Der aktuelle Krieg in der Ukraine verdeutlicht das militärische Unvermögen der NATO für eine konventionelle Kriegsführung über längere Zeit, da die Waffen- und Munitionslager sich rascher leeren als nachproduziert wird. Sie müsste auf Atomwaffen zurückgreifen, um starke Gegner wie Russland, China oder den Iran zu bezwingen.
Fast acht Monate dauert die russische Militäroperation in der Ukraine an. Während Moskau weiterhin in der Lage ist, die eigenen Truppen mit Gerät und Munition auszurüsten, stoßen immer mehr NATO-Mächte an ihre Grenzen, weil sie die andauernden militärischen Hilfslieferungen für Kiew komplett auslaugen. Dabei führen sie noch nicht einmal selbst, also mit eigenen Truppenverbänden, Krieg, sondern bevorzugen es, bis zum letzten Ukrainer gegen Russland zu kämpfen.
Das Resultat für das transatlantische Militärbündnis ist ernüchternd. Ende August berichtete beispielsweise das „Wall Street Journal“ davon, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine die Vorräte an Munition für diverse Waffen auf einen so niedrigen Stand fallen ließen, dass die Vereinigten Staaten für „unerwartete Bedrohungen“ nicht bereit seien. So wurden dem Bericht zufolge bis zum 24. August beispielsweise insgesamt 806.000 Schuss an 155mm-Munition für die von Washington gelieferten Haubitzen an die ukrainischen Truppen übergeben. Jede dieser hochexplosiven Granaten wiegt gut 45 Kilogramm. Das allein sind schon rund 36.000 Tonnen an Munition, die aus US-Beständen entnommen wurden. Und diese Granaten werden beispielsweise auch von den US-Truppen in Syrien benutzt. Hinzu kommen Unmengen an weiteren Waffen und Munition, wie zum Beispiel Javelin-Raketen.
Aber nicht nur die Vereinigten Staaten haben mit leeren Waffen- und Munitionslagern zu kämpfen – auch Deutschland könnte im Ernstfall nicht lange durchhalten. Einem kürzlich publizierten Medienbericht zufolge hat die Bundeswehr gerade einmal für ein bis zwei Tage Munition, sollte es zum Krieg kommen. Auch wenn hinter dieser Meldung die Lobbyisten der deutschen Waffenindustrie stecken, sollte man das nicht unterschätzen. Denn die deutschen Lieferungen an die Ukraine stammen (ähnlich wie im Falle der Vereinigten Staaten und anderer NATO-Länder) aus den Militärbeständen. Nachbestellt wurde allerdings kaum etwas.
Damit wird deutlich, dass für die NATO im Falle einer militärischen Eskalation (zum Beispiel mit dem Iran oder mit Nordkorea) und der Ausrufung des NATO-Bündnisfalles die konventionellen militärischen Ressourcen rasch knapp werden könnten. Zwar würden in solch einem Fall zuerst vor allem die Marine und die Luftwaffe der NATO eingesetzt, doch über kurz oder lang müssten auch reguläre Truppenverbände losziehen – und die sind auf ausreichend Waffen und Munition angewiesen. Sind diese nicht vorhanden und es zeichnet sich eine Niederlage ab, wäre der Einsatz von taktischen Atomwaffen die logische Konsequenz. Dies wäre auch das wahrscheinliche Szenario, sollte es im Ukraine-Krieg zur Eskalation kommen oder im Falle eines Krieges mit China wegen Taiwan.
Denn eines ist sicher: Keines der NATO-Länder kann innerhalb kürzester Zeit auf eine Kriegswirtschaft umstellen und die Produktion von Waffen und Munition so stark vorantreiben, dass ein umfangreicher konventionell geführter Krieg gegen einen militärisch starken Gegner für mehrere Monate oder gar Jahre andauern kann. Die heutige Technologie basiert nämlich auf globalen Lieferketten und ohne die „seltenen Erden“ (aus China) wird die Produktion von High-Tech-Waffen zudem fast unmöglich. Dies hat auch das Pentagon erkannt.
Vielleicht sind die leeren Waffen- und Munitionslager der NATO-Länder ja auch in gewisser Weise positiv: denn eine weitere militärische Eskalation des Krieges in der Ukraine über die Landesgrenzen hinaus wird so deutlich unwahrscheinlicher. Zumindest so lange, bis nicht irgendwelche Irren in Washington, Brüssel oder London beschließen, die nukleare Option in Betracht zu ziehen.