Erst vor wenigen Tagen haben die Führer von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten die Anrufe aus dem Weißen Haus abgelehnt. Nun scheint Riadh einen Deal mit Peking vorzubereiten. Dieser könnte dem Petrodollar einen Schlag versetzen.
US-Präsident Joe Biden wollte vor einigen Tagen die Führer Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) anrufen, um mit ihnen über die Stabilisierung des Ölpreises zu sprechen. Doch die arabischen Herrscher waren für den aktuellen Okkupanten des Weißen Hauses nicht zu sprechen. Denn dieser hat es sich mit ihnen in Bezug auf den Jemen-Krieg und die Gespräche mit dem Iran etwas verscherzt, wie das Wall Street Journal (WSJ) damals berichtete. Zu den Problemen gehören die Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran, die fehlende Unterstützung der USA für die saudische Intervention im jemenitischen Bürgerkrieg und die Weigerung des Landes, die Houthis auf die Liste der terroristischen Gruppen zu setzen, die Unterstützung der USA für das saudische zivile Atomprogramm und die juristische Immunität von Prinz Mohammed, der wegen der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi durch ein saudisches Killerkommando in seinem Istanbuler Konsulat vor vier Jahren mit Anklagen konfrontiert ist.
Die allgemeine Unzufriedenheit der Araber mit den Amerikanern geht jedoch noch weiter. Seit Jahren versucht Peking mit Saudi-Arabien einen Weg zu finden, Öl nicht mehr nur für US-Dollars, sondern für Yuan zu kaufen. Diese Gespräche fruchten nun wohl, wie das Wall Street Journal berichtet. China kauft nämlich mehr als 25 Prozent des Öls, das Saudi-Arabien exportiert. Würden diese Verkäufe in Yuan abgewickelt, würde dies den Wert der chinesischen Währung selbstverständlich erhöhen. Die Saudis erwägen auch die Aufnahme von auf Yuan lautenden Terminkontrakten, dem so genannten Petroyuan, in das Preismodell der Saudi Arabian Oil Co, bekannt als Aramco. Das staatliche saudische Ölunternehmen ist das größte der Welt.
Wie selbst das WSJ einräumt, würde ein Wechsel zu einem (Petro-)Yuan-System „für Saudi-Arabien eine tiefgreifende Umstellung bedeuten, wenn es auch nur einen Teil seiner Rohölexporte von rund 6,2 Millionen Barrel pro Tag in etwas anderem als Dollar bepreisen würde“, da der Großteil der weltweiten Ölverkäufe – rund 80 Prozent – in Dollar abgewickelt wird und die Saudis seit 1974 im Rahmen einer Vereinbarung mit der Nixon-Regierung, die Sicherheitsgarantien für das Königreich beinhaltete, Öl ausschließlich in Dollar gehandelt haben. Es scheint, dass die Saudis sich nicht mehr viel aus den „Sicherheitsgarantien“ der USA machen und stattdessen ihre Loyalität zu China wechseln.
Zur Erinnerung: Im März 2018 führte China im Rahmen seiner Bemühungen, seine Währung weltweit handelbar zu machen, Ölverträge mit Yuan-Preisen ein, die jedoch nichts an der Dominanz des Dollars auf dem Ölmarkt ändern konnten, vor allem weil der US-Dollar die bevorzugte Währung für Ölexporteure blieb. Doch die Verwendung des Dollars ist für China zu einer Gefahr geworden, die durch die US-Sanktionen gegen den Iran wegen seines Atomprogramms und gegen Russland als Reaktion auf die Invasion in der Ukraine noch verstärkt wurde. Der heutige historische Wechsel ist nicht gerade eine Überraschung: China hat in den letzten Jahren sein Werben um das saudische Königreich verstärkt, indem es Saudi-Arabien beim Bau eigener ballistischer Raketen unterstützte, beim Atomprogramm beriet und in Lieblingsprojekte des Kronprinzen Mohammed bin Salman investierte, wie z. B. Neom, eine futuristische neue Stadt.
Sollte sich die Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und China entsprechend ausweiten und sollten noch andere Länder mitziehen, von denen die Volksrepublik ihr Erdöl (und Erdgas) bezieht, gerät das aktuelle auf dem US-Dollar basierende globale Finanzsystem sukzessive ins Wanken. Dies, nachdem mit dem Ausschluss Russlands aus SWIFT ohnehin schon eine tektonische Plattenverschiebung in diesem Bereich stattgefunden hat. Wir erleben eine faktische Selbstdemontage der westlichen Finanzdominanz, die ein wesentlich pluralistischeres System ermöglicht. Wobei hier insbesondere die globale Handelsmacht China eine große Rolle spielt.
Allerdings stellt sich dann die Frage, wie die Vereinigten Staaten ihre exorbitanten jährlichen Haushaltsdefizite überhaupt noch finanzieren wollen, wenn die Nachfrage nach den Schuldtiteln deutlich sinkt. Die globale militärische Ausdehnung und der gewaltige teure Militärapparat können nämlich nur so finanziert werden. Außer Washington setzt auf eine Finanzierung durch die Notenpresse, was jedoch den Außenwert des US-Dollars stark unter Druck setzen würde. Dies würde dann zu einer Kettenreaktion führen: Bestehende Staatsanleihen verlieren massiv an realem Wert (Zinsen deutlich niedriger als die Inflation), neue Anleihen müssten deutlich höher verzinst werden als bisher und über kurz oder lang versänken die Vereinigten Staaten in einer Phase der Hyperinflation und würden eine komplette Verwerfung des westlichen Finanzsystems erzeugen. Kann sich das Washington leisten, oder werden die Amerikaner den Druck auf Saudi-Arabien massiv erhöhen?