Zahlreiche Mitarbeiter des Gesundheitswesens verfassten einen umfangreichen offenen Brief zur aktuellen Lage. Hebammen, Pfleger, Altenpfleger, Fachpersonal: Sie alle warnen vor einem gewaltigen Missstand in der Pflege, der durch die Corona-Maßnahmen noch verschlimmert wurde. Der indirekte Impfzwang verstärkt den Personalmangel noch weiter, obwohl es für einen solchen keinen logischen Grund gibt. Es fehlt die Wertschätzung, Auszubildende werden ausgebeutet …
Offener Brief: Pflege geht UNS ALLE an – daher sollte sie nicht zur Gefahr werden
Wir wenden uns heute mit einem wichtigen Anliegen an Sie. Wir sind Gesundheitspersonal aus den unterschiedlichsten Bereichen. Wir sind diejenigen, die den Menschen am nächsten kommen und sie pflegen, betreuen, begleiten sowie beraten – von Geburt an als Hebammen, in Zeiten von Krankheit, Schmerz und Leid als Pflegepersonal auf diversen Stationen beziehungsweise Fachabteilungen sowie
Pflegepersonal in psychiatrischen Einrichtungen bis hin zur letzten Lebensphase des Menschen als Pflegepersonal in Langzeitpflegeeinrichtungen als auch in palliativen Einrichtungen. Hier gäbe es noch unzählige weitere Bereiche zu nennen.
Beinahe jede/r, die/der in der Pflege arbeitet, kennt leider mittlerweile Situationen, in denen er/sie aus dem Dienst geht und froh und dankbar darüber ist, dass alle PatientInnen diesen Tag unbeschadet überstanden haben. Es kommen zunehmend Situationen vor, in denen ein kleiner Umstand den Ausgang einer solchen positiv oder negativ verändern kann. Oft müssen wir Prioritäten setzen und abwägen, welche Patienten vorrangig unserer Aufmerksamkeit oder Betreuung bedürfen. Dadurch leidet die Pflegequalität, was für die Patienten sehr schwierig und nicht zumutbar ist. Der schon lange bestehende und jetzt fortschreitende Missstand stimmt uns besorgt, macht uns verzweifelt und oft auch wütend und hilflos und ist mehr als frustrierend. Unser eigentliches breit gefächertes pflegerisches Tätigkeitsfeld – beginnend bei der körperlichen Grundpflege, über Unterstützung/Übernahme bei der Nahrungsaufnahme und Mobilität, über Medikamentenvorbereitung und -verabreichung (mit Grundwissen über Indikation und Kontraindikation, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen), Vitalzeichenkontrolle und entsprechende Reaktion und auch spezifische Pflege bei unterschiedlichen Krankheitsbildern und Beschwerden – wird immer umfangreicher durch Aufgaben, die wichtig für unsere PatientInnen sind, aber primär anderen Berufsgruppen wie ÄrztInnen (diese Berufsgruppe schwindet im Übrigen auch stetig im Land) oder PhysiotherapeutInnen, DiätologInnen, SeelsorgerInnen wie auch Reinigungskräften, zugeordnet sind. Gerade am Wochenende, wenn außer der Pflege kein anderes Personal auf den Stationen ist, hängt es an dieser, auch andere wichtige Arbeiten zu verrichten und Bedürfnisse zu stillen.
Durch die Corona-Maßnahmen gab es immer wieder Phasen, in denen keine Angehörigen in die Einrichtungen zu Besuch kommen durften. Dies hatte wiederum mehr Arbeit und Zeitaufwand für das Pflegepersonal zur Folge. Denn viele Angehörige riefen – verständlicherweise – vermehrt in der Einrichtung an, um Auskunft über den Gesundheitszustand ihrer Liebsten zu bekommen. Dies schmälert natürlich die zeitlichen Ressourcen des Pflegepersonals. Zudem hatten Angehörige auch gewisse Tätigkeiten übernommen, wie beispielsweise beim Essen unterstützt oder auch „nur“ Gespräche geführt. Dieses Defizit an Besuchen führte unweigerlich nicht selten zur Vereinsamung der PatientInnen, dies wiederum zum Kompensationsdruck und zur Überlastung der Pflegenden. Auch waren über einen langen Zeitraum hinweg keine Ausgänge während der stationären Behandlung erlaubt. Somit waren die Stationen ständig voll, bei weniger Personal (an den Wochenenden) und fehlenden Therapiemöglichkeiten.
