Und dann kam Corona – Rückblick auf ein kollektives Trauma

Symbolbild Spaltung: Spritze via freepik / rawpixel.com, geteilte Gesellschaft via freepik / tartila

Im Rahmen ihrer Traumapädagogik-Ausbildung führte die ehemalige Radiomacherin Evelyn Ritt zahlreiche Interviews mit Menschen aus dem Sozialbereich, sowie einer Psychologin und einem Psychiater. Sie ging darin der Frage nach, ob die Corona-Jahre traumatisch für die gesamte Gesellschaft waren. Die Interviewpartner berichten über ihre Erfahrungen und Beobachtungen unabhängig davon, ob sie die Maßnahmen befürworteten oder ihnen kritisch gegenüberstanden. Im Ergebnis sind bei näherem Hinhören aber die Sorgen und Ängste auf beiden Seiten ganz ähnlich.

Presseaussendung der GGI-Initiative am 21.12.2023

Motivation

Ein Blick zurück auf die vergangenen Jahre offenbart viele Fragezeichen – auch jene Frage, ob diese Zeit traumatisch für unsere gesamte Gesellschaft war. Aus einer gemeinsamen Angst, die im März 2020 die Menschen verbunden hat, wurden im Laufe der kommenden Jahre viele unterschiedliche Ängste, die das Potential hatten, Menschen gegeneinander aufzubringen.

Gesellschaft – Kollektives Trauma

Auf der Ebene des kollektiven Bewusstseins wirken Halt gebende, Identität vermittelnde und Frieden gewährende Kräfte. Diese können in Krisen nachlassen oder weitgehend wegbrechen. Der Sinn für Hoffnung, für Sicherheit aus dem Erleben von Gemeinschaft, für gemeinsame Kraft und Vorsorgefähigkeit wird in solchen Krisen vergraben, vermindert und irritiert. Daraus entsteht das kollektive Trauma, die Verletzung der Gesellschaft als Ganzes. Die positive Kraft der Gemeinschaft wird zurückgedrängt. Stattdessen kommt es zu Zersplitterung und Polarisierung. Die Kräfte zum Erkennen des Guten und der Gemeinschaft werden aufgezehrt. Es entstehen Vereinzelungen und das Grundvertrauen zu anderen geht verloren.

Gesellschaftliche Prozesse müssen auf politischer Ebene jedenfalls immer mitbeachtet werden. Auch die Wichtigkeit von Gefühlen, von Gemeinschaft und Verbundenheit muss bei Entscheidungen miteinbezogen werden.

Wichtig für integrative Prozesse ist das Zuhören, aber auch das miteinander schweigen. Das bedeutet nicht das Absehen von Lösungen, sondern nicht sofort die eigene Meinung auf andere zu projizieren. Der Reflex, andere überzeugen zu wollen, sollte hintangestellt werden. Einzelne Prozesse und Erfahrungen sollen zusammengetragen und verglichen werden. Dahinter steht immer die Frage “Was bedeutet jede Maßnahme für das Ganze?”. Durch einen derartigen Austausch kann am Ende das große Schweigen nach der Krise durchbrochen werden. Werden Sicherheit und Vertrauen neu geschaffen, entsteht die Möglichkeit, das Erlebte zu versprachlichen. Und erst dann können Lösungen entstehen, die von den Menschen mitgetragen werden.

Kinder und Jugendliche – Angst und Schuld

Kinder und Jugendliche waren keine Pandemietreiber und kaum je gefährdet. Trotzdem waren sie von den Maßnahmen besonders betroffen. Jetzt zutage tretende, gravierende psychische Folgen waren von Anfang an absehbar. Besonders perfide war die Vermittlung von Schuld: “Du, Kind, wirst die Oma töten, wenn du nicht wegbleibst.”

Die Kinder- und Jugendpsychiatrien waren die längste Zeit überfordert und mussten triagieren. Die Regeln für Schulen waren chaotisch. Für Kinder war der Kontakt mit anderen Kindern nach den Zeiten der Isolation mitunter schwierig, die Reaktion auf Gesichter nach der Maskenphase war anders als früher.

