Ich möchte mich einmal vorstellen: Ich bin ein “Blinddarm”. Ein “Leugner”. Ein “Nazi”. “Rechts”, “unsolidarisch” und “egoistisch”. Ich bin “dumm”, ein “Aasgeier” und “Verweigerer”. – Wie viele Menschen können sich mit diesen Worten auf verquere Weise identifizieren, nicht, weil sie etwas davon tatsächlich wären, sondern weil das die Zuschreibungen waren, die sie nun über Jahre über sich ergehen lassen mussten? Am 18. Juli veranstaltete die Internationale Martin-Luther-Stiftung eine Podiumsdiskussion zum Thema „Kirche und Kultur nach Corona„. Das Eröffnungsplädoyer von Künstlerin Philine Conrad, aus dem diese „Vorstellung“ stammt, dürfte vielen unter die Haut gehen.
Die Vorstellung von Philine Conrad im Rahmen ihrer Rede ging noch weiter:
Ich bin eine “dumme Sau”, “zu kennzeichnen” und soll “Sticker tragen”. Ich bin ein “Gefährder”, ein “Mörder” und ein “Todesengel”. Ich bin ein “Gegner”. Gegen was? Ich bin ein “Muffel”. Eine “dunkle Gestalt”. Und soll “in einem Loch verschwinden, aus dem ich rausgekrochen bin”. Ich bin ein “Sozialschädling”. Und “bekloppt”. Sie kennen die Gründe für diese Bezeichnungen.
Es ist beinahe ein Wunder, dass an diesem Tag im Festsaal des Erfurter Rathauses tatsächlich so kritische Stimmen zu Wort kamen – dafür muss man den Veranstaltern danken. Conrad nahm kein Blatt vor den Mund, thematisierte eine Spaltung der Gesellschaft, die „über das Thema Corona hinaus“ gehe. „Haben Sie nicht auch den Eindruck, irgendetwas stimmt nicht in unserem Land?“, fragte sie in die Runde. Im Hinblick auf Corona war das Schockierendste für sie nicht, dass es passiert ist – sondern wie dazu geschwiegen wurde (und wird).
Aber hier geht es nicht um mich. Hier geht es um die Gesellschaft. Das Miteinander. Und wie wir miteinander umgehen. Vor allem aber geht es um die Kunst – als Spiegel der Gesellschaft. Sie sollte hinweisen und warnen, wenn sich eine Gemeinschaft voneinander entfernt. Doch sie war still. Das Schweigen war lauter als die Schreie der gebärenden Frauen unter FFP2-Masken. Das Schweigen war lauter, als die hungernden Menschen auf den Straßen, die vor verschlossenen Essensausgaben standen. Das Schweigen war lauter als die Warteschlangen an kalten Regentagen vor den Krankenhäusern oder die Menschen, die im Winter zu Gottesdiensten vor den Kirchen auf kalten Steinen knieten. Das Schweigen war lauter, als die Unruhe der Kinder, die im Kölner Dom auf ihre Spritze warteten. Das Schweigen war lauter als die Rufe der Menschen, die alleine hinter Plexiglas in ihren Betten starben.
Sie hält die Kunst, das gemeinsame Erleben und die Nähe zueinander für unabdingbar, damit die Menschen wieder zueinander finden und sich – trotz unterschiedlicher Haltungen – austauschen können. Also genau das, was in der sogenannten Pandemie verboten wurde.
Die Künstlerin, die auch bei der #allesdichtmachen-Folgeaktion „Alles auf den Tisch“ mitwirkte und im Rahmen dessen mit Prof. Dr. Martin Haditsch kritische Fragen erörterte, stellte fest, dass sie nicht gekommen sei, um zu gefallen, und auch nicht für Applaus. Sie wolle nicht polarisieren, sondern das geschehe von ganz allein, weil sie benenne, dass etwas falsch läuft in Deutschland. „Natürlich ist das meine Ansicht. Sie dürfen gerne eine andere haben. Doch meine bekommen Sie nicht. Und ich werde sie auch nicht ändern, wenn sie Ihnen missfällt“, sagte sie.
Applaus bekam Conrad trotzdem, vor Ort, aber auch in den sozialen Netzen. Sie hat mir ihrer Rede zahlreichen Bürgern, die entrechtet und ausgegrenzt wurden, eine Stimme gegeben – und verdeutlicht, dass der von der Politik und ihren Handlangern angerichtete Schaden sich keineswegs nur auf die Corona-Jahre begrenzen lässt.
Dass sich darüber auch Personen empörten – beispielsweise ein Grünen-Politiker, der an diesem Tag im Publikum saß – hatte sie sicherlich erwartet. Politisch Verantwortliche, Mainstream-Journalisten und die obersten Spalter in der Bevölkerung reagieren bis heute auffallend allergisch darauf, wenn das Unrecht der Corona-Jahre offen angesprochen wird. Umso wichtiger ist es da, dass ihnen immer wieder vor Augen geführt wird, was sie angerichtet haben. In der Hoffnung, dass eine Aufarbeitung verhindern kann, dass diese Verbrechen beliebig wiederholt werden können.
Conrads Rede können Sie im folgenden Video hören – in diesem Video sind zudem die Reaktionen der Anwesenden zu sehen.