Somit passiert es immer wieder, dass die zeitlichen beziehungsweise personellen Ressourcen nicht gegeben sind, den Menschen die Pflege zukommen zu lassen, die sie benötigen würden und verdient hätten. Außerdem birgt dies auch ein enormes Gefahrenpotenzial, bis hin zu lebensbedrohlichen Ereignissen, die verhindert werden könnten, wenn der Pflegeschlüssel entsprechend angepasst werden würde. Zudem haben überwiegend nur physische Probleme ihren Raum, psychosoziale Aspekte werden hinten angestellt beziehungsweise nicht beachtet, manchmal auch nicht nur aus zeitlichen Faktoren. Wir wissen aber, dass der Mensch aus mehr besteht als nur seinem Körper, also ein multifaktorielles Wesen ist mit vielen sehr unterschiedlichen Bedürfnissen. Gerade die letzten zwei Jahre wurden die psychischen und sozialen Anteile der Menschen mit den Füßen getreten.
Dass das Personal fehlt, hat unterschiedlichste Gründe. Bestehendes Personal wird einerseits weniger aufgrund der bekannten Pensionierungswelle, andererseits entschließt sich eine beachtliche
Zahl an Pflegepersonen – gerade in den Krankenhäusern – in den niederschwelligen Bereich zu wechseln. Manche orientieren sich auch komplett neu. Obwohl viele von uns seit Jahrzehnten in der Pflege tätig sind und diesen Beruf mit viel Freude, Achtsamkeit und mit Liebe zum Menschen ausüben, werden Alternativen immer attraktiver. Auch das Arbeitsmarktservice unterstützt diesen Berufsspartenwechsel aktiv, in dem beispielsweise einer erfahrenen Pflegekraft eine Jobmöglichkeit als BusfahrerIn oder als SachbearbeiterIn bei Gericht offeriert wird.
Die „allgemeinen Berufsnebenwirkungen“ wie Nacht- und Wochenenddienste, körperliche Einbußen durch jahrelange oft schwere körperliche Tätigkeit, miterlebtes Leid und Krankheiten haben viele von uns akzeptiert und angenommen, weil wir diesen Beruf aus voller Überzeugung heraus gewählt haben. Doch die zunehmende Frustration macht dies immer schwerer. Es fehlt auch vielfach die Wertschätzung im Sinne einer leistungsentsprechenden Entlohnung. Hier muss beachtet werden, was von der Pflege geleistet wird und dies in einer Wochenarbeitszeit von bis zu 60 Stunden. Zulagen für Nachtdienste werden zwar ausbezahlt, dennoch ist dies ein kleiner Beitrag, wenn er mit den Zulagen von Nachtarbeitern in Produktionsbetrieben beispielsweise verglichen wird.
Die Pflege arbeitet in vielen Einrichtungen im Turnus. Das heißt, dass je nach Dienstplaneinteilung im Monat mehrfach zwischen Tag- und Nachtdiensten gewechselt wird. Dies widerspricht dem menschlichen Biorhythmus und wird für viele KollegInnen vor allem mit zunehmendem Alter zur Belastung. Dies soll nicht als Beschwerde angesehen werden. Wenn aber andere Punkte zunehmend belasten, stören solche Aspekte mehr, die früher eher toleriert wurden. Hinzu kommt, dass seit November 2021 die geleisteten Stunden der Einspringdienste in den VLKHs nicht mehr aufgewertet werden. Wir sollten also im besten Fall in unserer Freizeit immer telefonisch erreichbar sein und bereit sein, Personalausfälle aufgrund von Krankenständen beziehungsweise Quarantäne zu kompensieren. Diese Stunden werden gleich abgerechnet wie reguläre Dienste und die Überstunden dann ausbezahlt. Rein steuerlich ist dies in der Regel sehr unattraktiv. Hier gibt es nicht die Wahlmöglichkeit, ob mehr geleistete Arbeitszeit als Freizeit abgegolten werden kann.
