Am 1. Juli wurde er veröffentlicht, der lang erwartete und sicherlich von einigen gefürchtete Bericht zur Evaluierung der Corona-Maßnahmen. Um klare Aussagen hat man sich (sehr zum Missfallen des Virologen Dr. Klaus Stöhr) herumgedrückt – und ein so wichtiger Punkt wie die Corona-Impfungen wurde gar nicht erst behandelt. Dennoch fällt das Fazit für die politisch Verantwortlichen nicht gerade schmeichelhaft aus – in der Schule würde man sagen: Setzen, sechs!
Am Freitagmittag legte der Sachverständigenausschuss, der aus 18 Mitgliedern – darunter Juristen, Virologen und Naturwissenschaftler – besteht, den 165-seitigen Bericht vor. Das Papier hebt besonders die mangelhafte Corona-Datenlage in Deutschland hervor, die auch als Grund für die unvollständige Bewertung der politisch verordneten Maßnahmen angeführt wird. Darüber hinaus werden die unzureichende Forschungsarbeit, die öffentliche Kommunikation und die Intransparenz beim Zustandekommen der Grundrechtseinschränkungen kritisiert.
Der Expertenrat führt aus: „Während in anderen Ländern Möglichkeiten zur Einschätzung der Wirkung von nicht- pharmazeutischen Maßnahmen genutzt wurden, ist eine koordinierte Begleitforschung während der Corona-Pandemie in Deutschland weitgehend unterblieben.“ Es gebe keine Studien und keine koordinierte Forschungsinitiative zur Lösung der wichtigsten Pandemie-Bekämpfungsfragen.
Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass die desaströse Datenlage (Versorgungsdaten sind nicht maschinenlesbar, stehen nicht oder nur mit Zeitverzug zur Verfügung) die Qualität des Krisenhandelns beeinträchtigt habe. In diesem Zusammenhang wird nicht nur die Politik, sondern auch das RKI als zentrale Forschungs- und Referenzeinrichtung für Infektionskrankheiten kritisiert, welches nicht dafür gesorgt habe, dass die Wirkung der Maßnahmen des Infektionsschutzes erforscht würde. „Diese Institution stünde bei der Lösung des identifizierten Daten- und Studienproblems somit auch selbst in der Pflicht.“
Ausgerechnet Wirksamkeit von Impfungen und Impfpflicht nicht evaluiert
Angesichts der Datenlage wurde auch keine Kosten-Nutzen-Analyse für die einzelnen Maßnahmen erstellt. Auch die Wirksamkeit der Impfstoffe und der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wurde aufgrund der „komplexen“ Thematik nicht bewertet.
„Die Wirksamkeit der Impfung als Maßnahme zur Bekämpfung des SARS-CoV-2 kann aus Gründen der Komplexität nicht behandelt werde, dies schließt auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht (§ 20a IfSG) mit ein. Es müssten nicht nur die Anzahl der Impfungen, die Altersgruppen und mögliche Gegenanzeigen bzw. Vorerkrankungen betrachtet werden, sondern auch die verschiedenen Impfstoffe sowie die möglichen Kombinationen der verschiedenen Impfstoffe in jeglicher möglichen Variation miteinander verglichen werden.“
Quelle (S. 72)
Bericht bleibt vielfach extrem schwammig
Eine abschließende Bewertung der Lockdown-Maßnahmen wie Ausgangssperren und Geschäftsschließungen seien im Einzelnen angeblich auch nicht möglich. Im Hinblick auf diese grundrechtseinschränkenden Maßnahmen wird die Wichtigkeit der Zustimmung der Menschen hervorgehoben: „Je länger ein Lockdown dauert und je weniger Menschen bereit sind, die Maßnahme mitzutragen, desto geringer ist der Effekt und umso schwerer wiegen die nicht-intendierten Folgen.“ Diese Folgen sind etwa Verschlechterung der Grundgesundheit durch verschobene Behandlungen oder nicht erkannte Erkrankungen sowie die Zunahme von psychischen Erkrankungen oder existenziellen Nöten.
In Bezug auf die Zugangsbeschränkungen trifft der Sachverständigenrat keine verbindlichen Aussagen und behauptet lediglich: „Der Effekt von 2G/3G-Maßnahmen ist bei den derzeitigen Varianten in den ersten Wochen nach der Boosterimpfung oder der Genesung hoch.“ Der Schutz vor Infektion durch die Impfung (der in Wahrheit gelinde gesagt fragwürdig ist) lasse jedoch sehr schnell nach – künftig solle man daher eher mit Testungen unabhängig vom Impfstatus als Zugangsbedingung arbeiten.
