Unseriöser Rechtsradikalismus-Vorwurf gegen Corona-Demonstranten: ORF verliert Verfahren

Rechtsanwalt Mag. Alexander Todor-Kostic Bild: Report24.news

Nach einer Verurteilung durch die KommAustria zog der ORF vors Bundesverwaltungsgericht. Auch dort verlor der öffentlich-rechtliche Gigant mit Spruch vom 27. Juni. Denn der ORF-Redakteur hatte, davon zeigte sich das Gericht überzeugt, nicht ausreichend im Sinne des ORF-Gesetzes recherchiert, welches zu Objektivität und Ausgewogenheit verpflichtet. Er hatte kaum bis keine Bemühungen gesetzt, um mit den von ihm solchermaßen Beschuldigten in Kontakt zu treten.

Eine empörte ORF-Seherin hat bezüglich des Vorfalls die notwendigen Unterschriften gesammelt und Beschwerde eingereicht. Vertreten wurde sie durch den bekannten Rechtsanwalt und Politiker (Vision Österreich) Mag. Alexander Todor-Kostic. Dieser zeigte sich in einer ersten Reaktion gegenüber Report24 sehr erfreut, ein ausführliches Interview wird kommende Woche folgen:

Der Erfolg in dieser Sache ist grundsätzlich sehr erfreulich, speziell weil sich das Gericht sehr eindeutig zu dieser Fehlleistung des ORF geäußert hat. Besonders hervorhebenswert ist der Umstand, dass sich der verantwortliche Redakteur hinsichtlich seiner Einschätzung, die Corona-Demonstranten wären rechtsextrem, auf das Innenministerium berief. Im Grunde genommen befragte man also diejenigen, gegen die sich Protest und Demonstrationen richteten, zu ihrer Meinung dazu. Der ORF Mitarbeiter ließ vor Gericht nicht erkennen, dass dies vielleicht problematisch sein könnte – es zählt möglicherweise zum allgemeinen Sittenbild, an dem man sich im ORF nicht weiter stößt.

Mag. Alexander Todor-Kostic

Der jetzt erfolgte Spruch kann zwar noch beeinsprucht werden, doch eventuelle weitere Instanzen sollten in der Regel keine aufschiebende Wirkung haben. Eine Veröffentlichung des Urteils durch den ORF müsste dementsprechend innerhalb der kommenden sechs Wochen stattfinden.

Die Beschwerde des ORF gegen die Entscheidung der KommAustria wurde abgewiesen.

Report24 berichtete über die Vorgeschichte:

Bereits im Oktober 2021 wurde durch die Kontrollbehörde KommAustria festgestellt, dass eine Beschwerde, getragen von über 120 österreichischen TV-Konsumenten, zu Recht bestand (siehe: KommAustria verurteilt ORF für Hetze gegen Corona-Demonstranten): Die Redaktion des ORF hatte in einer Sendung die Künstlergruppe Phantome in die Nähe von Rechtsextremisten und Antisemiten gerückt, dazu aber nach Ansicht der Behörde nicht ausreichend recherchiert. 

Die bekannte Künstlergruppe „Phantome“, Bild: Florian Machl

Die Beschwerde bezog sich auf:

„Verletzung der Verpflichtung

  • zur objektiven Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten gemäß 4 Abs 5 Z 1 ORF-G
  • zur Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen gemäß § 4 Abs 5 Z 2 ORF-G zum Beitrag zu einer umfassenden Information zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung gemäß § 10 Abs 4 ORF-G
  • zur unabhängigen, unparteiischen und objektiven lnformationspflicht gemäß § 10 Abs 5 ORF-G
  • zur angemessenen Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen § 10 Abs 6 ORF-G bei der Berichterstattung zum Thema Corona-Maßnahmenkritik unter dem Titel ‚Inside Demo — Die Welt der Coronaleugner‘ in der Sendung ‚Thema‘ von 22.2.2021 ausgestrahlt um 21:11.“