Ebenso wenig wertschätzend ist der Umgang mit den Auszubildenden im Gesundheits- und Krankenpflegebereich. Hier kann schon von Ausbeutung gesprochen werden. Eigentlich sollten die Praktika dazu da sein, den Schülern Wissen und Praxis durch erfahrenes Personal in alltäglichen Situationen zu vermitteln. Leider fehlt immer mehr die Zeit, um den baldigen KollegInnen in Ruhe Fertigkeiten beizubringen. Durch ständige Personalnot müssen sie vielfach Arbeiten übernehmen, die sie noch nicht alleine machen sollten. Außerdem fallen zunehmend mehr Defizite im Fachwissen und praktischen Fähigkeiten bei den Lernenden auf, vermutlich begünstigt durch die längeren Phasen des Online-Unterrichts, in denen nicht der Raum gegeben ist, den es bräuchte, um pflegerische Tätigkeiten einzuüben und Erfahrungen zu sammeln. Wer trägt die Verantwortung, wenn Fehler passieren? Wie sollte es anders gemacht werden, wenn zu wenig Personal vorhanden ist?
Die Auszubildenden arbeiten während ihrer Praktikumszeit meist im selben Ausmaß wie das Stammpersonal. Für sie ist die Arbeit jedoch noch viel anstrengender, weil ihnen die Routine und teilweise auch das Fachwissen dazu fehlen. Die monatliche „Entlohnung“ von ein paar Hundert Euro (je nach Ausbildungsjahr) reicht nicht einmal für Spritkosten und Verpflegung. Diesen jungen, motivierten Menschen werden so viele „Stolpersteine“, manchen von ihnen sinnbildlich sogar enorme Felsbrocken in den Weg gelegt, bevor sie ihre Berufung ausüben und das bestehende Personal unterstützen können. Kritische, selbstdenkende junge Menschen, die zu Recht Dinge hinterfragen, werden ausgegrenzt, denunziert und auch gemobbt – und zwar von Mitschülern sowie Lehrenden. Beispielsweise wurden einige von ihnen im Unterricht von den Vortragenden in die letzte Reihe gesetzt, aus Angst vor Ansteckung durch die „Ungeimpften“. Was für ein Widerspruch zur Impfkampagne!
Seit geraumer Zeit werden jetzt in den meisten Einrichtungen im Land keine Pflegekräfte mehr eingestellt, die sich bewusst gegen eine Covid-19-Impfung entschieden haben. In manchen Bereichen werden solche Personen sogar gekündigt beziehungsweise auf eine einvernehmliche Lösung hin „motiviert“. Von AbsolventInnen der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung wird solch eine Impfung für eine nachfolgende Anstellung in den VLKHs und anderen Einrichtungen verlangt. Wenigstens wurde per 01.04.2022 wieder die „3-G-Regelung“ in der Pflegeausbildung festgelegt und damit in den verschiedenen Ausbildungsträgern „harmonisiert“, wie es von Landesrätin Rüscher heißt. Doch dies ist noch kein Grund für Applaus. Zwar müssen die Auszubildenden nun ihre Ausbildung nicht abbrechen, wenn sie die Covid-19-Impfstoffe für sich ablehnen, dennoch kann man auf diese Weise weniger zusätzliches Personal rekrutieren, welches die personelle Unterbesetzung in vielen Einrichtungen verbessern könnte. Im Widerspruch dazu wird diskutiert, dass auch positiv auf SARS-CoV-2 getestetes Personal zur Arbeit kommen soll, um den extremen Personalausfall durch die Quarantänebestimmungen zu kompensieren. Dass diese beiden Aussagen nicht zusammen passen, ist wohl offensichtlich.
