Nach einem traurigen und vielerorts sehr ruhigen Jahreswechsel ins Jahr 2021 hinein, bleibt Deutschland Ähnliches für die bald anstehenden Silvester- und Neujahrstage wohl nicht erspart. Tierarzt und Chef der obersten deutschen Seuchenbehörde Lothar Wieler werde „keine Silvesterparty besuchen“, wie er am Freitag bekannt gab – womit er Pläne für den großen Befreiungsschlag für das Jahr 2022 faktisch obsolet machte. Die Begründung wie so oft: Die „hohen Inzidenzen“.
Ein Kommentar von Max Bergmann
Auch die Polizeigewerkschaften DPolG und GdP forderten ein weitläufiges Böllerverbot für ganz Deutschland und damit die Fortführung des faktischen Silvester-Verbots aus dem vergangenen Jahr. Als Begründung wird die sogenannte Pandemie angeführt, wegen derer man Sicherheitsbedenken habe. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, Rainer Wendt, sagte gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ): „Wir fordern die Kommunen auf, sogenannte Böllerverbote möglichst restriktiv auszusprechen und genügend Ordnungskräfte zur Überwachung bereitzuhalten.“ Wendt ergänzte außerdem im Hinblick auf die täglich veröffentlichten Panikzahlen: „Angesichts der steigenden Infektionszahlen durch Corona ist es ohnehin derzeit nicht angezeigt, sich in großen Gruppen zu treffen und die Risiken noch zu vergrößern.“
GdP-Chef: Feuerwerk belastet Intensivstationen
Auch die GdP äußerte sich ablehnend gegenüber einer regulären Silvester- und Neujahrsnacht mit Feuerwerk. Der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek erklärte in der „NOZ“, in den Niederlanden gebe es bereits flächendeckende Böllerverbote und verwies auf die Sicherheitslage. „Eine Entscheidung, die unter dem Aspekt der Sicherheit total nachvollziehbar und aus unserer Sicht nachahmenswert ist“, sagte Radek. In Amsterdam dürfen Bürger erneut das neue Jahr nicht mit Böllern und Raketen begrüßen, wie es sonst immer Tradition war. Schon Anfang Oktober beschloss man im Nachbarland ein vollständiges Böllerverbot und begründete dies mit den zahlreichen Verletzungen durch Knaller, Raketen und Brände, die in der Folge die Intensivstationen weiter belasten würden.
Böllerverbot ist Raub an Kultur, Traditionen und Identität
Radek beschwichtigte in der „NOZ“: „Niemand will den Menschen die Feierfreude an Silvester nehmen.“ Die GdP bevorzuge aber ein „kontrolliertes Abbrennen von Feuerwerk an zentralen Orten“, erklärte er. „Es muss ja nicht immer knallen. Eine Laser-Show mit musikalischer Untermalung ist auch eine denkbare Alternative.“ In Köln empfahl man der Bevölkerung vergangenes Jahr, zu Mitternacht einfach 5 Minuten lang zuhause das Licht immer wieder an und aus zu machen – und nannte das „größtes Lichtfeuerwerk der Welt“. Auch eine Möglichkeit der Verarschung. Mit dieser nicht nachvollziehbaren Haltung zerstört die GdP eine langjährige Tradition. In Deutschland wünscht man sich zu Silvester traditionell einen „Guten Rutsch“ und begrüßt das folgende Jahr in Gesellschaft von Familie und Freunden, meist wird gut gegessen, getrunken und gefeiert. Zu Mitternacht sind Feuerwerk und Glockenläuten nicht mehr wegzudenken. Das Feuerwerk sollte im vorchristlich-animistischen Glauben früher „böse Geister“ vertreiben, drückt aber heute auch Vorfreude auf das neue Jahr aus. Silvester wie wir es kennen ist Teil unserer Kultur und Identität, die uns im Zuge der andauernden Corona-Zwangsmaßnahmen immer mehr geraubt wird.
Verkaufsverbot von Pyrotechnik führte zu massiver Schieflage in Branche
Zum vergangenen Jahreswechsel 2020/2021 hatte es wegen der Pandemie-Zwangsmaßnahmen ein spontan erlassenes deutschlandweites Verkaufsverbot von Feuerwerk gegeben. Dies führte zu erheblichen Umsatzeinbrüchen in der Branche, zumal die Verkaufsverbote für Pyrotechnik äußerst kurzfristig und erst am 13. Dezember 2020 beschlossen und nach einer erfolglosen Klage am 28. Dezember durch das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigt wurden. „Die Behandlung der Verletzten würde somit das zurzeit ohnehin in besonderer Weise in Anspruch genommene Krankenhauspersonal zusätzlich treffen und die Behandlung der zahlreichen COVID-19-Patienten potenziell beeinträchtigen“, argumentierte das Gericht in seiner Begründung.