Weiters wird in der Popularbeschwerde ausgeführt: In der Sendung „Thema“, ausgestrahlt am 22.02.2021, um 21:11 Uhr, seien Teilnehmende der Kunstaktion unter dem Titel „Guerilla Mask Force“ dargestellt worden. Bei der in vielen Städten stattfindenden Kunstaktion würden sich Menschen in weiße Overalls kleiden, weiße Gesichtsmasken und Schilder mit Botschaften wie „Masken für immer“ oder „Kontaktverbot“ um den Hals tragen. Dazu würden aus einem Lautsprecher von einer künstlichen Stimme vorgetragene Slogans wie „Desinfektionsschleusen in öffentlichen Einrichtungen“, „Alleine sterben lassen ist Nächstenliebe“ oder „Wahre Freiheit findet in der Isolation statt“ ertönen. Die Kunstaktion richte sich ganz offenkundig gegen die Intensität der Maßnahmen der Regierungen. Der Erstbeschwerdeführer habe in der genannten Sendung Videoaufnahmen und ein Foto der „Antisemitismus Meldestelle IKG“ gezeigt und mit folgendem Text hinterlegt: „Auch Rechtsextreme nutzen das Fahrwasser der Demonstrationen. In Weiß gekleidete Demonstranten posieren im Jänner vor Hitlers Geburtshaus in Braunau. Immer wieder tauchen Bilder des Neonazis Gottfried K. auf.“

Durch rechtsextremes Framing Objektivitätsgebot missachtet

Das Gericht hielt nun fest:

Aus diesen gesicherten Grundprinzipien ergebe sich zweifelsfrei, dass der Erstbeschwerdeführer durch die Art der Verknüpfung der verbalen und visuellen Berichtgegenstände den „Personen in weißen Schutzanzügen“ nicht nur gleichermaßen eine rechtsextreme Gesinnung zuordnen wollte, sondern diesen Eindruck in objektiver Hinsicht zweifelsfrei bei seinem Seherpublikum auch faktisch vermittelt habe. Er habe demzufolge gegen das allgemeine Objektivitätsgebot des § 4 Abs. 5 ORF-G verstoßen, weil ihn insbesondere auch die Verantwortung für die ihm zuzurechnenden, redaktionell verantwortlichen Personen nach § 4 Abs. 5 Z 3 ORF-G treffe.

Spruch W282 2248486-1/14E

Im Verfahren konnte herausgearbeitet werden, dass der ORF-Redakteur seine Verpflichtung zur objektiven Recherche nicht oder unzureichend erfüllt hat. Die abgebildeten Demonstranten wollten ein Zeichen gegen den Faschismus setzen und haben sich deshalb extra um einen mahnenden Gedenkstein positioniert – der ORF deutete dies in Richtung Rechtextremismus um, also ins genaue Gegenteil.

Kurzzusammenfassung aus dem Gerichtsdokument:

Die Künstlerinnen und Künstler seien also vom Erstbeschwerdeführer in Wort und Bild ins Bild von Rechtsradikalen gerückt worden, ohne zuvor auch nur Kontakt mit den Betroffenen gehabt zu haben und obwohl zahlreiche eindeutige Indizien gegen eine solche Vermutung gesprochen hätten.

Unter Berücksichtigung von verschiedenen Zeugenaussagen kam das Gericht zum Schluss, dass der ORF Redakteur sich nicht sonderlich darum bemüht hat, mit den Personen in Kontakt zu treten, welche er in seinem Beitrag denunziert hat.

Zusammenfassend konnte der Redakteur den erkennenden Senat – soweit es die Sachverhaltsebene betrifft – diesbezüglich nicht davon überzeugen, ernsthafte bzw. angemessene Anstrengungen unternommen zu haben, mit der weiß gekleideten Demonstrantengruppe, die auf dem Foto um den Gedenkstein vor dem Hitler-Geburtshaus in Braunau zu sehen ist, tatsächlich in Kontakt zu treten.

Spruch W282 2248486-1/14E

Und weiter:

Die hierzu von den Beschwerdeführern ausgeführten Argumente, wonach der Durchschnittsbetrachter dementgegen davon ausgehe, dass damit gesagt werden würde, dass ganz allgemein rechtsextreme Personen auf diesen Corona-Maßnahmendemonstrationen anwesend wären, jedoch mit diesem „Voice-Over“ nicht die zu diesem Zeitpunkt explizit gezeigten Personen als rechtsextrem bezeichnet werden würden, erschließt sich dem erkennenden Senat nicht. Schon allein die Kürze dieser Passage mit ca. 14 Sekunden samt dreier Überblendungen ohne weitere Klarstellung oder Erläuterung lässt dem Durchschnittsbetrachter gar keine Zeit, einen anderen Eindruck, als den oben Dargestellten zu erhalten.