Das „impfunwillige“ MitarbeiterInnen unerwünscht sind, hat nicht nur der Direktor der KHBG Dr. Fleisch unmissverständlich klar gemacht, sondern auch die Politik. Auch der „Lockdown für Ungeimpfte“, die Ausgrenzung aus öffentlichen und sozialen Bereichen und die Wortwahl vieler politischer Entscheidungsträger machten mehr als nur deutlich, dass ungeimpfte Menschen in unserer Gesellschaft bewusst ausgegrenzt werden. Was, wenn diese plötzlich alle nicht mehr bereit sind, für dieses „System“ zu arbeiten? Ist es egal? Denn diese Menschen gelten ja weitverbreitet als „Gefahr“. Allerdings gibt es dabei einen grundlegenden Denkfehler. Diese Personen müssen sich nämlich seit geraumer Zeit, zunächst den Antigen-Tests, dann auch den PCR-Tests unterziehen und damit ihre Gesundheit beweisen. Also, wie kann ein Mensch, der sich gesund fühlt und NACHWEISLICH kein SARS-CoV-2-Träger ist, zu einer Gefahr werden? Wohingegen Menschen, die sich (oftmals nicht aus medizinischen Gründen, sondern um „Freiheiten genießen“ zu dürfen) der „Covid-19-Schutzimpfung“ unterzogen haben, zwischenzeitlich immer wieder ohne Masken frei bewegen konnten (auch während die impffreien Menschen im Lockdown waren) und sich nicht testen lassen mussten.
Es sollte auch nun dem „Letzten“ aufgefallen sein, dass diese so hochgelobten Impfstoffe keine sterile Immunität hervorrufen, wodurch nicht von Fremdschutz die Rede sein kann. Und jeder neue Tag zeigt uns deutlich die oft verheerenden Nebenwirkungen für die Betroffenen. Es wird weiterhin von den sogenannten „Experten“ behauptet, diese Impfstoffe würden vor schweren Verläufen schützen. Doch bei der vorherrschenden Omicron-Variante weiß man, dass diese zumeist milde Krankheitsverläufe verursacht! Auf den Intensivstationen im Land werden mittlerweile aufgrund von Covid mehr PatientInnen versorgt, die als „vollimmunisiert“ gelten. (Quelle: Lagebericht COVID-19 – Vorarlberger Landeskrankenhäuser (landeskrankenhaus.at)) Der Anteil der „Ungeimpften“ wird allerdings nicht mehr angegeben. Dies lässt Raum für Spekulationen offen, ob ungeimpfte Menschen schon als „geschützter“ gelten sollten. Auch 1- und 2-fach geimpfte Personen werden nicht mehr als „vollimmunisiert“ eingestuft. Zumindest wird beim Lagebericht der VLKHs seit einiger Zeit angegeben, dass aktuell rund 80% (möglicherweise sogar noch mehr?) der positiv auf Covid getesteten Personen aus anderen Gründen eine stationäre Behandlung benötigen. Die andere Darstellung der Zahlen vermittelte der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum hinweg ein falsches Bild.
Wir alle sollten uns fragen, wohin uns diese Politik bereits geführt hat und wohin sie uns noch führen wird. Bestehendes Personal wird kaum bis gar nicht angehört, es wird nicht wertschätzend behandelt, ebenso wenig wie die Auszubildenden. In vielen Bereichen wird pensioniertes Personal wieder „zurück an die Betten“ geholt, um den Personalmangel ansatzweise zu kompensieren.
Auch wenn die Pflege sich geschichtlich gesehen aus dem christlichen Ideal der Nächstenliebe heraus entwickelt hat, und sich über eine lange Zeit hinweg Nonnen aufopfernd rund um die Uhr um kranke und hilfsbedürftige Menschen gekümmert haben, können und wollen wir uns nicht (mehr) aufopfern. Die grundlegenden Werte haben sich nicht verändert, jedoch die Rahmenbedingungen. Ist Aufopferung noch „zeitgemäß“? Fast scheint es so. Ist dadurch eine Berufs-Attraktivität gegeben? Aus unserer heutigen professionellen Sicht „NEIN“! Deshalb ist für viele von uns der Punkt gekommen, aufzustehen und auszusprechen, was wir täglich in Vorarlberger Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erleben.
