Quasi unbemerkt von der Weltöffentlichkeit hat die Türkei eine neue Invasion in die autonome kurdische Region im Nordirak gestartet. Doch der große mediale Aufschrei wie bei der Ukraine-Invasion Russlands bleibt aus. Die Türkei ist immerhin ein NATO-Staat.
Die türkische Invasion in Irakisch-Kurdistan begann Medienberichten zufolge in der Nacht zum Sonntag mit dem Beschuss von Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Metina-Gebirge durch Hubschrauber, Drohnen und Jets. Verteidigungsminister Hulusi Akar kündigte die Operation „Claw Lock“ als jüngste Phase der militärischen Intervention Ankaras gegen die kurdische separatistische Miliz an und erklärte, dass alle ursprünglichen Ziele erreicht worden seien.
Bunker, Höhlen, Tunnel, Munitionsdepots und Hauptquartiere der PKK seien getroffen worden, und die Kommandos seien „auf dem Landweg“ in die Region eingedrungen. Akar fügte hinzu: „Unser Kampf wird weitergehen, bis der letzte Terrorist neutralisiert ist.“
Das Verteidigungsministerium erklärte, die Invasion erfolge in Abstimmung mit „Freunden und Verbündeten“, ohne dies näher zu erläutern. Im Grunde genommen bedeutet dies jedoch wohl nur, dass Washington und das NATO-Hauptquartier in Brüssel ihren Segen dazu gegeben haben, obwohl ein solcher Angriff auf ein souveränes Nachbarland gemäß dem Völkerrecht als verbotener Angriffskrieg gilt. Zum Vergleich: Dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ging die Anerkennung der beiden „Volksrepubliken“ in Donezk und Luhansk voraus, die in den Tagen zuvor massivst unter Artilleriebeschuss seitens der Ukrainer gerieten.
Die türkischen Streitkräfte sind Berichten zufolge vor Ort auf erbitterten Widerstand gestoßen. Nach PKK-Angaben wurden in der Nacht mindestens acht türkische Soldaten getötet, während Versuche, Truppen in der Brindaran-Höhle im Zap-Gebirge zu landen, abgewehrt wurden. In einer Erklärung warnte der Kurdische Nationalkongress (KNK), ein Dachverband, dem auch die PKK angehört, dass die neue Offensive „eine ernste Bedrohung für die gesamte Region und die Einheit der Kurden in allen Teilen Kurdistans“ darstelle.
Die Operation war den Berichten zufolge auch vom PKK-Geheimdienst vorhergesagt worden, der im März davor gewarnt hatte, dass für den 15. April eine türkische Invasion mit Unterstützung der in der Region dominierenden Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) geplant sei.
Am vergangenen Freitag traf der irakisch-kurdische Ministerpräsident Masrour Barzani mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Istanbul zusammen, und es wird vermutet, dass sie die Invasionspläne besprachen. Barzani wurde auch gebeten, Gespräche zwischen der Türkei und dem Irak über ein Abkommen über den Export von Erdgas zu erleichtern.