Die Behauptung, Covid-19 sei nicht behandelbar, ermöglichte nicht nur den Produzenten der experimentellen Gentherapeutika immense Profite, sondern auch jenen Pharma-Unternehmen, die so neue Medikamente auf den Markt werfen konnten. Schnell drängte sich der Eindruck auf, die Umwidmung altbekannter Medikamente wie Ivermectin oder Hydroxychloroquin (HCQ) sollte regelrecht verhindert werden. Im Falle von HCQ, das aus der Behandlung von Malaria und Autoimmunerkrankungen bekannt ist, wurde die mangelnde Eignung zur Covid-Therapie durch eine fragwürdige Studie „belegt“, die eilig zurückgezogen wurde – doch diese Tatsache wurde ignoriert.
Der Fall Surgisphere – Österreichs Experten verschlafen einen Skandal
Presseaussendung der GGI-Initiative am 01.08.2023
Das Medikament Hydroxychloroquin war zuerst ein Kandidat zur Frühbehandlung von Covid-19. Schnell ist es durch den Surgisphere-Skandal in Verruf geraten. Eine Studie mit manipulierten Daten der Firma Surgisphere hat vermeintlich keine Wirkung und sogar Schädlichkeit gezeigt. Die Studie wurde schnell zurückgezogen, scheinbar ist dies aber bei Österreichs Experten nicht angekommen. Der Gewinner dieser dubiosen Angelegenheit ist der Pharma-Betrieb Gilead. Dessen Produkt Remdesivir erhielt die erste bedingte Zulassung als Medikament zur Covid-Behandlung. Diese ist nach wie vor aufrecht, obwohl es deutliche Hinweise gegen Nutzen und für Schädlichkeit gibt. Der Surgisphere-Skandal zeigt einmal mehr, dass Studien zu Wirkung und Sicherheit von Arzneien nur bedingt zu trauen ist, je nachdem wer profitiert.
Hydroxychloroquin
Hydroxychloroquin (HCQ) ist ein Medikament, das ursprünglich zur Behandlung von Malaria eingesetzt wurde. Daneben kommt es bei gewissen Autoimmunerkrankungen zur Anwendung und hat entzündungshemmende Eigenschaften. Da es zunächst im Labor die Vervielfältigung von Sars-Cov-2 gehemmt hat und allgemein gut verträglich ist, war es bald ein Kandidat für die frühzeitige Behandlung von Covid-19. [1] In einer Richtlinie der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) von Ende März 2020 wurde HCQ – wenngleich unter Vermerk niedrigen Evidenzgrades – noch als Möglichkeit für antivirale Therapie geführt. [2]
Surgisphere und Datenfälschung
Surgisphere ist eine Firma für medizinische Datenanalytik mit Sitz in den USA. Mitte 2020 ist sie in Verruf geraten, da aufgrund stark manipulierter Datensätze einige darauf aufbauende Studien zurückgezogen wurden. Surgisphere hatte anscheinend weder statistisch bzw. datenanalytisch kundige Mitarbeiter, noch eine der wie behauptet weltgrößten Spitalsdatenbanken. Geschäftsführer Sapan Desai wurde in der Vergangenheit bereits wissenschaftliches Fehlverhalten vorgeworfen. Der Fall wurde als Surgisphere-Skandal bekannt. [3]
Ignoranz in Österreich
Eine auf Basis der Surgisphere Datenbank durchgeführte Studie (veröffentlicht am 22.05.2020) hat sich mit HCQ befasst und kam fälschlicherweise zu dem Ergebnis, HCQ mit oder ohne die Antibiotika Azithromyzin (AZM) bzw. Clarithromyzin wäre wirkungslos und sogar schädlich für das Herz. [4] Die Autoren zogen ihre Publikation erstaunlich schnell bereits am 05.06.2020 zurück. [5]
In Österreich ist die Information über die zurückgezogene Studie wohl nicht angekommen. Die ÖGARI rückt im Update vom November 2020 von HCQ ab. Dessen Einsatz mit oder ohne AZM sei außerhalb klinischer Studien nicht angebracht. [6] Die Formulierung mit der expliziten Erwähnung von AZM lässt darauf schließen, dass diese Einschätzung auf der zurückgezogenen, weil auf falscher Datenbasis beruhenden, Studie fußt, wenngleich sie im Literaturverzeichnis nicht aufscheint.
