenwahn, sondern wagte es auch noch, festzuhalten, dass die gepriesenen neuen Impfstoffe keinen Deut besser sind als die alten. Der Virologe fordert eine Aufarbeitung der Fehler der Pandemie.
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Streecks Äußerungen dürften bei Panik-Prophet Lauterbach für erheblichen Unmut sorgen. So stellte der Virologe unter anderem fest, dass Corona-Kennziffern in der öffentlichen Diskussion überhaupt keine Rolle mehr spielen dürften – relevant wäre nur, ob den Kliniken eine unmittelbare Überlastung drohe. „Wir brauchen ein System, das uns sagt, wie viele der Menschen, die als Corona-Patienten gemeldet werden, wirklich wegen Corona im Krankenhaus liegen und wie viele nur mit Corona. Das hat Deutschland leider noch immer nicht.“
Die Politik müsse die begangenen Fehler in der sogenannten Pandemie zugeben: Streeck fordert eine umfassende Aufarbeitung. Diese solle „jenseits von Partikularinteressen einzelner Akteure oder Institutionen“ geschehen. Für ihn gehe es dabei nicht um eine Anklage, sondern um die Vorbereitung auf zukünftige Pandemien, bei der die Fehler der vergangenen 2,5 Jahre nicht wiederholt werden sollten. (Menschen, die im Zuge überschießender Maßnahmen ihre Existenzen verloren haben, könnten Streeck hier freilich durchaus widersprechen und Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen erwarten.)
Absage an Maskenzwang
Die von Lauterbach und seinen Anhängern so heiß geliebte Maskenpflicht befürwortet der Virologe nicht: Es werde zwar „so getan, als wäre die Maskenpflicht in der Bevölkerung eine wunderbare präventive Methode, um die Corona-Welle zu kontrollieren und leicht durch Herbst und Winter zu kommen“, das sei jedoch schlicht falsch. Wenn sich Menschen anstecken, dann in Privaträumen im Beisein von Familie und Freunden. „Das sind Situationen, wo aus gutem Grund keine Maskenpflicht greift.“ Es könne ohnehin nicht das Ziel sein, jede Infektion zu vermeiden. Streeck befürwortet vielmehr den gezielten Schutz vulnerabler Personen.
Neue Impfstoffe genauso „wirksam“ wie die alten
Am Ende erteilte er nicht nur dem Dauer-Impfabo eine erneute Absage, sondern entzauberte auch die angeblich gegen aktuelle Varianten so wirksamen neuen Vakzine: Gegen Infektionen schützten diese „nicht besser“ als die anderen Impfstoffe – also schlussendlich gar nicht. Nach dem jetzigen Kenntnisstand stelle „der neue, an BA.5 angepasste Impfstoff keine Verbesserung gegenüber den älteren Impfstoffen dar“. Infektionen würden also weiterhin bei Geimpften ebenso wie bei Ungeimpften auftreten.
Interessant in Streecks Ausführungen ist die Wortwahl hinsichtlich der behaupteten Schutzwirkung der Vakzine: Eine Booster-Impfung „erhöhe“ den Schutz vor schwerem Verlauf (und das unabhängig vom Impfstoff – das Ausmaß der „Wirkung“ ist bei den neuen Vakzinen also dasselbe wie bei den alten). Dieses Risiko besteht bei jungen und gesunden Menschen bekanntlich nicht – und auch bei vulnerablen Gruppen muss man sich die Frage stellen, wie dieser „erhöhte“ (und somit keinesfalls gewährleistete) Schutz aussieht. Käme die Impfung ohne Nebenwirkungen daher, wäre auch ein „erhöhter“ Schutz bei tatsächlichen Risikopatienten noch positiv zu werten. Dies ist jedoch nicht der Fall – statt dem blinden Befolgen von behördlichen Impfempfehlungen sollte also sehr wohl in jedem Fall ein individuelles Abwägen von Nutzen und Risiken indiziert sein.