In Berlin waren auch Wunderkerzen verboten – könnten Intensivstationen belasten
Das Böllern auf öffentlichen und belebten Plätzen war strengstens untersagt, sämtliche öffentliche Feuerwerke wurden verboten. Ziel des Silvester-Verbots war es, Ansammlungen von Menschen auf Grund der hohen Infektionszahlen zu verhindern. Eine Begründung, die nun auch dieses Jahr erneut angeführt wird und eine Entwicklung, die abzusehen war. Schon damals war hinreichend bekannt, ein Ansteckungsrisiko an der frischen Luft bestehe kaum bis gar nicht. Feuerwerk wird üblicherweise nur an der frischen Luft und mit Abstand gezündet, meist eher nicht im heimischen Wohnzimmer. Der rot-rot-grün regierte Senat von Berlin sah sich außerdem mit Blick auf die Intensivstationen dazu gezwungen, den Berliner Bürgern sogar das Abbrennen absolut ungefährlicher Wunderkerzen zu verbieten.
Trotz Verkaufsverbot: Erfolgreicher Jahreswechsel nach Tradition durch Grenznähe
Das Ziel war also eindeutig: Die Bevölkerung soll gar nicht erst in Feierlaune geraten. Nicht verboten war vergangenes Jahr zumindest das Böllern auf privaten Grundstücken mit Restbeständen an Feuerwerk, die in Privathaushalten noch lagernd waren. Insbesondere in Grenznähe zu Polen sorgten pfiffige Berliner natürlich spontan für „zahlreich lagerndes Feuerwerk“ auf Privatgrundstücken rechtzeitig vor dem Jahreswechsel. In der Hauptstadt gab es so trotz Böllerverbot ein ansehnliches Feuerwerk zu sehen. In ländlichen und grenzfernen Gebieten Deutschlands blieb es aber meist trist und ruhig zum Jahreswechsel.
Spontan eingeführte Zwangs-Quarantäne sollte Feuerwerk-Tourismus unterbinden
Das SPD-regierte Land Brandenburg zeigte sich damals übrigens von seiner besonders autoritären Seite. Die Feuerwerk-Einkaufstouren nach Polen hatte man durch eilige Einführung einer verpflichtenden Quarantäne nach Aufenthalt in Polen schlichtweg unterbunden. Für Bürger mit Wohnsitz in Berlin galt dies aber nicht, solange die Reise nicht länger als 24 Stunden dauerte. Es entstand die paradoxe Situation, dass in direkter Grenznähe lebende Brandenburger nicht mehr folgenlos nach Polen reisen konnten, der aus dem 80km entfernten Berlin angereiste Bürger aber schon. Später argumentierte auch der Berliner Senat, Feuerwerk-Einkaufstouren seien gemäß aktueller Zwangsmaßnahmen auch für Berliner Bürger untersagt. Man verwies auf die damals geltende Ausgangssperre in Berlin, Feuerwerk in Polen einkaufen sei kein triftiger Grund, die eigene Wohnung zu verlassen. „Das Verlassen der eigenen Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft ist nur aus triftigen Gründen zulässig“, hieß es in der damals geltenden Zwangsverordnung in Berlin.
Wieler warnte bereits 2020: Silvester-Party erst, wenn genügend Menschen geimpft sind
Im Rahmen der Bundespressekonferenz in Berlin sagte Tierarzt Lothar Wieler am vergangenen Freitag, er werde dieses Jahr keine Silvester-Party besuchen. „Jeder muss sich überlegen, ob man sich in Innenräumen diesem Risiko aussetzt“, ergänzte er. Auch im Dezember 2020 rief Wieler die Bevölkerung dazu auf, alle Kontakte radikal zu reduzieren, Abstand voneinander zu halten und keine Silvester-Partys zu besuchen. Das mache über Silvester niemandem Spaß, sei aber notwendig, sagte er heute vor etwa 11 Monaten zum Jahreswechsel 2020/2021. Es werde auch noch Monate dauern, bis so viele Menschen geimpft sind, dass auch die Zirkulation des Virus in der Bevölkerung reduziert werde, so der Tierarzt und RKI-Präsident Ende 2020.
Trotz Wieler-Versprechen: Offenbar kein Silvester, bis nicht die ganze Welt geimpft ist
Derzeit haben etwa 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland mindestens eine sogenannte Impfung erhalten, 67,5 Prozent gelten als „vollständig geimpft“ und sind dem Narrativ nach „geschützt“. Unklar bleibt, warum Silvester im Hinblick auf die hohe Impfquote auch im Jahr 2021 nicht stattfinden soll und Kontakte nun erneut auf Wielers Empfehlung hin radikal reduziert werden müssen. „Lassen Sie sich bitte impfen. Reduzieren Sie Kontakte“, verlautbarte er auch in diesem Jahr zum Jahresende. Es ist davon auszugehen, dass Silvester bis zur vollständigen Durchimpfung, notfalls per Zwang, nicht mehr wiederkehren wird – und vielleicht auch dann nicht. Noch sind übrigens 6 Wochen Zeit bis zum Jahreswechsel. Genug Zeit, sich zu überlegen, wie man diesem Wahnsinn für wenigstens eine Nacht entkommen kann. Auf ein Neues im Jahr 2022 – doch kaum jemand glaubt mehr daran, dass es besser werden wird.