Forschen für Politik und Profit: Die wahren Wissenschaftsfeinde sind die Wissenschaftler selbst

Bild: R24

Kritische Geister mussten sich in den letzten Jahren immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, sie wären „wissenschaftsfeindlich“. Gibt es Wissenschaftsfeinde überhaupt? Dieser Frage gingen Elisabeth Paul und ihre Mitautoren in einem Beitrag in „Public Health in Practice“ nach. Die schlimmsten Feinde der Wissenschaft sind demnach die Wissenschaftler selbst, die ihre Aussagen als in Stein gemeißelte Fakten darstellen. Illustriert wird das im Beitrag am Beispiel der Covid-Impfungen. Die Schlussfolgerung: Die Unabhängigkeit der Wissenschaft sollte zwar oberstes Gebot sein, doch der allgegenwärtige Einfluss von politischer Berechnung, Industrieinteressen und Korruption im Gesundheitswesen und in der Medizin ist offensichtlich zu stark…

Presseaussendung der GGI-Initiative:

Wissenschaftsfeinde: Gibt es sie wirklich?

Gibt es die Feinde der Wissenschaft? Laut einem neuen wissenschaftlichen Beitrag ist die Antwort: Ja. Und sie stammen aus der Wissenschaft selbst. Der Beitrag von Paul E et al. Who is “anti-science”? gibt Einblick in die Anti-Wissenschaft und erläutert die Merkmale. Die Schlussfolgerung erweitern wir dahingehend, dass die propagandistischen Umtriebe von sogenannten Expertinnen und Experten diese als die wahren Feinde der Wissenschaft entlarvt. Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Punkte des Beitrags zusammen.

Motivation

Während und nach der Maßnahmenkrise von 2020 bis 2023 kursierten viele Vorwürfe, Unterstellungen und Kampfbegriffe. Institutionen wie die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und das Institut für Höhere Studien (IHS) stellten dabei auf Skepsis oder gar Feindseligkeit gegenüber der Wissenschaft ab. Die Grünen für Grundrechte und Informationsfreiheit haben in mehreren Aussendungen den propagandistischen Charakter dieser Zuschreibungen aufgezeigt.

Zum Thema Konsens in Wissenschaft und Forschung haben wir aufgezeigt, welche Fallstricke in dieser Annahme lauern und wie er im Lauf der Geschichte instrumentalisiert und missbraucht wurde. [1] Im Kapitel zur Wissenschaftsskepsis der Aufarbeitungsstudie der ÖAW konnten entsprechende Unterstellungen gegen Kritikerinnen und Kritiker der Corona-Maßnahmen nur mit leicht durchschaubaren Rhetorik-Mitteln konstruiert werden. [2] Die Analyse einer IHS-Studie zum gleichen Thema hat gezeigt, dass der Begriff des Gegenkonsenses ein Haltet-den-Dieb Manöver ist – tatsächlich stand die Befürwortung der Corona-Maßnahmen dem Stand der Forschung diametral entgegen und wurde nie durch ernsthafte neue Erkenntnisse untermauert. [3]

Ist Wissenschaft so einfach?

Während der ganzen Zeit stellte sich aber immer die Frage, ob Wissenschaftsfeinde wirklich nur Einbildung sind oder ob es sie tatsächlich gibt. Aufschluss liefert dazu ein interessanter neuer Beitrag von Paul et al. [4] Darin geht das Autorenteam jener Frage nach, ob es anti-science gibt und wenn ja, wer sie zur Schau stellt.

Zunächst erinnern sie daran, dass Wissenschaft kein trivialer oder einfach zu erfassender Prozess ist. In der Epistemologie – der Lehre über die Entstehung von Erkenntnissen, auch als Erkenntnistheorie bekannt – geht man davon aus, dass jede wissenschaftliche Disziplin in ihren jeweiligen sozialen Kontext eingebettet ist. Das hat Einfluss darauf, welche Fragen bearbeitet werden und welche Antworten aus Forschungsergebnissen entstehen.

Der Gewinn wissenschaftlicher Erkenntnisse umfasst vier eng miteinander verbundene Dimensionen: Epistemologie (Beziehung zu Beweisen), Methoden (Werkzeuge zur Datenerfassung), Ontologie (Natur der Welt und mögliche Manipulation von Objekten) und Teleologie (Zweck der Forschung). Daher gibt es keine einheitliche Sichtweise auf die Welt, sondern eine Vielzahl von Paradigmen, die die Komplexität und Verflechtung dieser vier Dimensionen widerspiegeln.

