Die deutsche Sängerin, Songwriterin und Musikproduzentin Julia Neigel hatte Ende letzten Jahres schon beim „Talk im Hangar 7“ bei Servus TV scharf gegen den Impfzwang geschossen. In einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ vom 6. Februar fand sie nun abermals deutliche Worte für die deutsche Corona-Politik und deren Auswirkungen nicht nur auf die Veranstaltungsbranche, sondern auch auf die Gesellschaft.
Im Interview beschreibt Neigel eindrücklich, wie die Kulturbranche unter den politischen Maßnahmen gelitten hat. Man habe anfänglich noch Verständnis gehabt, im ersten Lockdown mit der Arbeit auszusetzen – doch die stetigen falschen Versprechungen der Politik kritisiert die Sängerin scharf. Der Lockdown, der angeblich nur „wenige Monate“ andauern sollte, dauere nun schon quasi zwei Jahre an – ohne Perspektive für die Zukunft.
Im Jahr 2020 habe es in den meisten Bundesländern bis Jahresende kaum oder gar keine Hilfen für Künstler gegeben, die durch die Maßnahmen gewissermaßen unter Berufsverbot standen. Neigel erläutert:
Uns wurde entweder empfohlen, die Instrumente zu verkaufen oder sich in Hartz IV einzugliedern. Hartz IV ist aber das falsche Programm für Kreativschaffende, es sind Selbstständige. Diese Behördenkonflikte liefen unter dem Radar der Öffentlichkeit, die ja aufgrund politischer Versprechen davon ausging, dass die Kulturbranche aufgefangen würde. Wir haben über zwei Millionen Freischaffende in der Kulturbranche, wir sind zahlenmäßig größer verortet als die Autoindustrie und ein umsatzstarker Wirtschaftszweig. Die Kulturbranche wurde 2020, 2021 systematisch zerstört, und das scheint nicht abzureißen.
Suizide unter Künstlern
Die Sängerin berichtet, dass sie im Sommer 2020 als Sachverständige in den Bundestag eingeladen worden sei, wo sie die Folgen der Lockdown-Politik für die Branche erläuterte. Dabei war sie auch auf Suizide unter Künstlern eingegangen. Allein aus der Region, in der sie wohnt, habe sie Kenntnis von zwölf Menschen, die sich umgebracht hätten. Sie führt aus:
Es sind sicher noch viele mehr. Menschen, die sich aus purer Verzweiflung das Leben genommen haben, weil sie wirtschaftlich vor dem Aus standen. Ich habe dargelegt, was es für uns Kulturschaffende bedeutet, praktisch einem Berufsverbot ausgesetzt zu sein, wenn es auf der anderen Seite aber keine Entschädigung gibt. Einige Verantwortliche, die jeden Monat eine üppige Diät erhalten, können sich scheinbar nicht vorstellen, wie Menschen ohne Einnahmen ein dreiviertel Jahr überleben sollen.
Die Hilfen, die schließlich ausgezahlt wurden, werden von den Finanzämtern nun teilweise wieder zurückgefordert. Wirklich erholen konnte die Branche sich nie: Im Sommer 2021 seien zwar wieder Konzerte möglich gewesen, doch die Verhängung der 2G-Regelungen habe zu großem Unmut unter Künstlern geführt, die nun gesunde, negativ getestete Personen von ihren Veranstaltungen ausschließen mussten. Die von der Politik versprochenen Zuschüsse wurden nun nur noch gezahlt, wenn Auftritte unter 2G-Bedingungen stattfanden. Sagte man Konzerte, die für 3G beworben waren, ab, gab es keinen Zuschuss. Neigel hält fest: „Das ist Erpressung.“
Politisch motivierter Impfzwang
Die Sängerin kritisiert die deutsche Corona-Politik mit ihren stark restriktiven Maßnahmen aufs Schärfste:
Sie sind medizinisch nicht logisch und sie benachteiligen viele Menschen. Ich halte die aktuellen Grundrechtseinschränkungen für widersprüchlich und unangemessen, auch mit dem Blick nach Dänemark, Schweiz, Finnland, England etc. In diesen Ländern gibt es auch demokratisch legitimierte Regierungen, die ihre Bevölkerung schützen. Trotzdem lassen sie das kulturelle Leben am Leben. Es geht wohl eher um politisch motivierten Impfzwang und nicht mehr um vernünftige Entscheidungen zum Wohl der Gesellschaft.
Bei Servus TV hatte Julia Neigel sich bereits im Dezember deutlich gegen die Impfpflicht ausgesprochen. Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen wiederholt sie ihren Standpunkt und weist auf die persönliche Unversehrtheit und die körperliche Integrität als „unantastbares Menschenrecht“ hin.
Mit ihrem Schlusswort dürfte sie vielen Menschen aus der Seele sprechen – darin kritisiert sie nicht nur die massive Einschränkung von Grundrechten, sondern auch die stetige Diffamierung von Kritikern der Corona-Politik:
Corona wurde beinahe fanatisch politisiert und mit dabei dialektischer Eristik agiert. Sachlich über Grundrechte, Menschenrechte oder die Fakten zu reden war beinahe unmöglich. Wenn sich jemand ansatzweise kritisch äußerte oder Fragen stellte, wurde diese Person diffamiert, obwohl sie die Wahrheit sagte. In einer Umfrage zeigte sich das Ergebnis dieser Einschüchterungsmethodik: Die Mehrheit der Deutschen traute sich nicht mehr, öffentlich die eigene Meinung zu sagen. Deshalb gibt es viele Menschen in der Kulturbranche, die Angst davor haben, sich zu äußern. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Wenn wir nicht aufpassen, verschwindet die Kultur und Meinungsvielfalt mit dazu. Die Kultur ist ein wichtiger, ausgleichender Faktor für die mentale Gesundheit einer Gesellschaft, sowohl psychologisch als auch sozialgesellschaftlich. Sie hat eine wichtige Reflexionsaufgabe innerhalb der Gesellschaft und vereint Menschen. Was da in den vergangenen beiden Jahren an Kollateralschaden unter massiver Einschränkung unser aller Grundrechte für Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt wurde – vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern –, diese Restriktionen sind nicht tragbar und müssen beendet werden. Ich hätte nie gedacht, dass uns Künstlern, aber auch der Gesellschaft in Deutschland in einer Demokratie so etwas passieren könnte.