Auf der einen Seite wundert man sich, warum die Spermienqualität der Männer immer weiter absinkt. Doch auf der anderen Seite verseuchen wir unsere Umwelt mit Chemikalien und sich zersetzendem Plastik. Nun haben Forscher Mikroplastik sogar in menschlichen Hoden gefunden – und stellen eine Verbindung her.
In den letzten Jahren haben Wissenschaftler anhand von Forschungen festgestellt, dass die Aufnahme von Mikroplastik das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle, sowie von Demenz und Parkinson erhöhen kann. Doch die negativen gesundheitlichen Auswirkungen betreffen nicht nur Herz, Gefäße und das Gehirn. Offensichtlich sind auch die männlichen Reproduktionsorgane davon betroffen.
Nachdem Forscher bereits vor einem „Spermageddon“ warnten, weil die Zahl und die Qualität der Spermien immer weiter abnehmen, zeigt eine neue Untersuchung, dass auch die Verseuchung unseres Planeten mit Mikroplastik mit dazu beitragen könnte. Denn zum ersten Mal wurden hohe Mengen dieser winzigen Kunststoffpartikel auch in den menschlichen Hoden nachgewiesen – und ebenso (wenngleich in geringeren Mengen) in jenen von Hunden.
Ein Forscherteam der University of New Mexico (UNM) untersuchte Hodengewebeproben von Menschen und Hunden und stellte fest, dass diese mikroskopisch kleinen Plastikteilchen in jeder Probe vorhanden waren. Die menschlichen Proben wurden vom New Mexico Office of the Medical Investigator bereitgestellt, das Gewebe während Autopsien sammelt, und die Hundeproben stammten aus Tierheimen der Stadt Albuquerque und privaten Tierkliniken, die Tiere kastrieren und sterilisieren.
Die Forscher hatten nicht erwartet, Mikroplastik im Fortpflanzungssystem zu finden – zumindest nicht in diesem Ausmaß. „Als ich die ersten Ergebnisse für Hunde erhielt, war ich überrascht“, sagte Dr. Xiaozhong Yu, Professor am UNM College of Nursing und leitender Forscher, in einer Pressemitteilung. „Ich war noch überraschter, als ich die Ergebnisse für Menschen erhielt.“
Das Forschungsteam fand in den menschlichen Proben fast dreimal so viel Mikroplastik wie in den Hundeproben. In den Hundeproben gab es 122,63 Mikrogramm Mikroplastik pro Gramm Gewebe und in den menschlichen Proben 329,44 Mikrogramm pro Gramm. Demnach wurden 12 Arten von Mikroplastik in 47 Hundeproben und 23 menschlichen Proben gefunden. Das am häufigsten vorkommende Polymer in beiden Gewebearten war Polyethylen (PE), das zur Herstellung von Plastiktüten und -flaschen verwendet wird. Das nächsthäufigste Polymer bei Hunden war PVC, das oft in verschiedenen Arten von Sanitäranlagen verwendet wird.
Dr. Yu und sein Team glauben, dass der Gehalt an Mikroplastik mit reproduktiven Problemen korrelieren könnte. Das Team bestimmte die Spermienzahl in den Hundeproben und stellte fest, dass je höher der PVC-Gehalt im Gewebe war, desto niedriger war die Spermienzahl. Diese Korrelation wurde jedoch nicht bei der Konzentration von PE im Gewebe gefunden. „Das Plastik macht einen Unterschied – die Art des Plastiks könnte mit der potenziellen Funktion in Zusammenhang stehen“, sagte Dr. Yu. „PVC kann viele Chemikalien freisetzen, die die Spermatogenese beeinträchtigen und es enthält Chemikalien, die endokrine Störungen verursachen.“
Damit wird allerdings auch deutlich, dass die anhaltende Umweltverschmutzung durch Kunststoffe die menschliche und die tierische Gesundheit stärker schädigt als bislang gedacht. Zudem stellt sich die Frage, ob es in den weiblichen Reproduktionsorganen – insbesondere in den Eierstöcken – ebenfalls so hohe Konzentrationen dieser Chemikalien gibt.