In der ersten Version einer Publikation aus dem Gesundheitsministerium “Die COVID-19-Pandemie in Österreich – Bestandsaufnahme und Handlungsrahmen” vom März 2021 wird HCQ als umstritten bezeichnet und ein negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis attestiert. [7] Die zugrundeliegende Meldung der Europäischen Arzneimittel-Behörde (EMA) stammt von Ende Mai 2020, also noch vor dem offiziellen Rückzug der kritischen Studie. Zwar ist die Rede von mehreren Beobachtungsstudien, welche angebliche Herzprobleme im Zusammenhang mit HCQ vermelden, es liegt aber nur eine allgemeine Liste mit Studien zu HCQ bei Covid-19-Behandlung bei. [8] Für den Handlungsrahmen hätte man vom Surgisphere-Skandal bereits Kenntnis haben können. Weiters wird auf die britische RECOVERY-Studie verwiesen, die den Nutzen von HCQ angeblich klar widerlegt hat. In dieser Studie scheinen jedoch gar keine Auswertungen zu HCQ auf, sondern die Anwendung wurde eben aufgrund der kritischen Studie ausgesetzt, die später zurückgezogen worden war. [9]
Gilead als Gewinner
Der Gewinner dieser äußerst zweifelhaften Geschichte ist die Firma Gilead und ihr Produkt Remdesivir (Handelsname Veklury) als erste offiziell anerkannte Behandlung von Covid-19. Diesem wurde Anfang Juli 2020 – kurz nach dem Surgisphere-Skandal – eine bedingte Zulassung erteilt. [10] Remdesivir (REM) ist wegen fehlendem Nutzen und Nierentoxizität in Verruf geraten. Ein Beitrag auf der Online-Plattform Substack der Ärztin Brucha Weisberger führt entsprechende Nachweise und stellt die legitime Frage, warum dieses Medikament immer noch in Umlauf ist. [11] EMA und Gesundheitsministerium reden sich auf neuere Studien aus, welche angeblich gute Wirkung und Verträglichkeit bescheinigen. In allen Fällen wird eine kleine Auswahl an Ergebnissen betrachtet, welche oberflächlich der Substanz gute Wirkung bescheinigen.
Am Beispiel einer jüngeren Studie zur Wirkung von REM von Anfang 2022 wird erkennbar, worin die Probleme liegen. [12] Erst ein Blick ins Studienprotokoll verrät, dass das Placebo gleich beschaffen ist wie das Verum (das echte Medikament), nur ohne Wirkstoff. Das ist seit Jahrzehnten gängige Praxis in der Pharma, um das Nebenwirkungsprofil gut ausschauen zu lassen. Es wird nämlich nicht das absolute Aufkommen bewertet, sondern die Differenz zum Aufkommen in der Placebo-Gruppe. Und wenn ein oder mehrere Hilfsstoffe eigentlich schädlich sind, ist die Differenz klein bis nicht vorhanden. Zusätzlich lohnt sich ein Blick in die Ergebnisübersicht der Studie. [13] Hier wurde eingetragen, was in der Publikation unterschlagen wird. Bei 30% in der REM-Gruppe verschlechterte sich die Symptomatik nämlich nach anfänglicher Besserung (13% in der Placebo-Gruppe). Es handelt sich also um einen sog. rebound Effekt, der beim Einsatz eines Medikaments eigentlich bedacht werden muss.
