WEF-Vordenker Dr. Harari rätselt, was man mit all den wertlosen Menschen tun soll

Bild: EDGE, Dr. Yuval Harari

Dr. Harari beschäftigt sich intensiv mit allen Aspekten des Transhumanismus. Der Historiker und Philosoph gilt als wichtiger Vordenker des Weltwirtschaftsforums, wo er als „Agenda Contributor“ gilt. Ein Interview-Ausschnitt lässt ratlos und befremdet zurück. Denn er sagt voraus, dass das Produkt der Zukunft Menschen und ihr Bewusstsein sein werden. Dies führe zu einer Kluft zwischen den „Herstellern“ und dem Rest der Welt. Die wertlosen übrigen Menschen werden wohl mit Drogen und Computerspielen beschäftigt.

Die Selbstverständlichkeit, mit denen der Wissenschaftler seine Thesen vorbringt, ist schockierend – wirkt aber in sich sehr ehrlich. Herr Dr. Yuval Harari, fest verankert im Weltwirtschaftsforum, glaubt das, was er sagt. Er scheint seine Aussagen auch nicht als Möglichkeiten zu präsentieren. Seine Aussagen kommen als definitive Sicht der Zukunft. Das alles soll dem Planeten bevorstehen.

In Zukunft würde man sich nicht mehr mit der Herstellung von Waren und Produkten beschäftigen, sondern die Menschen selbst würden zur Ware. Es werde Hersteller geben, die ganze Menschen erschaffen, Körper und Geist. Wer diese Entwicklung verschläft, werde in einen enormen Wettbewerbsnachteil gedrängt – und „wahrscheinlich aussterben“. Ab dem Zeitpunkt, wo diese „Menschenprodukte“ angefertigt werden können, werden die heutigen Vorteile von Billiglohnländern und dort geleisteter manueller Arbeitskraft obsolet.

Und dann, so fragt Harari direkt, gibt es ein Problem mit all den sinnlosen, nutzlosen und wertlosen Menschen. Das Problem bestünde nicht in deren Ernährung, denn die Technologie der Zukunft könne beliebig viele Menschen ernähren. Es geht mehr darum, was diese sinnlosen Menschen mit ihrer Zeit anfangen sollen, da sie ja von niemandem mehr gebraucht werden.

Die wichtigste Frage der nächsten Dekade für Politik und Wirtschaft wird sein: „Was macht man mit all diesen unnützen Menschen?“

Dr. Yuval Harari

Diese Aussagen stammen aus einem Interview mit dem Magazin Edge mit dem Titel „Der Tod ist optional“, das von Daniel Kahneman geführt wurde. Es stammt aus dem Jahr 2015 und ist hier in englischer Sprache in voller Länge nachzulesen (und anzusehen). In der Bewertung von Texten ist immer der Gesamtkontext wichtig – kleine Schnipsel, die in sozialen Medien kursieren sind oftmals sehr problematisch, weil sie selektiv nur einen Teil der Wahrheit zeigen. Hinsichtlich Harari kursieren etliche solche Ausschnitte – und einer ist gruseliger als der andere.

Wir haben den oben verlinkten Teil des Interviews hier vollständig für Sie übersetzt – allerdings mit den begleitenden Interviewfragen. Wir empfinden es nicht als korrekt, diese wegzuschneiden. Unser Text ist also länger und umfangreicher als die Inhalte des Videos.

Transkript des Interview-Ausschnittes

KAHNEMAN: Was Sie hier tun in Hinblick auf Vorhersagen, dreht sich um Trends. Der Trend ist klar, was Fortschritt bedeutet, ist klar, aber wenn man Menschen als überflüssig bezeichnet, präsentiert man den Hintergrund für ein riesiges Problem. Wer entscheidet, was mit den überflüssigen Menschen passiert? Welche gesellschaftlichen Auswirkungen sehen Sie insbesondere, welche technische oder technologische Entwicklung sehen Sie voraus?

HARARI: Nun, noch einmal, ich bin Historiker, ich bin kein Biologe, ich bin kein Informatiker, ich kann nicht sagen, ob all diese Ideen realisierbar sind oder nicht. Ich kann einfach aus der Sicht des Historikers schauen und sagen, wie es von dort aus aussieht. Also sind die sozialen, philosophischen und politischen Implikationen die Dinge, die mich am meisten interessieren. Wenn einer dieser Trends tatsächlich erfüllt werden soll, dann ist das Beste, was ich tun kann, Marx zu zitieren und zu sagen, dass alles Feste in Luft schmilzt.

Wenn man ein Problem wie die direkte Gehirn-Computer-Schnittstelle wirklich gelöst hat … wenn Gehirne und Computer direkt interagieren können, um nur ein Beispiel zu nennen, dann ist es das Ende der Geschichte, das Ende der Biologie, wie wir sie kennen. Niemand hat eine Ahnung, was passieren wird, wenn Sie dies lösen. Wenn das Leben im Grunde aus dem organischen Bereich in die Weite des anorganischen Bereichs ausbrechen kann, können Sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was die Folgen sein werden, weil Ihre Vorstellungskraft gegenwärtig organisch ist. Wenn es also per Definition einen Punkt der Singularität gibt, wie er oft genannt wird, haben wir keine Möglichkeit, uns auch nur ansatzweise vorzustellen, was darüber hinaus passiert.

