Schon jetzt sehen sich viele europäische Volkswirtschaften mit enormen wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Im Laufe der nächsten Monate dürfte sich das Ganze deutlich verschlimmern. Doch wie tief wird der Fall der Eurozone?
Schon jetzt weisen immer mehr Länder in Europa tiefgreifende wirtschaftliche Verwerfungen auf. Die hohen Energiepreise lassen insbesondere die energieintensiven Industrien und Produktionsbetriebe entweder abwandern oder in die Insolvenz schlittern. Dies wiederum sorgt insbesondere auf regionaler Ebene – an den jeweiligen Standorten – für eine wirtschaftliche Abwärtsspirale. Denn wenn in einer bestimmten Region auch nur 10 bis 15 Prozent aller Arbeitsplätze direkt von einem einzelnen Unternehmen oder einer Branche abhängig sind, so trifft der Verlust dieser aufgrund der wirtschaftlichen Kettenreaktion in anderen Branchen (insbesondere im Dienstleistungsbereich) auch viele andere Unternehmen.
Die „Financial Times“ befragte nun insgesamt 37 Ökonomen zur wirtschaftlichen Lage in der Eurozone und deren Aussichten für das Jahr 2023. Das Ergebnis ist eine düstere Prognose: Ganze 90 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler konstatierten, dass sich die Eurozone bereits in einer Rezession befinde und die Mehrheit dieser Ökonomen sieht weitere Abwärtsbewegungen für das neue Jahr. Wobei insbesondere der nächste Winter als großer wirtschaftlicher Schlag gilt, da die Europäer kaum in der Lage sein dürften, die über diesen Winter entleerten Gasreserven ohne russische Lieferungen wieder aufzufüllen. Und nicht nur das: Auch dürfte die Beschaffung deutlich teurer ausfallen, da der gesamte globale LNG-Markt massiv unter Druck steht.
Hinzu werden auch Verwerfungen im Nahrungsmittelbereich kommen. Die europäische Düngemittelindustrie steht wegen der hohen Energiepreise weitestgehend still und so dürfte es in Sachen Ernten deutlich schlechter aussehen. Dies wird die Inflationsrate weiter nach oben treiben und die angespannte finanzielle Situation vieler Haushalte verschlechtern. Zusätzlich sorgen die Erhöhungen der Zinssätze durch die Europäische Zentralbank (EZB) für eine Verteuerung von Krediten und Hypotheken, was auch die Bauindustrie noch weiter unter Druck setzen wird. Denn nicht nur die Baumaterialien werden deutlich teurer, auch die Finanzierung schlägt zusätzlich zu. Dies wird sich bereits ab dem Frühjahr deutlich bemerkbar machen, wenn traditionell die Hochsaison der Bauindustrie beginnt.
Je nachdem, wie sich die Sanktionen gegen die russische Ölindustrie (mit dem Embargo auch gegen Benzin und Diesel aus Russland) auf die Preise an den Tankstellen auswirken werden, könnte es auch dort zu einem weiteren Schlag kommen. Insbesondere auch wegen der ohnehin schon vorhandenen globalen Dieselknappheit. Doch gerade Diesel ist insbesondere für die Bau-, Transport- und Landwirtschaft von essentieller Bedeutung. Mit den doch eher düsteren Aussichten an der Preisfront könnte es auch hier zu einer Verstärkung des Abschwungs kommen. Doch noch ist unklar, wie tief der Fall sein wird. Sprechen wir von einer Reduktion der Wirtschaftsleistung um fünf oder gar um zehn Prozent?