Wir sollten uns dringend überlegen, wie das bestehende Personal gehalten und wie der Beruf für künftiges Personal attraktiver gestaltet werden kann. Wir müssen erkennen, was die individuellen Gründe für Kündigungen sind und daran arbeiten. Und wir sollten bestehenden sowie potenziellen MitarbeiterInnen den Raum geben, über ihre Wünsche, Anliegen und Forderungen zu sprechen und diese anhören. Auch wichtig anzusprechen in dieser Debatte sind die massiven „Kollateralschäden“, welche die Corona-Maßnahmen die letzten zwei Jahre verursacht haben. Diese betreffen alle Bereiche unserer Gesellschaft. So viele betagte Menschen leben vereinsamt und verängstigt, Kinder wissen vielfach nicht mehr, wie das Leben „vor Corona“ war, wie lächelnde Menschen aussehen und an welchen Werten und Normen sie sich orientieren sollen. Von Eltern und Lehrern oder Mitschülern wird oft ein völlig konträres Bild vermittelt, sie „sitzen zwischen den Stühlen“ und haben Mühe zu erkennen, was richtig und was falsch ist. Sie werden mit Fragen konfrontiert, über die sie in jungen Jahren noch gar nicht nachdenken sollten.
Familien und Freundschaften sind entzweit. Unzählige Wirtschaftstreibende stehen vor dem finanziellen Ruin oder sind bereits im Konkurs. Die Menschen wollen einfach wieder normal leben. Wie auch immer diese Normalität aussehen soll. Wie viele Opfer sind wir noch bereit zu geben? Und wie viele Menschen werden denn tatsächlich noch geschützt durch die unterschiedlichsten Maßnahmen? Wie viele Menschen können wir noch durch diese Maßnahmen krank machen? Dies im Wissen dann zu wenig (geschultes) Personal zu haben, das diese Menschen bei der Gesundung unterstützt (speziell auch in psychiatrischen Einrichtungen, wo die Patientenzahl angesichts der Probleme, die verursacht wurden, bestimmt noch enorm ansteigen wird). Es wird seit zwei Jahren unermüdlich Angst und Panik geschürt. Mit diesem einen Virus beziehungsweise mit der medialen Verarbeitung dessen, wurde die Urangst des Erstickens in den Menschen geweckt. Bereits bei der Geburt eines Babys entscheidet der erste Atemzug über Leben und Tod. Atmen bedeutet Leben. All diese negativen Emotionen und Ängste, die erzeugt werden, machen krank. Es muss endlich den Menschen gezeigt werden, wie Gesundheit gefördert, erhalten und gewahrt werden kann! Und das in allen Bereichen der Gesundheitseinrichtungen im Land. Nicht zuletzt benötigt eine gesündere Bevölkerung weniger Pflegepersonal.
Es sind noch so viele Fragen unbeantwortet. Sollten wir als Gesellschaft nicht viel mehr über Lebensqualität sprechen? Was macht denn das Leben lebenswert? Sind es nicht vornehmlich die Menschen, die wir um uns herum brauchen? Hierzu gibt es genügend wissenschaftlich fundierte Grundlagen, dass Menschen soziale Wesen sind und was passiert, wenn soziale Bedürfnisse unbefriedigt bleiben. Was bedeutet „social distancing“ für uns? Seit wann war Distanz und Trennung je sozial? Wir brauchen menschliche Nähe und Körperkontakt, um langfristig überleben zu können. Unser Körper produziert Oxytocin, ein Bindungs- und Liebeshormon, das bei Paarbildung, Mutter-Kind-Beziehung und sozialen Fähigkeiten beim Menschen eine große Rolle spielt. Dieses Hormon entspannt uns und lässt uns zu sozialen Wesen werden. Wie lange kann ein Mensch ohne diese Nähe zu anderen Menschen unbeschadet auskommen?
