„Stell dir vor, es ist Krieg und dein Kind muss hin …“ – Sie halten das für eine absurde Idee? Eine Idee, die viel zu weit weg ist, um sich mit ihr zu beschäftigen? Ich bin da anderer Meinung, auch wenn es mich als Mutter einer Tochter nur am Rande treffen würden, weil zuerst die Burschen eingezogen werden. Aber vielleicht trifft es Sie und Ihren Sohn demnächst? Wer weiß das schon so genau?
Ein Kommentar von Edith Brötzner
Lassen Sie uns einen Moment innehalten und nachdenken. Vorab darf ich klarstellen: Ich bin weder Pro-Ukraine noch Pro-Russland. Ich bin Pro-Frieden und Pro-Neutralität. Erinnern Sie sich noch daran? Wir sind neutral. Österreich ist neutral. 1955 wurde eine immerwährende Neutralität unterzeichnet. Im Klartext heißt das, dass wir uns nicht aktiv einmischen dürfen – in welche Kriege auch immer. Wir dürften keines der Kriegsländer bevorzugen oder benachteiligen, dürften uns bei keinen Wirtschaftssanktionen beteiligen und wir dürften uns keinen militärischen Bündnissen anschließen. Ebenso wenig dürften wir Waffen oder Kriegsmaterial liefern. Wir dürften dieses Material nicht einmal durch Österreich durchfahren lassen.
Ich frage Sie an dieser Stelle: Sind wir noch neutral oder haben wir unsere Neutralität längst an den Nagel gehängt? Man könnte jetzt die Aussagen diverser Politiker heranziehen und analysieren. Da ist die Rede von einer Neutralität, die längst verstaubt ist. Von einer Neutralität, die uns nur aufgezwungen wurde. Stellen Sie sich vor, wir wären zu weit gegangen. Wir hätten unsere Neutralität mit Füßen getreten und im Altstoffsammelzentrum entsorgt. Was dann?
Jeder Tote in diesem sinnlosen Krieg ist einer zu viel – egal welcher Nationalität
Sie brauchen nur einen Blick in die Ukraine zu werfen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie es uns in einem Krieg ergehen würde. Tausende Menschen sind dort bereits im Krieg gefallen. Russen, Ukrainer und möglicherweise Europäer. Und täglich werden es mehr. Die Ukraine ist inzwischen sogar einen weiteren Schritt zu weit gegangen. Man ordert die geflüchteten Burschen zurück ins Kriegsgeschehen als Kanonenfutter. Wie hoch sind die Überlebenschancen dieser jungen Männer, die gerade einmal 18, vielleicht auch nur eine Spur älter sind? Zehn Minuten? Fünfzehn Minuten? Vielleicht ein Tag oder zwei, bevor sie aus dem Leben weggeschossen oder weggesprengt werden? Aus einem Leben, das für sie gerade erst richtig begonnen hat.
Wenn man zurückblickt, wie lange der Ukrainekrieg schon dauert – beinahe zehn Jahre – kommt man zu der Erkenntnis, dass viele dieser jungen Männer bis dato ihr halbes Leben in diesem Kriegsgebiet verbracht haben. Frieden ist etwas, das sie vielleicht nur noch wage aus ihrer frühesten Erinnerung kennen.
Dass all diese Menschen, die gerade im Kriegsgebiet für ihre Kriegsherren, die Kriegstreiber und die Waffenindustrie sterben, ein friedliches, erfülltes Leben verdient hätten, ist eine Idee, die sowohl der Politik als auch den sogenannten Leitmedien egal zu sein scheint. Hier spricht man täglich von „eroberten Gebieten“. Man tönt groß von Erfolgen. Aber ist dieser Krieg wirklich ein echter Erfolg? Gibt es hier echte Gewinner oder am Ende doch nur Verlierer, die ihre Toten beklagen müssen?
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – als Vater oder Mutter. Mir als Mutter tut es in der Seele weh, wenn ich sehe, wie junge Menschen Tag für Tag geopfert werden. Egal, ob es 50, 500, 6000 oder unzählige mehr sind. Jeder einzelne ist ein Opfer zu viel, ebenso wie jeder einzelne Tag dieser Kriegsspiele ein Tag zu viel ist. Und wer weiß schon so genau, wie lange es dauert, bis man unsere Kinder als Kanonenfutter einzieht, wenn niemand die Notbremse zieht? Opa würde sich jedenfalls im Grab umdrehen, wenn er sehen könnte, wohin uns diese Reise bringt.