Eigentlich sollte die Lieferung von Erdgas nach Deutschland über Nordstream 1 am 22. Juli wieder aufgenommen werden. Doch Gazprom erklärte „Höhere Gewalt“ durch fehlende Turbinen. Wann wieder Gas fließen wird, weiß niemand.
Die Deutschen müssen sich wohl im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen. Denn nur wenige Tage vor dem 22. Juli, dem Tag an dem die Wartungsarbeiten bei Nordstream 1 abgeschlossen sein sollten, hat der russische Energieriese Gazprom gegenüber einem großen Kunden bereits „Höhere Gewalt“ erklärt. Grund dafür sei die wegen der Sanktionen in Kanada festgesteckte Turbine, die für die Kompression des Gases durch die Pipeline essentiell ist.
Simpel ausgedrückt, hat Gazprom außergewöhnliche und extreme Umstände erklärt, um sich selbst von allen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber diesem Kunden zu entbinden, so dass das Gas auf unbestimmte Zeit nicht mehr fließen wird, wie Reuters am Montag in einer Eilmeldung berichtet: „Der russische Gasexportmonopolist Gazprom hat die Gaslieferungen nach Europa an mindestens einen Großkunden ab dem 14. Juni für höhere Gewalt erklärt, wie aus dem von Reuters eingesehenen Schreiben hervorgeht.“ Das Schreiben ist auf den 14. Juli datiert. „Darin heißt es, dass die Maßnahme der höheren Gewalt – eine Klausel, auf die man sich beruft, wenn ein Unternehmen von etwas betroffen ist, das sich seiner Kontrolle entzieht – für Lieferungen ab dem 14. Juni gilt“, schreibt Reuters.
Zwar hat Kanada die Turbine mittlerweile freigegeben, nachdem die Europäer Druck gemacht hatten, doch die Verzögerung der Lieferung macht sich bemerkbar. Und bei Gazprom bzw. im Kreml allgemein, scheint man auch keine Eile damit zu haben, die Pipeline so rasch wieder in Betrieb zu nehmen. Sozusagen eine kleine Stichelei als „Dankeschön“ dafür, dass die Europäer (und vor allem die Deutschen) Russland mit so vielen Sanktionen überhäufen, dass das Land mittlerweile sogar die Weltrangliste anführt.
Für die Deutschen, deren Gaslagerstätten nicht einmal ansatzweise ausreichend gefüllt sind, um durch den Winter zu kommen, sind dies sehr schlechte Nachrichten. Vor allem auch deshalb, weil es unklar ist, wann Gazprom den Betrieb der Pipeline wieder aufnimmt. Zwar könnte die Europäische Union die Sanktionen gegen Nordstream 2 aufheben und so die bereits voll betriebsfähige Parallel-Pipeline mit Gas füllen lassen – doch das ist vor allem politisch nicht gewollt. Berlin und Brüssel riskieren dafür lieber den totalen Wirtschaftszusammenbruch und den Kollaps der deutschen Industrie.
Frei nach „Game of Thrones“ könnte man nun mit „Winter is coming“ warnen…