Spruch W282 2248486-1/14E

Nicht ordentlich recherchiert!

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes erfordert der Maßstab zur Einhaltung journalistischer Sorgfalt bei Berichterstattung über politischen Extremismus ein besonderes Bewusstsein und Sensibilität bei der Recherche, ist es doch genau die Intention des Objektivitätsgebots, gerade bei Themen mit Extremismusbezug, eine ausgewogene und objektive Berichterstattung durch den Erstbeschwerdeführer zu gewährleisten. Zum anderen bemisst sich der Maßstab an journalistischer Sorgfalt auch an dem beim Durchschnittsbetrachter der Sendung (oben bereits erörterten) bewirkten Eindruck. Wird durch eine Passage in der Sendung wie im ggst. Fall einer im Bild gezeigten Gruppe von Personen – wie oben dargelegt – dem Rechtsextremismus zugeschrieben, erfordert diese (bewirkte) Zuschreibung zu aller erst ein sorgfältig recherchiertes Substrat, dass diese Zuschreibung zu tragen vermag. Wie die belangte Behörde richtig ausführt, liegt ein derart sorgfältig recherchiertes Faktensubstrat für den ggst. beim Durchschnittsbetrachter durch die getätigten Tatsachenbehauptungen bzw. Kommentare erzeugten Eindruck (vgl. oben Punkt II.3.4.2) nicht vor.

Spruch W282 2248486-1/14E

… hat er bei eigenen Kommentaren, Sachanalysen und Moderationen für die Wahrung des Grundsatzes der Objektivität zu sorgen, woraus im Einzelfall folgen kann, dass es bei kontroversiellen Kommentaren bzw. Analysen notwendig sein kann, den davon Betroffenen die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen, diese somit zumindest auch „zu Wort kommen“ zu lassen. Dies ergibt sich aus der aus dem Objektivitätsgebot entspringenden Verpflichtung, Pro- und Kontra-Standpunkte voll zur Geltung kommen zu lassen („audiatur et altera pars“).

Spruch W282 2248486-1/14E

Nach Ansicht des erkennenden Senats wäre im Hinblick auf die Zuschreibung einer rechtsextremen Gesinnung die ggst. Recherche der Redaktion somit nur dann den Maßstäben journalistischer Sorgfalt gerecht geworden, wenn der von der Zuschreibung betroffenen Gruppe weiß gekleideter Demonstranten die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden wäre, wozu die Redaktion ernsthafte Bemühungen unternehmen hätte müssen, mit dieser Gruppe in Kontakt zu treten.

Spruch W282 2248486-1/14E

ORF kann auf Kosten der Gebührenzahler weiter prozessieren

Es ist möglich, dass der ORF eine weitere Instanz bemüht, um dieses Urteil abzuwenden – zur Prozessfinanzierung werden Gelder der Gebührenzahler benutzt. Ein persönliches Risiko für den Redakteur oder dessen Vorgesetzte besteht nicht. Es ist nachvollziehbar, dass der öffentlich/rechtliche Rundfunk, der sich gerne als unangreifbar über den Dingen stehend und als Pächter der einzigen Wahrheit inszeniert, eine gewisse Angst vor solchen Urteilen hat, sofern sie Rechtskraft erhalten. Denn dann werden die Kritiker des ORF dieses Urteil für lange Zeit dazu benutzen, um auf die Missstände im Unternehmen hinzuweisen. Eine Alternative wäre freilich auch, wenn der ORF zu einer sauberen Arbeitsweise im Sinne des Gesetzes zurückfinden würde – und seine Redakteure zur Einhaltung dieser Gesetzesbestimmungen anhält.

Sollte der ORF es nicht schaffen, eine weitere Instanz anzurufen, welche einen Aufschub einräumt, so muss innerhalb von sechs Wochen am selben Sendeplatz (21:10, „Thema“) folgender Text publiziert werden:

Gegen das Urteil ist die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine außerordentliche Revision am Verwaltungsgerichtshof zulässig.

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