Auch vermeintliche Kleinigkeiten – wie das Maskentragen – haben weitreichende Folgen. Beispielsweise, dass wir die Mimik eines Menschen, vor allem sein Lächeln, nicht mehr erkennen können. Der Handschlag, der in unserer Kultur seit langer Zeit als Zeichen von friedlicher Begrüßung, Vertrauen und Verbindlichkeit gegolten hat, ist nicht mehr „erlaubt“. Stattdessen strecken wir einander die Faust oder den Ellenbogen entgegen. Was bedeutet dies für unsere Psyche und die Zwischenmenschlichkeit? Dies sind alles Aspekte, über die wir in unserem beruflichen Alltag nachdenken und die uns fehlen. Denn wir haben immer schon sehr nahe am Menschen gearbeitet, ihn berührt, ihn gehalten und gestützt, seine Mimik beurteilt und ihm unser Lächeln geschenkt und unsere Hand gereicht, um Vertrautheit zu vermitteln und Ängste zu mindern.
Unter den genannten Gesichtspunkten sollten wir uns fragen, ob denn die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen überhaupt gegeben ist. Liegt das durchschnittliche Sterbealter AN Covid nicht sogar über der allgemeinen Lebenserwartung? (siehe Antworten des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Fragen des VfGh vom 26./28.01.2022). Auf dem Covid-19-Dashboard der AGES sind im Zeitraum vom 27.02.2020 bis 05.04.2022 521 Todesfälle angegeben. Laut Wikipedia hat Vorarlberg per 01.01.2022 401.607 Einwohner. Hier genügt eine einfache Schlussrechnung, um zu ermitteln, dass dies 0,13 Prozent betrifft. Die Anzahl der Nullen hinter dem Komma steigt übrigens bei sinkendem Alter signifikant an. Jeder Todesfall schmerzt und es ist daher nachvollziehbar, dass er verhindert werden möchte. Auf der anderen Seite gelten aber viele Erkrankungen, die letztendlich langsamer jedoch auch zum Tod führen können, als „gesellschaftlich toleriert“. Wie viele Menschen sterben denn an den Folgen von sogenannten Wohlstandserkrankungen wie Adipositas? Oder an den Folgen von Alkohol-, Nikotin- oder Drogenkonsum? Bluthochdruck, Typ-II-Diabetes oder Depressionen sind nur wenige Beispiele für weitverbreitete Erkrankungen in unserer ach so hoch entwickelten Gesellschaft, die zeigen, in welch negative Richtung wir uns entwickeln. Wie könnte sich die allgemeine Gesundheit verbessern durch einen gesunden Lebensstil, der im Übrigen durch die Maßnahmen deutlich erschwert wurde?
Die Themen, die es im öffentlichen Diskurs zu bearbeiten gilt, sind derart umfangreich und im Vorherigen bestimmt nicht zur Gänze angeführt. Die letzten zwei Jahre haben uns sehr deutlich die Schwachstellen unseres Systems aufgezeigt. Für uns in der Pflege ist der Mensch immer noch der Mittelpunkt. Für das System ist er nur mehr Mittel… Punkt. Und solch ein System können wir nicht als „unseres“ ansehen. Nun gilt es endlich genau hinzusehen und zu handeln! Wir sind mehr als bereit und motiviert, alles daran zu setzten, ein Gesundheitssystem zu schaffen, das den Namen auch wirklich verdient. Auch Sie als Entscheidungsträger können und sollten dabei eine wichtige Rolle spielen. Wir alle tragen selbst die Verantwortung für unser eigenes Leben und für unsere Gesundheit. Doch dieser Verantwortung müssen wir uns wieder bewusst werden, achtsam sein und dahingehend handeln. Wir müssen den Menschen aufzeigen, was es bedeutet, gesund zu leben, aufhören nur Symptome zu behandeln, dafür das „große Ganze“ anerkennen und positiv fördern. Wir müssen anfangen, wieder Mensch zu sein. Wir alle sterben eines Tages, doch an allen anderen Tagen leben wir. Und wir alle haben die Möglichkeit, dieses Leben lebenswerter zu gestalten – für uns und für unsere Mitmenschen.