Wenn wir vor den Punkt der Singularität blicken (Anm. d. Red.: eine Singularität ist in der Computerforschung der Moment, an dem eine maschinelle Superintelligenz entsteht, eine autonome voll handlungsfähige Künstliche Intelligenz, die sich auch selbst weiterentwickeln kann), so können wir, während der Trend an Fahrt gewinnt, eines sagen: Es könnte sich wiederholen, was im 19. Jahrhundert mit der industriellen Revolution passiert ist, der Öffnung riesiger Kluften zwischen verschiedenen Klassen und verschiedenen Ländern. Generell war das 20. Jahrhundert ein Jahrhundert des Schließens von Lücken, weniger Lücken zwischen Klassen, zwischen Geschlechtern, zwischen ethnischen Gruppen, zwischen Ländern. Vielleicht sehen wir also, wie sich diese Lücken mit aller Macht wieder öffnen, Lücken, die weitaus größer sein werden, als vor 150 oder 200 Jahren zwischen dem industrialisierten und dem nicht industrialisierten Teil der Welt.

In der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts lernte die Menschheit im Grunde alle möglichen Dinge zu produzieren, wie Textilien und Schuhe und Waffen und Fahrzeuge, und das war genug für die sehr wenigen Länder, die diese Revolution durchmachten, um alle anderen zu unterjochen. Worüber wir jetzt sprechen, ist wie eine zweite industrielle Revolution, aber das Produkt wird dieses Mal nicht aus Textilien oder Maschinen oder Fahrzeugen oder gar Waffen bestehen. Das Produkt wird diesmal der Mensch selbst sein.

Wir lernen im Grunde, Körper und Geist zu produzieren. Körper und Geist werden die beiden Hauptprodukte der nächsten Welle all dieser Veränderungen sein. Und wenn es eine Kluft gibt zwischen denen, die wissen, wie man Körper und Geist produziert, und denen, die das nicht können, dann ist das weitaus größer als alles, was wir zuvor in der Geschichte gesehen haben.

Und dieses Mal, wenn Sie nicht schnell genug sind, um Teil der Revolution zu werden, werden Sie wahrscheinlich aussterben. Länder wie China haben den Zug zur Industriellen Revolution verpasst, aber 150 Jahre später haben sie es dank der Macht billiger Arbeitskräfte irgendwie geschafft, wirtschaftlich weitgehend aufzuholen. Wer den Zug verpasst, bekommt keine zweite Chance. Wenn ein Land, wenn ein Volk heute abgehängt wird, wird es keine zweite Chance bekommen, zumal billige Arbeitskräfte nichts wert sind. Wenn man erst einmal weiß, wie man Körper und Gehirne und Köpfe produziert, billige Arbeitskräfte in Afrika oder Südasien oder wo auch immer, zählt es einfach nichts mehr. In geopolitischer Hinsicht könnten wir also eine Wiederholung des 19. Jahrhunderts sehen, aber in einem viel größeren Maßstab.

KAHNEMAN: Was ich mir nur schwer vorstellen kann, ist, dass die Übersetzung in Begriffe des 20. Jahrhunderts Massenarbeitslosigkeit bedeutet, wenn Menschen unnötig werden. Massenarbeitslosigkeit bedeutet soziale Unruhen. Und es bedeutet, dass Dinge passieren werden, Prozesse in der Gesellschaft passieren werden, weil Menschen überflüssig werden, und das ist ein allmählicher Prozess, Menschen werden überflüssig.

Wir sehen vielleicht, dass wir in der wachsenden Ungleichheit jetzt den Anfang dessen sehen, wovon Sie sprechen. Aber haben Sie, genauso wie Sie auf interessante und neuartige Weise über Technologie nachdenken, auch über die soziale Seite nachgedacht?

HARARI: Ja, die soziale Seite ist die wichtigere und schwierigere. Ich habe keine Lösung, und die vielleicht größte Frage in Wirtschaft und Politik der kommenden Jahrzehnte wird sein, was mit all diesen nutzlosen Menschen zu tun ist. Ich glaube nicht, dass wir dafür ein Wirtschaftsmodell haben. Meine beste Vermutung, die nur eine Vermutung ist, ist, dass das Essen kein Problem sein wird. Mit dieser Art von Technologie werden Sie in der Lage sein, Lebensmittel für alle zu produzieren. Das Problem ist mehr Langeweile und was man mit Menschen macht und wie sie einen Sinn im Leben finden, wenn sie im Grunde sinnlos und wertlos sind.

Meine derzeit beste Vermutung ist eine Kombination aus Drogen und Computerspielen als Lösung für die meisten … es passiert bereits. Unter verschiedenen Titeln, verschiedenen Rubriken sieht man immer mehr Menschen, die immer mehr Zeit mit Drogen und Computerspielen verbringen oder ihre inneren Probleme lösen, sowohl mit legalen als auch mit illegalen Drogen. Aber das ist nur eine wilde Vermutung.

Weitere Auftritte des Wissenschaftlers

Beachten Sie im Kontext bitte auch nachfolgende Auftritte und Aussagen des Dr. Harari.

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