Noch vor wenigen Monaten sah es so aus, als ob das Bündnis Sahra Wagenknecht sicher in den neuen Bundestag einziehen könnte. Die rasche Anbiederung an die Systemparteien samt Regierungsbeteiligungen im Osten jedoch hat viele Wähler enttäuscht. Schuld am Scheitern sind nicht die fehlenden Stimmen der Auslandsdeutschen, sondern die Partei selbst.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Noch im Herbst des vergangenen Jahres lag das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in den Umfragen bei etwa acht Prozent. Im Oktober kam dann der langsame Absturz – mit dem Ergebnis, dass die von der Linken abgespaltene Partei nun mit 4,97 Prozent der Stimmen den Einzug in den neu gewählten Bundestag ganz knapp verpasste. Doch innerhalb der Partei scheint Realitätsverweigerung vorzuherrschen. Denn schnell machte man die fehlenden Auslandswählerstimmen – wegen der knappen Briefwahlfristen und der Postlaufzeiten – dafür verantwortlich.
Ich fürchte diese Wahl wird noch Karlsruhe beschäftigen:
— Fabio De Masi 🦩 (@FabioDeMasi) February 24, 2025
Nach Auszählung aller 299 Wahlkreise steht das BSW bei 4,972 Prozent..Es fehlen also 0,028 % zur 5 Prozent Hürde. Wenn ich noch klar rechnen kann, sind das etwa 13 000 Stimmen bei knapp unter 50 Mio Wählerinnen und…
Doch selbst wenn das BSW die fehlenden rund 13.000 Stimmen dadurch erhalten hätte (was ohnehin spekulativ ist), kann man eine Tatsache nicht verleugnen: Bereits in den vergangenen Monaten hat die Wagenknecht-Partei deutlich an Zustimmung verloren. In Thüringen beispielsweise konnte das BSW bei der Landtagswahl noch fast 16 Prozent der Wähler für sich gewinnen – jetzt waren es dort gerade einmal 9,4 Prozent. In Sachsen ist die Partei von 11,8 (Landtagswahl) auf nur mehr 9,0 Prozent gefallen. Und in Brandenburg? Da fiel das BSW von 13,5 Prozent bei der Landtagswahl auf nur mehr 10,7 Prozent ab.
Klar, Landtagswahlen sind keine Bundestagswahl – aber ganz offensichtlich hat die Wagenknecht-Partei viele Wähler verprellt. Und das insbesondere durch die rasche Bereitschaft für Koalitionsverhandlungen und die Regierungsbeteiligung in Thüringen und in Brandenburg, wo sie schnell einige ihrer Prinzipien über Bord warfen. Ein gewaltiger Fehler. Denn im Gegensatz zu den Altparteien (insbesondere CDU/CSU und SPD), die eine entsprechend große Basis an treudoofen Stammwählern haben, was eine gewisse Narrenfreiheit mit sich bringt, rächt sich der Verrat an den Wählern bei neu gegründeten Kleinparteien rasch.
Anders ausgedrückt: Das BSW ist kläglich an sich selbst gescheitert. Und wie es aussieht, hat das “Original”, also die Linke, am meisten davon profitiert. Totgesagte leben länger, sagt man. Vor allem dann, wenn sich die größte politische Konkurrenz in Form des BSW selbst ins Knie schießt und es dann nicht mehr über die Zielgerade schafft.