Weder der „Lockdown für Ungeimpfte“, noch die „2G-Regel“ war unverhältnismäßig oder verfassungswidrig. Diese Entscheidung gab der österreichische Verfassungsgerichtshof gestern bekannt. Damit wurden zwei der repressivsten Elemente der Covid-Maßnahmenpolitik der Bundesregierung juristisch abgesegnet. Die MFG erwägt nun den Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Beurteilt worden war die vom 15. bis zum 21. November 2021 geltende 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, die einen Lockdown für Ungeimpfte und nicht Genesene sowie einen 2G-Nachweis für bestimmte Orte vorsah. In einer ersten Stellungnahme übte Rechtsanwalt und MFG-Bundesparteiobmann Dr. Michael Brunner scharfe Kritik an der Entscheidung. In einer entsprechenden Stellungnahme wird insbesondere bemängelt, dass
- der VfGH seiner Entscheidung die Darstellung der epidemiologischen Situation im Verordnungsakt des Gesundheitsministers zugrunde legt, diese nicht hinterfragt, sondern ohne Prüfung als gegeben annimmt (d.h. der VfGH hat den Sachverhalt rechtlich beurteilt, den ihm der Gesundheitsminister „geliefert“ hat),
- der VfGH die im Verordnungsakt vorhandene Dokumentation (formell) prüft, nicht aber, ob diese überhaupt (materiell) zutrifft,
- der VfGH nicht beurteilt, ob tatsächlich eine Gefahrenlage bestanden hat, sondern „lediglich“, ob der Gesundheitsminister Prognosen annehmen durfte, die derart gravierende Grundrechtseinschränkungen notwendig machen würden,
- der VfGH die „Qualifikation“ von PCR-Tests, Impfungen, der Wirksamkeit von Mobilitätsbeschränkungen, Neuinfektionen etc. ohne Prüfung als gegeben annimmt und diese nicht in Zweifel zieht, also selbst prüft,
- der VfGH die Anzahl der (unbelegten/ belegten) Normal- und Intensivbetten in den Spitälern nicht darstellt, schon gar nicht zwischen wegen oder mit Covid-19 hospitalisierten Personen unterscheidet, ebenso wenig bei „Neuinfektionen“ zwischen symptomatischen und asymptomatischen Personen (laborbestätigte Fälle) differenziert.
Verfassungsgerichtshof muss entpolitisiert werden
Weiter heißt es in der Stellungnahme: Die Entscheidung zeigt eindeutig, dass der Verfassungsgerichtshof dringend reformiert und vollständig entpolitisiert werden muss. So muss ein reformierter Verfassungsgerichtshof beispielsweise dazu verpflichtet werden, wie auch in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit gesetzlich vorgesehen, seine Entscheidungsgrundlagen durch Beweisaufnahmen selbst zu erheben. Es muss ihm verwehrt werden, den mit dem Verordnungsakt gelieferten „Sachverhalt“ eines Bundesministers als nicht zu hinterfragende Realität hinzunehmen.
Gang zum EGMR?
“Wir prüfen – für abweisende Erkenntnisse, die von unseren Rechtsanwälten eingebracht worden sind – jetzt den Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Generell kann die Diskriminierung einer breiten Bevölkerungsgruppe nur verhindert werden, wenn sich die politischen Verhältnisse ändern. Dazu sind wir angetreten und das werden wir auch konsequent umsetzen”, so Brunner in einer ersten Reaktion.
Die VfGH – Erkenntnisse lesen Sie unter:
- https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH-Erkenntnis_V_231_2021_vom_3._Maerz_2022.pdf
- https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH-Erkenntnis_V_294_2021_vom_17._Maerz_2022.pdf
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