Angesichts der geleerten Diesel-Lager und der Wintersaison sind die Europäer besonders auf russischen Diesel angewiesen. Die EU und Großbritannien zusammen sind wichtige Importeure des russischen Destillats. Doch im Februar werden die Sanktionen in Kraft treten. Was dann?
Weil die Europäer die aktuelle Heizsaison noch irgendwie heil überstehen wollen und die Diesel-Lager niedrige Füllstände aufweisen, tritt das totale Embargo gegen russische Öldestillate wie Benzin und Diesel erst am 5. Februar in Kraft. Denn Diesel wird als Heizöl weiterhin von nicht wenigen Haushalten verwendet und dient ebenfalls der Befeuerung von Generatoren zur Stromerzeugung. Der Diesel aus Russland spielt bei den Importen über See weiterhin eine wichtige Rolle für die Europäer.
In einem Bloomberg-Bericht, der sich auf die Daten von Vortexa beruft, heißt es, dass 600.000 der 1,34 Millionen Barrel pro Tag (bpd) an Dieselimporten zwischen 1. und 24. November aus Russland kamen. Das entspricht einem Anteil von 45 Prozent. Ob da die (eigentlich illegalen) Schiff-zu-Schiff-Importe der Briten mit einkalkuliert wurden, ist nicht klar. Was allerdings klar ist, ist folgender Umstand: Nach dem 5. Februar werden die Europäer und die Briten mehr als 500.000 bpd Diesel aus anderen Ländern importieren müssen. Das heißt, sie werden mit dem Rest der Welt um die Diesellieferungen streiten müssen. Denn Russland ist einer der wichtigsten Dieselproduzenten und es gibt weltweit nicht genügend Kapazitäten bei den Raffinierien, um einen solchen Ausfall zu kompensieren.
Es sei daran erinnert, dass die OPEC+ erst kürzlich eine Reduktion der Ölfördermenge um bis zu zwei Millionen bpd beschlossen hat. Russland produziert ohnehin schon weniger als eigentlich laut den Kartellregeln erlaubt. Doch um das Ganze etwas in Relation zu setzen: Russland fördert derzeit etwa zehn Millionen bpd Erdöl, Saudi-Arabien elf Millionen bpd. Sieben von diesen zehn Millionen bpd können die Russen in den eigenen Raffinerien bei Volllast verarbeiten, doch bereits Anfang des Jahres lag das Produktionsvolumen um 900.000 bpd unter dem maximal Möglichen. Und nicht nur das: Anfang des Jahres importierten die Europäer noch etwa 800.000 bpd an Diesel/Gasöl aus Russland bei einem gesamten Importvolumen von (je nach Jahreszeit) 1,5 bis 2,0 Millionen bpd. Diese Lücke von etwa 300.000 bpd macht sich derzeit bei den Lagerbeständen auch bemerkbar.
Zwar werden laut der Internationalen Energieagentur (IEA) weitere Raffinerien gebaut, doch die russischen Lieferungen zu ersetzen wird nicht leicht. Wobei die erhöhten chinesischen Kapazitäten es möglich machen würden, russisches Öl zu verarbeiten und dann die Destillate zu exportieren. Doch damit würden die Europäer vor allem die chinesische Position stärken. Ist das so beabsichtigt?