Die Motivation zum Missbrauch des Begriffs “Wissenschaft” ist im Allgemeinen hoch. Das Autorenteam kritisiert diese Aneignung des Wissenschaftsbegriffs durch Scheinexperten:

Beunruhigend ist, dass der Begriff „Wissenschaft“ oft ausgenutzt wird, wenn er Profit für diverse Branchen bedeutet, während eine Vielzahl anderer wichtiger Erkenntnisse – etwa zu sozialen oder wirtschaftlichen Determinanten der Gesundheit – bequem ignoriert werden. Dabei ist es entscheidend, die Dynamiken zu verstehen, mit denen Wissen sozial konstruiert und genutzt wird. Denn gesundheitsbezogene Maßnahmen und das, was als Wissenschaft gilt, können oft durch Kombinationen bevorzugter wissenschaftlicher Praktiken, Eigeninteressen, Politik, lauter Stimmen oder – was unser unmittelbares Anliegen betrifft – durch ideelle Hegemonien beeinflusst werden, die einen breiteren Dialog zum Erkenntnisgewinn verhindern.

Ein großer Teil des Beitrags bezieht sich auf die Corona-Injektionen, besonders auf die modRNA-basierten. Nachfolgend fassen wir die fünf Punkte dieses Teils zusammen.

  1. Der Unterschied zwischen absoluter und relativer Risikodifferenz wurde nie thematisiert, obwohl höchst relevant.
  2. Die Beobachtungszeiträume, um eine allfällige Wirkung festzustellen, waren über alle Arten von Studien unangemessen kurz.
  3. Das Aufkommen von schweren Nebenwirkungen ist deutlich höher als amtlich zugegeben und hätte in eine Nutzen-Schaden-Abwägung jedenfalls einfließen müssen.
  4. Die Vernachlässigung von Stratifizierung hat lange verdeckt, dass dieses Verhältnis für junge Menschen stark negativ ist.
  5. Die Sterblichkeit als bedeutender Endpunkt wurde in das Design der klinischen Studien nicht aufgenommen, diesbezügliche Negativ- oder Nullergebnisse wurden der Öffentlichkeit nicht kommuniziert.

Schlussfolgerung

Die Schlussfolgerung im Beitrag ist unmissverständlich.

Durch den Versuch, die „Wissenschaft“ – die per Definition Zweifel und Komplexität erforscht und sich ständig weiterentwickelt – auf einfache, in Stein gemeißelte Botschaften zu reduzieren, können Wissenschaftler zu den schlimmsten Feinden der Wissenschaft werden.

Wir und andere haben es immer schon geahnt, nun haben wir es ausformuliert bekommen: Ja, es gibt Wissenschaftsfeindlichkeit. Und deren Vertreterinnen und Vertreter entstammen gerade der Wissenschaft selbst.

Und sie sind in jenen von uns kritisierten Institutionen angesiedelt. Die Wiederholung einfacher Botschaften, die Vereinnahmung der Öffentlichkeit, die Hasstiraden gegen bzw. Zensur von unbescholtenen Kritikerinnen und Kritikern – all das hat die propagandistische Intention der politikhörigen sog. Expertinnen und Experten offengelegt.

Wir, die Grünen für Grundrechte und Informationsfreiheit, setzen uns für eine unabhängige, hehre Wissenschaft ein, deren Vertreterinnen und Vertretern wieder vertraut werden kann.

Quellenangaben

[1] Anonym. Konsens in der Wissenschaft – Ideal oder Fallstrick? Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit, 2023. online: https://ggi-initiative.at/wp/pm-59-konsens-in-der-wissenschaft-ideal-oder-fallstrick

[2] Anonym. Corona-Aufarbeitung: Feindbild Wissenschaftsskepsis. Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit, 2024. online: https://ggi-initiative.at/wp/pm-87-corona-aufarbeitung-feindbild-wissenschaftsskepsis

[3] Anonym. Corona-Aufarbeitung unerwünscht – IHS-Propaganda als Studie getarnt. TKP, 2023. online: https://tkp.at/2023/10/09/corona-aufarbeitung-unerwuenscht-ihs-propaganda-als-studie-getarnt

[4] Paul E et al. Who is “anti-science”? Public Health in Practice 7, 100493, 2024. DOI: https://doi.org/10.1016/j.puhip.2024.100493

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