Kostengünstige Frühbehandlung ernst nehmen
Es kann davon ausgegangen werden, dass es durchaus wirksame Medikamente gegen Covid-19 gegeben hätte, deren Einsatz aber aus unterschiedlichen Gründen nicht offiziell empfohlen wurde. Zum einen kann die Verantwortung für eine off-label-Verwendung tatsächlich problematisch sein, zum anderen ist mit neuen Medikamenten auch mehr zu verdienen als mit der Einsatzerweiterung bzw. dem sog. repurposing (Umnutzung) von bewährten Arzneien und Behandlungsmethoden.
Manche Medikamente wurden gerade heraus diskreditiert (z. B. Ivermectin), über andere wurde mittels trügerischer Studien unseriös informiert (z. B. HCQ). Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Studien über Arzneimittel sind jedenfalls angebracht, wie der Surgisphere-Skandal einmal mehr zeigt.
Quellenangaben
[1] Gies V & al. Beyond Anti-viral Effects of Chloroquine/Hydroxychloroquine. Front Immunol Sec Inflammation, Vol 11, 2020. DOI: https://doi.org/10.3389/fimmu.2020.01409
[2] Köstenberger M & al. ICU Therapy guideline for the treatment of patients with a SARS CoV2 infection – Version 29.3.2020. ÖGARI/FASIM/ÖGIAIN, 2020. online: https://www.anaesthesie.news/wp-content/uploads/ÖGARI-FASIM-ÖGIAIN-Guideline-NEU-Covid19-290320.pdf
[3] Davey M, Kirchgaessner S. Surgisphere: mass audit of papers linked to firm behind hydroxychloroquine Lancet study scandal. Guardian News & Media Limited, 2020. online: https://www.theguardian.com/world/2020/jun/10/surgisphere-sapan-desai-lancet-study-hydroxychloroquine-mass-audit-scientific-papers
[4] Mehra M & al. Hydroxychloroquine or chloroquine with or without a macrolide for treatment of COVID-19: a multinational registry analysis. The Lancet, 2020. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31180-6
[5] Mehra M & al. Retraction—Hydroxychloroquine or chloroquine with or without a macrolide for treatment of COVID-19: a multinational registry analysis. The Lancet, 2020. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31324-6
[6] Köstenberger M & al. SARS-CoV-2 Behandlungsempfehlungen für die Intensivmedizin – Update November 2020. ÖGARI/FASIM/ÖGIAIN, 2020. online: https://www.oegari.at/web_files/cms_daten/update_neutral_sars-cov-2_behandlungsempfehlungen_fur_die_intensivmedizin.pdf
[7] Burgmann S & al. Die COVID-19-Pandemie in Österreich – Bestandsaufnahme und Handlungsrahmen – Version 1.0. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), 2021. online: n/a
[8] European Medicines Agency. COVID-19: reminder of the risks of chloroquine and hydroxychloroquine. European Medicines Agency, 2020. online: https://www.ema.europa.eu/en/news/covid-19-reminder-risks-chloroquine-hydroxychloroquine
[9] The RECOVERY Collaborative Group. Dexamethasone in Hospitalized Patients with Covid-19. N Engl J Med, 384, pp 693-704, 2021. DOI: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2021436
[10] European Medicines Agency. First COVID-19 treatment recommended for EU authorisation. European Medicines Agency, 2020. online: https://www.ema.europa.eu/en/news/first-covid-19-treatment-recommended-eu-authorisation
[11] Weisberger B. Remdesivir, the Killer Drug: May Have Caused the Deaths of 100,000 Americans. Substack, 2023. online: https://truth613.substack.com/p/remdesivir-the-killer-drug-may-have
[12] Gottlieb R & al. Early Remdesivir to Prevent Progression to Severe Covid-19 in Outpatients. N Engl J Med, 386, pp 305-315, 2022. DOI: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2116846
[13] Gilead Clinical Study Information Center. Study to Evaluate the Efficacy and Safety of Remdesivir (GS-5734™) Treatment of Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) in an Outpatient Setting. U.S. National Library of Medicine, 2021. online: https://classic.clinicaltrials.gov/ct2/show/results/NCT04501952?view=results