Gerald Markel: Linke irren sich bei ihren Jubelmeldungen über da Silvas Wahl in Brasilien

Bild: Hintergrund freepik / everyonephoto, G. Markel via YouTube Screenshot

Deutsche Linke feiern den Wahlsieg von Lula da Silva in Brasilien – und demonstrieren damit ihre Ahnungslosigkeit, befindet Unternehmer und Politblogger Gerald Markel. Denn auch da Silva hat kein Interesse daran, Brasilien dem System des Westen anzunähern. Zudem ist die Masse an für ungültig erklärten Stimmen bei der Wahl mehr als bedenklich – und da Silva war nach seiner vorangegangen Präsidentschaft obendrein wegen Korruption verurteilt und auch vorübergehend inhaftiert worden. Ob die Wahl dieser Personalie Gutes für das südamerikanische Land bedeutet?

Ein Gastkommentar von Gerald Markel

An unbelievable story

Ich habe heute einen Teil der Nacht mit der Beobachtung der Stichwahl in Brasilien verbracht. Und bereue es kein bisschen. Denn einerseits habe ich heute mehr über das politische System des größten Landes Südamerikas gelernt als die 45 Jahre zuvor, in denen mich Politik interessiert. Und andererseits ist die Story insgesamt ja selbst für mich unglaublich – ein Land wie aus einem Hollywood-Klischee.

Zunächst einmal die nackten Fakten. Das größte Land Südamerikas hatte gestern die Wahl zwischen zwei schillernden Figuren: Der vom System als rechtsextrem verleumdete Bolsonaro und der vom System als „Linker“ bezeichnete, zweimal verurteilte Kleptokrat Lula da Silva.

124 Millionen Menschen haben ihre Stimme abgegeben. Da Silva hat laut dem Ergebnis 50,9 Prozent oder 60.345.825 Stimmen bekommen und damit die Wahl gewonnen (zumindest vorläufig). Bolsonaro kam auf 58.206.332 Stimmen und hat damit um ca. zwei Prozent weniger Stimmen erhalten.

5,7 Millionen Stimmen für ungültig erklärt

Äußerst problematisch für den inneren Zusammenhalt des Riesenlandes sind aber die 5.700.440 Stimmen, die für ungültig erklärt wurden! Man muss kein Prophet sein oder an Verschwörung glauben, um mit Sicherheit vorherzusagen, dass bei 5 Millionen als ungültig erklärten Stimmen das Land jahrelang tief gespalten sein wird, politisch gelähmt, weil Bolsonaros Partei die relative Mehrheit erreicht hat und mehr als ein Dutzend Provinzen in den nächsten Jahren von Bolsonaro-treuen Gouverneuren regiert werden. 

Ob Bolsonaro und da Silva ihre Anhänger im Zaum halten, ob Brasilien im politischen Chaos untergeht, ob es angesichts der unfassbaren Zahl an ungültig erklärten Stimmen zu einer Anfechtung kommen wird – all das steht in diesen Stunden in den Sternen. 

Sieg für den linken Westen? Von wegen

Die im linksgrünwoken Mainstream erschienenen Jubelmeldungen und das Triumphgeheul der Woko Haram über die Niederlage des „Rechtsextremen“ Bolsonaro könnt ihr aber gleich wieder vergessen. Denn auch der Kandidat da Silva hat im Wahlkampf festgehalten, dass er die Zukunft Brasiliens nicht im Kapitalismus des Westens sieht und Brasilien noch näher an die BRICS Allianz führen wird (nicht umsonst hat da Silva seinen seinerzeitigen Sturz den USA zu verdanken!). Aber Geschichte und Fakten waren noch nie die Stärke der Woko Haram – in Wahrheit haben die meisten von denen keine Ahnung von gar nichts…

Aber zurück zum Lernen. Die Geschichte des neuen und alten Präsidenten da Silva ist so unglaublich – das muss ich euch erzählen. 

Da Silva ist ein Kommunist. Vor über 20 Jahren kam er überraschend mit seiner Arbeiterpartei an die Macht, Brasilien erlebte sein Wirtschaftswunder und stieg zur internationalen Großmacht auf. Diese 13-jährige Erfolgsgeschichte hatte allerdings einen Riesenhaken. Parallel zum wirtschaftlichen Erfolg blühte die Korruption in Brasilien auf, Brasilien unter der Regentschaft der Arbeiterpartei wurde zu einem der korruptesten Länder der Welt.

22 Jahre Haft: Da Silva wurde wegen Bestechung verurteilt

Große Konzerne zahlten Hunderte Millionen Dollar an Bestechungsgeldern an politische Funktionäre, um Staatsaufträge zu erhalten, die Korruption war bis zum kleinsten Beamten in jedem Alltag zu spüren und wurde unerträglich. Dann begann eine landesweite Aufarbeitung in der Operation Carwash, die darin gipfelte, dass der Staatspräsident selbst in zwei Prozessen 2017 und 2019 ohne Zweifel wegen Bestechung verurteilt und zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Geleakte Tonbänder wiesen nach, dass da Silva Immobilien und Geld aus Staatsaufträgen erhielt, die Schuld war klar bewiesen. Und jetzt kommt der unglaubliche Teil der Geschichte. Da Silvas Anwälte gingen in die Berufung, da Silva wurde bis zur Entscheidung auf freien Fuß gesetzt und 2021 entschied der Oberste Gerichtshof Brasiliens die Aufhebung der Urteile aus Formalgründen! (Der Prozess fand vor dem falschen Gericht statt, der OGH Brasiliens hob die Zuständigkeit auf!)

Der Korruption überführt – und trotzdem neuer Präsident

Unmittelbar nach seiner Freilassung begann da Silva sein politisches Comeback, kritisierte Bolsonaro, wiegelte seine Anhänger auf und schaffte es gestern tatsächlich, als überführter Korruptionist zum Präsidenten gewählt zu werden – eine unglaubliche Story.

Wie es weitergeht? Ich kann euch dazu nichts prophezeien. Der Wahlkampf war dermaßen schmutzig, auf beiden Seiten wurde mit den tiefsten Mitteln gekämpft. Bolsonaros Anhänger warfen da Silva vor, er sei ein Mafioso, ein Kommunist und ein Satanist. Da Silvas Anhänger beschuldigten Bolsonaro, ein Kannibale (!) und ein Pädophiler zu sein! 

Die Fronten sind verhärtet, das Land tief gespalten, die Rolle der Armee undurchsichtig, die mächtigen Riesenkonzerne und die superreichen Familienclans haben sich auch noch nicht deklariert – ich befürchte , das wichtigste Land Südamerikas steht vor harten Zeiten.

Eins jedenfalls steht fest – die Jubelmeldungen aus dem linken Lager, die wegen der Niederlage Bolsonaros kommen werden, sind eindeutig falsch und auf Ahnungslosigkeit begründet. Brasilien wird sich nicht dem westlichen System einordnen – weder unter dem Antikapitalisten und Korruptionisten da Silva noch unter seinem Rivalen. 

Es bleibt spannend. 

So – jetzt noch ein Stündchen Schlaf und dann einen schönen Fenstertag und Happy Halloween euch allen. Wir lesen uns! 
GM

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