Der Heiligenschein des angeblich biederen Saubermanns Sebastian Kurz verrutscht zusehends. Bereits die Tage vor der heutigen Behördenaktion waren aus rechtsstaatlicher Sicht völlig unglaublich. Denn die offenbar vorgewarnte ÖVP richtete den Ermittlungsbehörden per Pressekonferenz aus, dass es bei ihnen nichts mehr zu holen gäbe, es wäre schon alles vernichtet und gelöscht. Trotzdem marschierten die Ermittler heute früh in der ÖVP-Bundeszentrale Lichtenfelsgasse und im Bundeskanzleramt ein.
Ein Kommentar von Willi Huber
Es ist wohl einmalig in der Rechtsgeschichte einer westlichen Demokratie, dass eine Partei die sich im Mittelpunkt von Korruptions-Ermittlungen befindet den Ermittlern öffentlich ausrichtet, sie brauchen gar nicht erst vorbeizukommen, alle Unterlagen wären ohnehin schon vernichtet worden. Die Praxis der Vernichtung von Beweisen und belastenden Unterlagen wird von der Kurz-ÖVP schon seit langem gepflegt, auch wenn man dort natürlich vehement widerspricht und gänzlich andere Erklärungen vorschiebt. Erinnern Sie sich an das „Schreddergate„? Ein enger Vertrauter von Sebastian Kurz ließ im Mai 2019 eine Reihe von Festplatten vernichten – doch nicht auf „normalem“ Weg sondern gleich mehrfach. Restliche Trümmer und Stäube wurden von dem Mitarbeiter mitgenommen. Der Schredder-Vorgang wurde von Ermittlern und Justiz nie ordentlich aufgearbeitet. Die Sonderkommission ignorierte den direkten Befehl nach Beschlagnahme des Mobiltelefons des Schreddermannes.
ÖVP immer wieder durch Informanten vorgewarnt
Laut ÖVP habe es sich um belanglose Drucker-Festplatten gehandelt. Insider vermuten, dass es Laptop-Festplatten waren, auf denen sich entweder Beweise zur Ibzia-Affäre, zur Casinos-Affäre, zur Wirecard-Affäre oder vergleichbaren politischen Bomben befanden. Die ÖVP ist traditionell sehr gut ins Innenministerium vernetzt und wurde immer wieder vor bevorstehenden Behördenaktionen gewarnt. Diese Vorgänge sind ebenso aktuell Teil von intensiven Ermittlungen. Skandalös waren auch die Vorgänge rund um die Hausdurchsuchung beim immer noch amtierenden Finanzminister Gernot Blümel, dem man erlaubte, seine Frau anzurufen und vor der kommenden Durchsuchung zu warnen. Diese ging dann in Folge mit seinem Laptop spazieren – was mit dem Gerät dann geschah, weiß bis heute niemand. Blümel selbst leugnete in einer Anhörung, einen besessen zu haben beziehungsweise konnte sich an nichts erinnern.
Historisch beispiellose Vorgänge
Wie ein Kanzler Österreich im Ausland vertreten möchte, der im Grunde genommen mit seinem gesamten Umfeld seit Jahren im Mittelpunkt diverser Ermittlungen steht, ist höflich gesagt interessant. Eine Rücktrittskultur gibt es spätestens seit der Regierung Kurz in Österreich nicht mehr. Lieber werden Ermittler und Staatsanwälte beschimpft und herabgewürdigt, ansonsten prallt durch die reichlich bezahlten Hof- und Systemmedien alles an der dunkelweißen Weste des Noch-Bundeskanzlers ab. Es ist Strategie der Kurz-ÖVP, mit negativen Nachrichten immer andere vorzuschicken – der Noch-Kanzler selbst patzt sich nicht an. So fand am 28. September, also vor gut einer Woche, eine bizarre Pressekonferenz der ÖVP statt. Dort durfte die stellvertretende Generalsekretärin Schwarz der Justiz öffentlich bestellen, dass Durchsuchungen bei der Partei sinnlos wären, da man ohnehin schon alles von Relevanz vernichtet hätte.
Rätselraten um exaktes Ziel der Ermittlungen
Doch was suchen die Ermittler aktuell? Es ginge laut APA und ORF jedoch nicht um offenbar noch nicht abgeschlossene Ermittlungen um die ÖBAG-Bestellung von Herrn Thomas Schmid beziehungsweise die Casinos-Ermittlungen. Offenbar geht es um die schon länger laufende Offensive linkslastiger Kräfte gegen die Österreich-Herausgeberfamilie Fellner. Das üppig mit Steuergeldern geförderte Gratisblatt soll mit „La familia“ ÖVP einen Deal haben – finanzielle Zuwendungen im Austausch für „geschönte“ Umfragen – so die Version des Staatsmediums. Dabei sollen diese Deals schon vor der Zeit von Sebastian Kurz als Bundeskanzler stattgefunden haben. Im Focus der Ermittlungen stehen laut ORF die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin, die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die Mediengruppe Österreich, Helmuth und Wolfgang Fellner und natürlich Teile der ÖVP. Der Vorwurf lautet auf Bestechung, Bestechlichkeit und Beihilfe. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft will sich im Laufe des Tages zu den Vorgängen äußern. Für alle genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Verdachtsmomente in Ibiza-Untersuchungsausschuß aufgetaucht
Der ORF zitierte die Ex-Außenministerin Karin Kneissl, ex FPÖ, dann parteilos, die im Ibiza-Untersuchungsausschuß davon sprach, die Inserate ihres Ministeriums „zum Schrecken vieler“ um 80 Prozent gekürzt zu haben. Denn der Zweck von Regierungsinseraten wäre es, sich „guten Willen in der Berichterstattung zu erkaufen“. Vor Kneissl war das Ministerium seit den 90er-Jahren fest in schwarzer Hand. Dementsprechend soll die Staatsanwaltschaft hier Ermittlungen eingeleitet haben – so die Vermutung der Medien. Am Dienstag kam es übrigens auch zu weiteren Hausdurchsuchungen im Umfeld des ehemaligen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid, den man in sozialen Medien auch für das so genannte #beidlgate kennt.
„La famiglia“
Es bleibt abzuwarten, wann und ob die gesamte ÖVP als kriminelle Organisation angeklagt wird. Das Strafgesetzbuch gibt nach der Fülle an Ermittlungen eine solche Vorgangsweise durchaus her. Hier muss man ÖVP-Parteigängern wie auch Funktionären und Mitgliedern die Frage stellen, ob sie sich nicht schön langsam als Mittäter betrachten. Das System Kurz hat in den Jahren seines Bestehens jedenfalls bewiesen, dass man die Ausplünderung Österreichs und seiner Bevölkerung perfektioniert hat. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mag zwar eher von linkem Personal geprägt sein, ist hier aber die letzte Chance der Demokratie hier auf rechtsstaatliche Weise Einhalt zu gebieten und den mutmaßlichen Umtrieben einen Riegel vorzuschieben.