Mit den besten Wünschen für uns alle!
Hier finden Sie die Namen derer, die diesen Brief vollinhaltlich unterstützen. Sehen Sie diese Liste jedoch bei Weitem nicht als vollständig an. Leider wollen immer noch viele von uns nicht Stellung beziehen, aus Angst vor „negativen Konsequenzen“.
Ingrid Hössl, DPGKS, Akutpsychiatrie
Patricia Steinhauser, DGKS
Karin Weiher, DGKS
Anja Mock, DPGKS
E., DGKS
Renate Bechter, PH
Markus Weichselbraun, DPGKP im Ruhestand
Andrea Diem
Silva Csaszar, SOB, Haus der Generationen
Marko Turnher, DPGKP, Jugendpsychiatrie
Daniel Trenkwalder, DPGKP, Psychiatrie
Edgar Summer, DPGKP, Psychiatrie/Neurologie
Ambulanz
Norin Annika Jäger, DPGKP, Akutpsychiatrie
Roswitha Büchel, DGKS, EEG Neurologie
Janine Aufhammer, DPGKS
Dagmar Lederbauer, OP Schwester
Carina Anfang, DGKS, WBL in einem Pflegeheim
Sonja Pfeifer, DGKS
Melanie Draber
Hannah, DPGKP, BScn
Veronika Unterguggenberger, Dipl.
Behindertenpädagogin
Andrea Schmid, Heimhilfe
Karin Sönser, DGKS, Neo-Kinderintensiv
Christian Gartner, STL, Neurologie
Yvonne Wörz-Prera, DPGKP, Gerontopsychiatrie
Claudia Neier, DGKS
Thimo Müller, DGKP, Interne
Claudia Fleischhacker, DGKP, Interne
Angelika Bechter, DPGKS, Akutpsychiatrie
Alexandra Schrott, DKKS
Petra Reiter, PFA, Akutpsychiatrie
Isabella Grass, DKKS, DGKS
Jasmin Mittersteiner, DGKS, Ambulanz
Sabine Meusburger, DPGKS
Nina Hämmerle, Auszubildende
Corina Matt, DPGKS
Simon König, DPGKP
Regina Stadler, DGKS
David Müller, DPGKP, Akutpsychiatrie
Markus Heinzle, DGKP, Neurologie
Bahrudin Prosic, DGKP, Neurologie
Elke Keßler, DPGKP
Isabella Felder, DPGKP, Jugendpsychiatrie
Thomas Fleisch, DPGKP
Susanne Gattnar, PH/Altenfachbetreuerin, KPV
Jasmin Foidl, Dipl. Sozialpädagogin, Lebenshilfe
Simone Maier, DGKS
Sandra Purtscher, DGKS
David Schnetzer, DPGKP
Karin Dejakom, DPGKS
Kristine Greussing, Pädagogin, Kinderpsychiatrie
Rita Mennel, PFA, Gerontopsychiatrie
Birgit Schett, DGKS, Neurologie
Sükrü Bayraktar, DPGKP, Psychiatrie
Sybille Mayer, DPGKP
Karin Dreschnig, DGKP
Dagmar Aberer, OP Assistentin
Michaela Ruetz, DGKS
Katharina Pfanner, DPGKP
S.I., DGKS
Kornelia Andreatta, PA, Psychiatrie
Alexandra Ellensohn, DGKP, Hebamme
Anita Kaufmann, DGKP
Christian Getzner, DPGKP
Andrea Mangold, Dipl. Sozialbetreuerin für
Altenarbeit
Margret Sparr, DGKS
Karin Amann, DGKS
Nicole Schrottbaum, DGKS
Manuela Moosbrugger, PA
Mirjam Entner, DGKS
Edith Stemberger, Hebamme
Edith N., DGKS
Nadine G., DPGKS
Kerstin Eder, DGKS
Heidi Bitschnau, PA
Marie-Luise Fedele, PA
Conny B., PFA
Elisabeth Grasborn, DGKS