Diese Nachrichten schaffen es nicht in die westlichen Nachrichtenagenturen und somit auch nicht in die gleichgeschaltete Mainstream-Presse. Wer am Staatsgebiet der Ukraine versucht, eine neutrale Position der Geschehnisse zu berichten oder auch die russische Sicht der Dinge zu beleuchten, muss damit rechnen, ermordet zu werden. Ein Mordfall ist dokumentiert, ein weiterer Journalist wurde entführt und ist wahrscheinlich auch tot. Doch auch in Lettland wurde ein Blogger verschleppt.
Ein Kommentar von Florian Machl
Kennen Sie jemanden, der sich so stark in den Ukraine-Konflikt involviert, dass er jeden wüst beschimpft, der auf die Optionen von Frieden, Kapitulation, Kriegsende oder gar Verschulden beider Seiten hinweist? Irrational wird gehetzt, die schlimmsten Schimpfwörter fallen, am besten man solle gleich nach Russland zu Putin ziehen, den man so gut versteht. Für friedliebende Menschen ist dieses Verhalten verstörend und unverständlich.
Denkt man ein wenig weiter, kann man die Stimmung in Teilen der Ukraine nachvollziehen. Nur dass dort nicht mehr geredet wird, dort fliegen die Fäuste und dann die Kugeln. Im Kriegszustand und mit den freihändig an die gesamte Bevölkerung verteilten Waffen wird nicht lange gefackelt. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns – und dann wird gemordet. Es ist ein Zustand, der nicht wünschenswert ist – doch man muss verstehen: Das wäre bei der derzeitigen aufgeheizten Stimmung, wo die Menschheit verlernt hat, miteinander zu reden und Kompromisse zu finden, in jedem Land möglich. Speziell ab dem Zeitpunkt, wo ein Mörder keine Konsequenzen mehr befürchten muss. In der Ukraine ist der Mord an Russen laut Verordnung von Wolodymyr Selenskyj straffrei. Da war ein Blogger mit der falschen Meinung dann eben ein Russe.
Mordopfer Wladimir Kuleschow
Der Blogger Wladimir Kuleschow berichtete aus Cherson. In seinen Texten soll er sich verständnisvoll für die russische Seite geäußert haben. Cherson liegt zwischen der Krim und Mykolayiv (Nikolajew). Es ist eine Region, in der viele russischstämmige Menschen leben, die in der Ukraine spätestens seit dem blutigen Putsch von 2014 massiv diskriminiert werden. Mit dem aktuellen Kriegsbeginn sind viele von ihnen „Freiwild“. Es ist anzunehmen, dass zahlreiche Tote in Butcha ebenso zur russischen Minderheit gehörten, Report24 hat ausführlich über die verschiedenen Hintergründe der Morde berichtet (siehe z.B. hier).
In der Region ist das nationalsozialistische Asow Regiment stark vertreten, deren Mitglieder nicht lange fackeln. Folter, Totschlag und Mord gegen „Feinde“ sind an der Tagesordnung. Kuleschow wurde am Morgen des 20. April in seinem Auto erschossen (siehe Titelbild). Er war freiwilliger Helfer für Familien, die vom Krieg betroffen waren und berichtete über die Kämpfe in der Stadt. Dies machte ihn mutmaßlich zur Zielscheibe von Asow oder dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU. (Siehe auch: Ukrainischer Friedensverhandler von ukrainischem Geheimdienst hingerichtet).
Verschleppt, angeblich gefoltert und ermordet: Gonzalo Lira
Der Blogger Gonzalo „Gonzo“ Lira ist ein Journalist chilenischer Abstammung mit amerikanischem Reisepass. Er berichtete aus Charkiw (Kharkov) und äußerte sich auch kritisch über die ukrainische Regierung. Die Ortschaft liegt in der nördlichen Ostukraine. Sein letztes Lebenszeichen auf seinem von über 88.000 Menschen verfolgten Telegram-Kanal erfolgte am 15. April. Seither ist er verschwunden. Auf ukrainischen Kanälen posteten Neonazi-Anführer hämische Kommentare und verwendeten dabei auch Abzeichen einer bestimmten Sondereinheit, die den Zugriff durchgeführt hat. Der frühere Nachrichtendienstoffizier der Vereinten Nationen, Scott Ritter, veröffentlichte einen Artikel, in dem er Entführung, Folter und Ermordung von Gonzalo Lira durch die „Kraken-Einheit“ des Asow Regiments als Tatsache darstellt. Auf welche Quellen er sich dabei stützt, ist nicht bekannt.
Here I talk about whatever’s on my mind. Unvaxed – and if that makes you angry and makes you hope that I die soon, I want you to know that I have no such wish for you.
Hier spreche ich über alles, was mir auf dem Herzen liegt. Ungeimpft – und wenn Sie das wütend macht und Sie hoffen lässt, dass ich bald sterbe, möchte ich, dass Sie wissen, dass ich keinen solchen Wunsch für Sie habe.
Gonzalo Lira
Als letzte Reportage ist am Kanal von Lira ein Bericht aus Mariupol zu sehen. In Gebieten, aus denen das ukrainische Militär vertrieben wurde, fanden sich Leichen in ähnlichen Auffindungssituationen wie in Bucha. Es waren ermordete Zivilisten, teilweise mit gefesselten Händen. In diesem Fall besteht kein Zweifel, wer die Mörder sind. Diese und andere traurige Wahrheiten des Ukraine-Krieges wurden Gonzalo Lira wohl zum Verhängnis. Es besteht kein Zweifel, dass auch jedes Mitglied unserer Redaktion in der Ukraine innerhalb kürzester Zeit ermordet werden würde.
In Lettland verhaftet und verschleppt: Kirill Fedorov
Er betreibt einen der größten russischsprachigen YouTube-Channels („History of Weapons“) und hält sich dabei nicht an das im Westen erwartete Narrativ vom bösen Russen. Seit Kriegsbeginn wurde Fedorov regelmäßig Ziel von Drohungen. Ihm wurde nahegelegt, seine Berichterstattung anti-russisch zu gestalten – ein Ansinnen, dem er nicht Folge leistete. Am 17. März wollte er Riga verlassen, um nach Russland zu ziehen, wo er sich mit seiner Arbeit sicherer gefühlt hätte. Am Tag davor wurde er von unbekannten Geheimdienstkräften in der Wohnung seiner Eltern verhaftet und verschleppt. Auch nach 48 Stunden wurde er rechtswidrig nicht aus der Haft entlassen, seine Anwälte und Verwandten wären von staatlichen Stellen bedroht worden. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt, man kann ihn nicht kontaktieren. Angeblich wird ihm „Kooperation mit russischen Geheimdiensten“ vorgeworfen. Lettland ist ein Mitgliedsstaat der EU. Dass in einem EU-Staat unwidersprochen Dissidenten verhaftet und verschleppt werden können, weil sie nicht russlandfeindlich berichten, ist eine besorgniserregende Entwicklung.
Egal, was öffentlich-rechtliche und andere Medien behaupten: Es gibt im Krieg keine „Guten“. Krieg als Gesamtes ist niemals „gut“, sondern vehement abzulehnen. Bedingungslos für den Frieden zu sein und auch sämtliche Waffenlieferungen abzulehnen, mag schwierig sein – ist aus meiner Perspektive aber die einzig richtige Position. Alles andere führt zum sinnlosen Verlust von Menschenleben.