Präsident Macron peitscht die umstrittene Rentenreform ohne Zustimmung des französischen Parlaments durch. Ein Misstrauensantrag wird seitens der Opposition diskutiert und könnte am Montag durchgeführt werden. Wird dies noch sein Fallstrick?
Seit Wochen und Monaten protestieren die Menschen in Frankreich gegen die von Präsident Emmanuel Macron geplante Rentenreform, die auch mit einer deutlichen Anhebung des Antrittsalters einhergehen soll. Macron, der seit den letzten Wahlen zur Nationalversammlung keine Mehrheit mehr im Parlament hat, will diese auch ohne parlamentarische Zustimmung durchpeitschen. Dies stößt jedoch bei der Opposition auf Ablehnung. Der britische „Telegraph“ berichtet von den Reaktionen der Oppositionspolitiker:
„Die Abstimmung über diesen Antrag wird es uns ermöglichen, eine tiefe politische Krise zu überwinden“, sagte Bertrand Pancher, der Vorsitzende der Fraktion für Freiheiten, Unabhängige, Überseegebiete und Territorien in der Nationalversammlung, dessen Antrag von Mitgliedern der breiten linken NUPES-Koalition mitunterzeichnet wurde. Die populistische Partei Nationale Rallye von Marine Le Pen erklärte ebenfalls, sie werde das Misstrauensvotum unterstützen und einen eigenen Antrag stellen. „Dieses Rentenreformprojekt hat weder eine soziale Legitimität, noch eine Legitimität in der Bevölkerung, noch eine demokratische Legitimität“, schrieben die Abgeordneten. „Es würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der es Regierungen ermöglichen würde, weitreichende Sozialreformen durch Hintertüren und Zwangsverfahren durchzusetzen, die für unsere Demokratie gefährlich sind.“
Deshalb werde man am heutigen Sonntag in der Nationalversammlung über einen Misstrauensantrag gegen den Präsidenten debattieren, der dann am morgigen Montag zur Abstimmung gebracht werden könnte. Andererseits könnte Macron auch das Parlament auflösen und vorgezogene Wahlen durchführen lassen. Allerdings würde dies angesichts der mangelnden Popularität seiner Partei wohl zu weiteren Verlusten in der Nationalversammlung führen. Es ist jedoch nicht gewiss, dass der Misstrauensantrag auch eine entsprechende Mehrheit unter den Abgeordneten der zersplitterten Parteienlandschaft findet. Es müssten sich dafür faktisch die Abgeordneten von Linksaußen bis Rechtsaußen zusammentun – inklusive von mindestens der Hälfte der Abgeordneten der konservativen oppositionellen Partei Les Républicains.
Hunderttausende sind in den letzten Wochen aus Protest gegen Macrons Rentenreform auf die Straße gegangen, und Umfragen zeigen immer wieder, dass rund 75 Prozent der Franzosen eine Erhöhung des Rentenalters ablehnen. Auch zeigen sich vier Fünftel der Franzosen unglücklich darüber, dass Macron das Parlament bei dieser Entscheidung übergehen will.
In Frankreich kann heute jeder mit 62 Jahren in Rente gehen. Mit dieser Reform wird das gesetzliche Rentenalter auf 64 Jahre heraufgesetzt. Sie werden vielleicht denken, dass dies im Vergleich zu den Nachbarländern Deutschland und Italien (beide 67 Jahre) sowie Spanien und Belgien (beide 65 Jahre) sehr früh ist. Allerdings garantiert ein Renteneintritt mit 64 Jahren in Frankreich nicht unbedingt eine volle Rente. Nach der Reform müssen die Menschen 43 statt 42 Jahre arbeiten, um eine volle staatliche Rente zu erhalten. Das bedeutet, dass die meisten Menschen erst ab dem Alter von 67 anstatt wie jetzt 66 Jahren Anspruch darauf haben werden.