Libertär und unbequem – Stellt Javier Milei Argentinien auf den Kopf?

Bild J. Milei: Screenshot via La Libertad Avanza / www.youtube.com/watch?v=cEFPonj3UrY

Manche vergleichen ihn mit Donald Trump, andere mit Ron Paul. Javier Milei, der die Vorwahlen für die Präsidentschaft in Argentinien für sich gewinnen konnte, will das von Wirtschafts- und Finanzkrisen gebeutelte Land auf einen neuen Kurs bringen – und die Zentralbank abschaffen. Sollte er im Oktober siegen, könnte dies die größte politische Umwälzung in der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas seit Jahrzehnten werden.

Seit Jahrzehnten kämpft Argentinien immer wieder mit Wirtschafts- und Finanzkrisen sowie mit Staatsbankrotten. Der Argentinische Peso verliert entsprechend ständig an Wert, zumal es in die Zentralbank als auch in die Politik des Landes kein wirkliches Vertrauen gibt. Bekam man für 1000 Peso vor einem Jahr noch 7,43 US-Dollar, waren es bis vor wenigen Tagen (nach einem stetigen Sinkflug ohne große Ausreißer) nur mehr 3,48 US-Dollar. Dann gewann der libertäre Präsidentschaftskandidat Javier Milei die Vorwahlen der am 22. Oktober stattfindenden Präsidentschaftswahlen. Das Ergebnis: Der Kurs der argentinischen Währung rutschte schlagartig auf 2,86 Dollar ab.

Der Grund dafür ist unter anderem der Umstand, dass Milei den Peso abschaffen will – und die Zentralbank des Landes gleich mit ihm. Stattdessen solle der US-Dollar übernommen werden. Während er vom Mainstream gerne als „rechtsaußen“ bezeichnet wird, sieht sich der libertäre Ökonom hingegen eher als „Anarchokapitalist“. Als der 52-Jährige seine Gegner von der größten Oppositionskoalition und dem Regierungsbündnis mit 30 Prozent der Stimmen hinter sich ließ, während deren Kandidaten lediglich auf etwa 28 bzw. 27 Prozent der Stimmen kamen, führte dies zu entsprechenden Schockwellen auf den Finanzmärkten. Der frühere Rockmusiker, der sich auch auf der Bühne wohlfühlt, konnte viele Wähler begeistern, weil er sich nicht davor scheut, die grassierende Korruption, die herrschende Klasse und die politischen Eliten des Landes anzuprangern. Als zeitweiliger Parlamentsabgeordneter scheute er sich nicht davor, lautstark seine Kritik zu äußern.

Klimawandel laut Milei „sozialistische Lüge“

Mit ein Grund, warum „die Perücke“, wie Milei wegen seiner Frisur gerne genannt wird, von den Mainstream-Medien gerne in ein schlechtes Licht gerückt wird, ist auch seine Haltung zum Klimawandel. Dieser sei eine „sozialistische Lüge“. Auch spricht er sich gegen die woke Sexualerziehung an den Schulen aus, welche ein Teil der „postmarxistischen Agenda“ sei und die Zerstörung des Konzepts der Familie zum Ziel habe. Zudem solle der Organhandel als „einfach ein weiterer Markt“ behandelt werden. Zudem tritt er für eine breite Privatisierung ein und im Falle einer Amtsübernahme werde er Ministerien schließen sowie sämtliche in diesem Jahr angeheuerte Staatsbedienstete wieder entlassen.

Sollte Milei die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewinnen, würde die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas wohl eine umfangreiche Transformation erleben. Dazu muss er entweder mindestens 45 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, oder aber mindestens 40 Prozent bei einem Vorsprung von zumindest 10 Prozentpunkten gegenüber dem zweitplatzierten Kandidaten. Sollte er es nicht schaffen, müsste er in eine Stichwahl ziehen. Doch nach all den wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten sowie dem allgemeinen Unmut in der Bevölkerung über die etablierten Parteien, hat er durchaus Chancen. Egal ob es die peronistische Mitte-Links-Koalition oder ob es das regierende Mitte-Rechts-Bündnis ist – für die einfachen Menschen hat sich kaum etwas zum Besseren gewendet. Das Versprechen des Libertären, „ein Ende für diese parasitische, korrupte und nutzlose politische Kaste, die in diesem Land existiert“ zu bringen, wirkt auf viele Menschen als ein ehrlicher Versuch, etwas zu ändern.

Sollte Milei gewinnen und mit seinem Kurs erfolgreich sein, könnte dies auch anderen Außenseiterkandidaten (in Bezug auf das politische Establishment) in weiteren Ländern einen Aufschwung bescheren. Ganz nach dem Motto, dass man bislang schon alle möglichen Varianten in der Regierung ausprobiert hat und nun einen komplett anderen Weg einschlägt. Denn wenn es keinen wirklichen Unterschied macht, ob die klassischen Mitte-Links- oder die traditionellen Mitte-Rechts-Parteien an der Macht sind, liegt der Versuch, einfach etwas Neues zu wählen, auf der Hand. Die Argentinier werden in etwa zwei Monaten zeigen, wie ernst sie es mit einem Wandel meinen.

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