Auch bezüglich der Schulschließungen bleibt der Effekt auf die Eindämmung der Virus-Ausbreitung laut Bericht angeblich offen, da die Auswirkungen der Einzelmaßnahmen nicht bewertet werden könnten. Außer Frage steht allerdings die psychische und physische Belastung der Kinder durch die Schulschließungen. Eine weitere Expertenkommission soll hier tiefergehende Untersuchungen durchführen.
Eine positive Bewertung gibt es für das Maskentragen in Innenräumen, aber eine generelle Empfehlung für das Tragen von FFP2-Masken ergibt sich aus den vorliegenden Daten nicht. Im Übrigen helfen Masken natürlich nur, wenn sie korrekt sitzen – diverse Studien ziehen die Wirksamkeit der Maßnahme außerhalb von medizinischen Einrichtungen derweil stark in Zweifel und / oder weisen auf die damit verknüpften Gesundheitsgefahren hin. Diese scheinen von der Kommission nicht gesichtet worden zu sein.
Virologe Stöhr wünschte sich konkretere Aussagen
Interessant ist im Kontext der schwammigen Aussagen der Hinweis ganz am Ende des Berichts: „Prof. Dr. Klaus Stöhr nahm erst ab dem 10.06.2022 an den Beratungen der Evaluationskommission teil. In diesem Zeitraum konnte nicht in allen Punkten Konsens erzielt werden.“ Stöhr ist den Covid-Restriktionen gegenüber gemeinhin kritisch eingestellt und hat häufig für Lockerungen und die Abschaffung von Maßnahmen plädiert. Wäre er von Anfang an bei den Beratungen dabei gewesen, hätte das Fazit demnach deutlich kritischer ausfallen können.
Tatsächlich gab er gegenüber dem ZDF an, dass er sich vielfach konkretere Aussagen gewünscht hätte. So gebe es beispielsweise sehr wohl ausreichend Daten, auf deren Basis man den Sinn von Schulschließungen negieren kann. Er könne die getätigten Schlussfolgerungen somit nicht mittragen. Er stimmt allerdings dem im Bericht kritisierten Mangel an Daten zu, denn ein Forschungskonzept in Deutschland fehlte schlichtweg: Die Wirksamkeit der Maßnahmen wurde nicht (oder viel zu spät) hinterfragt. Der Virologe und Epidemiologe kritisiert, der Bericht sei so formuliert, „dass jeder sein Stückchen rauslesen kann“. Jede Position ließe sich damit vertreten. Die wichtigste Frage – nämlich wie verhältnismäßig die Maßnahmen sind und inwieweit ihre wie auch immer geartete Wirkung tatsächlich bedeutsam ist – wurde schlicht nicht beantwortet, obwohl genau das der Sinn der Evaluation hätte sein sollen. Der kritische Beobachter dürfte hierin vor allem ein Entgegenkommen in Richtung Lauterbach und Konsorten erkennen.
Datenlage für Evaluation unzureichend – wie rechtfertigen sich die Maßnahmen dann überhaupt?
Aufgrund der Datenlage räumt der Expertenrat in seinem Bericht insgesamt eine begrenzte Aussagekraft des Berichts ein. Es stellt sich da natürlich die Frage, aufgrund welcher Daten die Corona-Maßnahmen überhaupt erst beschlossen wurden. Es bleibt trotz des Mangels an konkreten Aussagen zu hoffen, dass Politiker und sogenannte Experten diesen Bericht lesen, bevor die Zwangsmaßnahmen in die nächste Runde gehen: Es wird immerhin schon fleißig beraten und neue gefährliche Wellen für Sommer, Herbst und Winter herbei fabuliert. Zumindest zeigt der Bericht überdeutlich, dass es in Deutschland an Daten fehlt, die Grundrechtseinschränkungen rechtfertigen können. Was nicht belegt ist, kann und sollte vom Volk auch nicht akzeptiert werden. Der Blick ins Ausland zeigt, dass die global verhängten Restriktionen in Wahrheit keinen nennenswerten positiven Effekt hatten, der die verheerenden Kollateralschäden aufwiegen konnte.
Immerhin ist aufgrund des Evaluationsberichts zurzeit noch nicht wieder von erneuten Zugangsbeschränkungen und einer Bevorzugung von Impflingen die Rede, sondern von einer allgemeinen Testpflicht – also 1G statt 2G/3G. In Wahrheit ist es aber längst schon allerhöchste Zeit, auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung der Bevölkerung zu setzen und die gesetzlichen Maßnahmen abzuschaffen. In Dänemark beispielsweise ist das bereits der Fall: Man will Covid-19 hier wie eine Grippe behandeln, solange nicht plötzlich doch gefährliche Varianten auftreten. Dass letzteres geschieht, darf vom wissenschaftlichen Standpunkt aus glücklicherweise bezweifelt werden.