Letzte Woche Dienstag hatte der Berliner Arzt Wolfgang C. sich noch auf der Anklagebank des Amtsgerichts wiedergefunden: Er hatte sich dagegen gewehrt, 3.000 Euro Strafe wegen eines Habeck-kritischen Facebook-Posts zu zahlen. Das Verfahren gegen den 76-jährigen Mediziner wurde eingestellt. Nur drei Tage später wurde er dann am Freitagabend tot in seiner Praxis aufgefunden.
Seit 1968 war er Hausarzt in Berlin. Seit jeher engagierte er sich im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit für Drogensüchtige – das geht auch aus den alten Texten seiner Website hervor. Dort setzte er sich mit viel Empathie für die Suchtkranken für sein Konzept einer “akzeptierenden Sozialtherapie” ein, die ihn wegen Substitutbehandlungen allerdings schon 2001 in Konflikt mit dem Arzneimittelgesetz brachte. Vorbestraft ist C. aber nicht, man habe ihm nämlich kein Fehlverhalten nachweisen können. Der Mediziner zeigte sich damals wie auch zuletzt widerständig – ihm ging es laut eigener Aussage stets um Heilung. Dem Staat warf er dagegen Repression vor.
Streit wegen Methadon?
Trotzdem soll es nun angeblich ein “Drogenstreit” gewesen sein, der ihn das Leben kostete. Gegen 15:45 Uhr am Freitagnachmittag wurde die Polizei in seine Praxis im Berliner Ortsteil Wedding gerufen. Dort wurde C. leblos aufgefunden. Reanimationsversuche durch Rettungskräfte scheiterten, der 76-Jährige verstarb vor Ort.
Die 8. Mordkommission und die Staatsanwaltschaft Berlin haben die Ermittlungen übernommen. Schnell sei der Polizei Berichten zufolge klar gewesen, dass es sich um keinen natürlichen Tod gehandelt habe. Auch nach der Obduktion wird von einem Fremdverschulden ausgegangen.
Gemutmaßt wird, dass der Täter ein Suchtkranker sein könnte: Der B.Z. zufolge ging der Gewalttat wohl kurz zuvor ein Überfall auf die Praxis voraus. Wie der Berliner Kurier berichtet, hofft man bei den Ermittlungen aktuell auf die moderne Überwachungs- und Assistenztechnologie eines Teslas, um an weitere Informationen zu gelangen. Ein solches E-Auto soll nämlich vor der Praxis geparkt gewesen sein: Die Daten der Kameras des Autos wurden mit Erlaubnis der Fahrzeugbesitzerin bereits ausgelesen und werden ausgewertet.
Prozess wegen “Majestätsbeleidigung”
Was dem Fall besondere Brisanz verleiht, ist die enge zeitliche Nähe zu einem Prozess, der gegen den Mediziner geführt wurde. Schon 2022 war es in seiner Praxis zu einer Razzia samt jahrelanger Beschlagnahmung von Handys und Laptops gekommen, weil C. angeblich den damaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck auf Facebook beleidigt haben sollte. Dabei ging es um eine Zeichnung, die an NS-Propaganda erinnerte. Zu sehen war statt eines Hakenkreuzes aber das Grünen-Logo: Das Bild zeigte Robert Habeck und den Schriftzug “Frieren für den Endsieg”.
Ein grünes Ministerium meldete das an die „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet“ bei der inzwischen wohl umstrittensten Staatsanwaltschaft Deutschlands: der Staatsanwaltschaft Göttingen, die sich im US-Fernsehen darüber amüsiert hatte, dass Menschen entsetzt auf das rigide Vorgehen gegen Majestätsbeleidigung und angebliche “Hassverbrechen” reagieren.
C. erhielt einen Strafbefehl, sollte 3.000 Euro zahlen. Das wollte er nicht. Am vergangenen Dienstag legte er vor Gericht selbstbewusst dar, dass der fragliche Facebook-Account von mehreren Personen bespielt werde – er habe diese Karikatur gar nicht gepostet. Unabhängig davon wertete er das Verfahren als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Er hielt im Gerichtssaal eine lange Rede, in der er die Zustände in Deutschland scharf anprangerte. Deutschland fühle sich mittlerweile wie eine Diktatur an, so C. Seine letzten Worte waren: “Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus.” Er hatte auch zu einer Gedenkminute für die Opfer des Holocaust aufrufen wollen, doch die Richterin intervenierte. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt, auch wenn C. gerne einen Freispruch erwirkt hätte.
Arzt zeigte seine kritische Haltung offen
Aus seinen kritischen Ansichten machte der Mediziner kein Geheimnis. Auf seiner Website wird bereits deutlich, dass er sich wohl jenem alt-linken Spektrum zugeordnet haben dürfte, das das System noch scharf kritisierte, statt als seine gehorsame Speerspitze aufzutreten. C. hängte im Fenster seiner Praxis Zettel auf, auf denen er Staat und Regierung scharf angriff. So stand dort “Demokratie heißt: Fresse halten!”, “Energie sparen! Regierung abschalten” oder auch “Krieg ist gut fürs Klima – dein Häuptling Habi (Habeck)”.
Sichtet man die Google-Bewertungen zu seiner Praxis, zeigt sich entsprechend schnell, wie sehr C. polarisierte. Offenbar wurde er von Patienten entweder geliebt oder gehasst – ein Zwischending gab es nicht. Positiv hervorgehoben wurde, dass C. sich Zeit nahm und ganzheitlich arbeitete – ihm wurde eine große Kenntnis über die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Erkrankungen und auch Verbindungen zur Psyche nachgesagt. Auf der anderen Seite sorgte seine kritische Haltung bei einigen dafür, dass er als “zwielichtig” und als “Schwurbler” wahrgenommen wurde. Manche warfen ihm auch Geldmacherei vor, obwohl er selbst gesagt habe, Kapitalisten abzulehnen. Manche kritisierten in der Vergangenheit eine mangelhafte Einhaltung von Corona-Maßnahmen, insbesondere der Maskenpflicht.
Zwar behauptet auch die B.Z., dass manche im Viertel ihn als “Schwurbel-Arzt” bezeichnet hätten. Die Berliner Zeitung zeigte in ihrer Berichterstattung dagegen auf, dass er sehr beliebt gewesen sei. Zahlreiche Freunde und Patienten seien auch zu seiner Anhörung letzte Woche erschienen: “Ein toller Arzt, ein wunderbarer Mensch, sagten jene, die man auf ihn ansprach”, so das Medium.
Eine Nachbarin erzählte demnach aber auch, dass es wegen des Methadons in der Praxis schon in der Vergangenheit zu Einbrüchen gekommen sei. Ein anderer Anwohner bezeichnete ihn als “ziemlich wirr im Kopf”. Auch er ging von einem Streit wegen Drogen aus – er habe gehört, dass es sich beim Täter um eine Frau handeln solle.
In den sozialen Netzen wird über den Tod des Arztes derweil viel spekuliert. Dass Regierungskritiker und jene, die die neu-linken Narrative im “besten Deutschland aller Zeiten” nicht mittragen, gefährlich leben, scheint für viele längst ausreichend erwiesen. Es wird sich zeigen, was die Ermittlungen in diesem Fall ergeben (und inwieweit darüber berichtet werden wird).