Depressionen, Ess- und Körperbildstörungen sowie Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen sind stark gestiegen. Ebenso vielerlei Störungen bei Kleinkindern. Schwangerschaft und Geburt waren wegen der Corona-bedingten Maßnahmen in Krankenhäusern oft belastend und traumatisch. Partner durften die Geburt ihres Kindes nicht miterleben. Stress vor und bei der Geburt wirkt sich negativ auf das Kind aus. Das Gesicht und dessen Ausdruck sind wesentlich für das Bindungsschema des Kindes zum Erwachsenen. Dies wird durch Tragen einer Maske völlig verändert. Die Resonanz zwischen Mutter und Kind ist gestört, der Augenausdruck allein genügt nicht.

Die Problematik von diversen Bindungsstörungen wird absehbar vermehrt zu narzisstischen Ausprägungen führen – angetrieben auch durch die vielen Wochen der Isolation. Wie der Gesamtschaden aussieht, wird erst über Generationen sichtbar werden.

Sozialarbeit – Erfahrungen

Die Gesellschaft ist hässlich geworden, egoistischer. Einsamkeit und emotionale Abstumpfung spielen eine Rolle, man war vielfach auf sich selbst gestellt. Es wäre wünschenswert gewesen, dass die Politik auf Hetzerei verzichtet hätte, und stattdessen den Fokus auf das Verbindende gelegt hätte. Mehr Diskurs hätte ermöglicht werden müssen, auch zwischen den Experten. Es gab sehr wohl Wissenschaftler und Ärzte, die die Dinge anders gesehen haben als jene Fachleute, die öffentlich auftraten.

Alte und kranke Menschen wurden in Heimen und im Krankenhaus allein gelassen. Selbst Sterbenden wurden letzte Kontakte zur Angehörigen versagt.

Randgruppen wie Gefängnisinsassen hatten es schwer. Sie hatten noch weniger Kontakt zur Außenwelt als ohnehin schon, denn zu viele Insassen mussten sich wenige Telefone und Computer teilen, um mit ihren Angehörigen zu kommunizieren. Sie wurden noch introvertierter, der enge Raum wurde noch enger, Impulsdurchbrüche und Konflikte passierten häufig.

Aber auch positive Aspekte werden von den Befragten betont: Die Gesundheit ist stärker in den öffentlichen Blick gerückt als etwas, das nicht selbstverständlich ist. Ebenso gibt es nun ein erhöhtes Bewusstsein dafür, wie sehr Menschen unter Einsamkeit leiden.

Schlussfolgerung

Die einen hatten Angst vor Erkrankung, die anderen davor, betrogen zu werden und durch die Regierungsmaßnahmen zu Schaden zu kommen. Beide Gruppen wurden gegeneinander getrieben, der Konflikt war vorprogrammiert.

Am Ende sitzen wir aber alle im gleichen Boot. Die Aufarbeitung des Geschehenen erfordert Offenheit, andere Meinungen zu akzeptieren sowie auf andere zuzugehen. Eine gemeinsame Analyse, wie es zu diesen Überreaktionen kommen konnte, muss dabei möglich sein. Wegen des kollektiven Traumas scheint dieses Aufeinander zugehen aber derzeit noch schier unmöglich.

Evelyn Ritt selbst fasst es so zusammen: „In welcher Welt wollen wir leben? Egal wie jeder durch diese Zeit gekommen ist, wenn wir wieder offen aufeinander zugehen, werden wir erkennen, dass die Ängste, die uns getrieben haben, gar nicht so unterschiedlich waren. Unsere eigenen Ängste, Nöte und Sorgen sollten wir auch im Anderen sehen, anerkennen und aushalten.“

Weiterführende Information

Ritt E. MundWerk – Der Wille zum Sinn – eine Retrospektive. YouTube, 2023. online: https://www.youtube.com/watch?v=Y4XBOpswsPE

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